Ford Taunus 17M P3 im Fahrbericht

Linie der Vernunft

Aerodynamik kann so schön sein, wenn sie Extreme meidet. Der strömungsgünstige Ford 17 M P3 schwor dem Blechbarock gründlich ab und bezauberte mit zierlichen Linien, großen Glasflächen und einem unverwechselbaren Gesicht. Die Technik blieb bieder.

Ford Taunus 17 M P3, Frontansicht Foto: Frank Herzog 22 Bilder

Erstaunlich, wie modern und attraktiv ein fünfzig Jahre altes Auto heute noch wirken kann. Große Glasflächen, klare glattflächige Linien, eine sanft gerundete Frontpartie und ein harmonisch auslaufendes Heck. Kein Heckflosse-Chi-Chi, keine Panoramascheiben-Opulenz, keine übertriebene Chrom-Heraldik. Ein Auto, das man sofort ins Herz schließt, und das zum Einsteigen und Losfahren animiert.

Ein alter Freund, der sich bestens gehalten hat. Nur die im Vergleich zur Karosseriebreite schmale Spur und die arg zierlichen 13-Zoll-Räder entsprechen längst nicht mehr dem gängigen Schönheitsideal. Ford-Stylist Uwe Bahnsen gelang mit dem Ford Taunus 17 M P3 ein skulpturhafter Strömungskörper, ohne die extreme schmalfenstrige Tropfen-Silhouette eines frühen Porsche 356 mit dem Rekord cW-Wert von 0,30.

Pragmatischer Fünfsitzer mit großem Kofferraum

Doch ein Ford Taunus 17 M ist kein kompromisslos auf Tempo gezüchteter Sportwagen, sondern eine geräumige Mittelklasse-Limousine, ein pragmatischer Fünfsitzer mit großem Kofferraum. Das erfordert Kompromisse bei der Windschlüpfrigkeit. 0,40 sind aber ein großartiger cW-Wert, das späte Topmodell 17 M TS schafft mit nur 75 PS eine Spitze von 160 km/h. Um da mithalten zu können, musste Hauptkonkurrent Opel beim A-Rekord die 100 PS des Kapitän-Sechszylinders bemühen.

Die Stoßstangen und Blