Der Audi 5000 S von Mrs. Parry

California Dreaming

Mit dem Kauf eines Audi 5000 S ging für Audi-Enthusiast Andreas Bauditz 2006 ein Traum in Erfüllung. Nach langem Werben überzeugte er Frieda Parry, sich vom geliebten Audi ihres verstorbenen Mannes zu trennen. Heute ist der Audi 5000 S in Neckarsulm zu Hause.

Audi 5000S, Front Foto: Frank Herzog 26 Bilder

Acht Jahre später hört Andreas Bauditz wieder dieses seltsame, aber verheißungsvolle"Bing-bing-bing", als er den Zündschlüssel kurz rumdreht. Heute, an einem sonnigen Augusttag in Bremerhaven, soll dieser helle Glockenton ein spätes Happy End einläuten. Hauptsächlich nötigt das synthetische Glöckchen die Passagiere im Audi 5000 S zum Anschnallen. Es ist ein lästiger, ein japanischer Ton wie aus einem Mazda oder Nissan. Aber jetzt steht Bing-bing-bing für das große Finale, besingt wie eine leise Fanfare das Ende eines langen Weges, der am 22. Mai 1996 vor einer Garageneinfahrt in Westlake Village bei Los Angeles beginnt und am 31. August 2006 nach Tausenden von Seemeilen in einer tristen Hafenkulisse an der Wesermündung endet.

Die Batterie des Audi 5000 S war während der langen Seereise nicht abgeklemmt. Bauditz will es noch einmal hören, das Bing-bing-bing. Dann dreht er den Schlüssel weiter - der sonore Fünfzylinder fällt spontan in sein dumpfes Brabbeln. Vorsichtige Gasstößefüllen die Leitungen der K-Jetronic mit Chevron Supreme und tauchen seine Tassenstößel in 10 W 40er-Mobil-Öl von Rusnak in der Thousand Oaks Auto-Mall.

Traumwagen in Gobimetallic landet im Hafen

Rusnak heißt der Audi-, BMW- und Porsche-Händler, der Mrs. Parrys Audi 5000 S betreute - 23 Jahre oder 32.780 Meilen lang. Und Bauditz, 38, Audi-Ingenieur, Mitarbeiter der Quattro-GmbH und seit seiner Kindheit Audi-besessen, kann sein Glück kaum fassen. Langsam streicht er um den großen Wagen, fasst behutsam an die Zierleisten und auf die Motorhaube. Glück gehabt, er sieht immer noch so aus wie vor acht Jahren.

Gobimetallic heißt der edle, verführerische Farbton, der jetzt in der Augustsonne alles gibt, um das triste Ambiente aufzuhellen. Der frisch angelandete strahlende Audi 5000 S ist sowieso der Star auf dem Kai. Verlebte Porsche 911 und matte 107er-SL spuckte der Frachter aus, alle "sun-baked", wie der Amerikaner sagt. Also von Hitze und UV-Strahlung geschädigt - abblätternder Klarlack, Risse in Skai und Leder, Verdecke im Eimer. Bauditz' Audi hat keine solch klaffenden Wunden. Bis auf ein paar Kratzer, ergraute Stoßstangengummis und einen minimalen Riss in der wild aufgeschäumten Plastik-Welt des Typ 43 hat er sich in den acht Jahren, als es das erste Mal Bingbing-bing gemacht hat, nicht verändert.

"Es war in der Garageneinfahrt von Frieda Parry, einer zierlichen alten Dame aus einer besseren Wohngegend. Ich durfte ihren Wagen eigenhändig reinfahren, nachdem ich bei ihr geklingelt und mich vorgestellt hatte. Ich ließ in der kurzen Zeit meiner Bewunderung für die makellos erhaltene Limousine freien Lauf, und zum Dank durfte ich mich reinsetzen. Ich mag den Typ 43, vor allem mit Fünfzylindermotor und üppiger Ausstattung. Der von Mrs. Parry ist quasi ein angereicherter CD mit Velourspolstern, Klimaanlage, Automatik, elektrischem Schiebedach, Radio und Ausstellfenstern vorn. Nur die CD-Kissen fehlen. Mein schüchtern formuliertes Verkaufsangebot lehnte sie damals ab. Der Wagen sei eine Erinnerung an Frank, ihren 1986 verstorbenen Mann. Der hat früher als Flugzeugkonstrukteur gearbeitet. Den Audi 5000 S haben Frieda und Frank 1982 als "Tourist Delivery" bei der Porsche Austria in Salzburg abgeholt. Damals hat er 14.914 Dollar gekostet, inklusive Extras. Ein Jahr später nahmen sie ihn mit in die USA."

Im Praktikum bei Audi of America entdeckt

Bauditz entdeckte den dort einst sehr beliebten Audi 5000 S, der auch in der Serie Magnum und im Kino bei "E. T. - der Außerirdische" Gastrollen spielte, während seiner Praktikantenzeit. Für Audi of America eine zeitlang in Los Angeles tätig, kam er ihm manchmal beim Cruisen durch die Vorstädte entgegen. "Gobimetallic fällt auf, und hinten auf der einprägsamen FP...FP-Number-Plate (Frieda Parry...Frank Parry) stand Rusnak drauf. Sofort stand fest, diesen Audi muss ich haben. Ich bekenne mich gern zu den sonst ungeliebten US-Versionen, mir gefallen sie gut. Gerade dem Typ 43 stehen die Sealed-Beam-Doppelscheinwerfer ausgezeichnet."

Über die Rusnak-Kundenkartei findet Bauditz schließlich zur alten Dame. Man teilt ihr mit, dass sich ein netter junger Mann aus Germany für ihren Audi 5000 S interessiere. Mrs. Parry hat ihrem Hätschel-Audi zuliebe mit 68 noch den Führerschein gemacht. Selten fährt sie mehr als 500 Meilen im Jahr, Rusnak wechselt Öl und tauscht Batterien - jahrein, jahraus.

Andreas Bauditz, inzwischen längst wieder in Neckarsulm, wird nie aufdringlich, ab und zu schickt er Mrs. Parry eine Karte mit "Seasons Greetings". Den Audi 5000 S vergisst er nicht. Eines Tages ruft Rusnak an, am 12. Juni 2006: "Mrs. Parry muss sich aus Altersgründen von ihrem geliebten Audi trennen, besteht noch Interesse?" Schnell ist man sich einig.

Innenmaße einer W116-S-Klasse

Das Blind Date an der Weser ist jetzt schon über vier Jahre her. Längst ist der Audi 5000 S mit seiner hoch emotionalen Geschichte das Glanzlicht in der kleinen Audi-Sammlung von Andreas Bauditz. Heute, an einem Spätsommertag wie aus dem Bilderbuch, fährt er mit ihm durch die Reben- und Flusslandschaft am Neckar. Bauditz genießt die niedertourige Fahrt im gelassen grummelnden Fünfzylinder, er schätzt das befreiende Raumgefühl des großen Wagens, der die inneren Maße einer 116er-Mercedes-S-Klasse hat.

Der gepflegte Jahreswagenzustand macht diesen Audi 5000 S zur Ausnahmeerscheinung. Die Sealed-Beam-Scheinwerfer grüßen schon von Weitem. Gobimetallic mit tiefgrün getönten Scheiben, diese Kombination betört Audi-Liebhaber, die sich speziell an den vorderen Ausstellfenstern delektieren. Das Qualitätsgefühl im Typ 43 ist weit besser als sein Ruf, er ist leise, die Türen schließen satt. Der Fahrkomfort des Fronttrieblers schmeichelt. Der Audi 100 hat verdient in den 70ern reihenweise Vergleichstests gewonnen, vor dem 123er von Mercedes.

Für Bauditz ist der erst spät geschätzte zweite Audi 100 ein Meilenstein auf dem Karriereweg zur Premiummarke. Der herbe Leistungsverlust des abgasgereinigten Motors im Audi 5000 S stört ihn wenig. "Das hohe Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich kaschiert viel."

Zum Abschied, als er schon das große weiße Laken über den Gobi-Lack zieht, gesteht er quasi in letzter Minute: "Vor zwei Wochen habe ich einen Audi 5000 S im Netz ersteigert - das Nachfolgemodell, der Aerodynamik-Weltmeister. Schöner Zustand, wenige Meilen - ich kann es kaum erwarten."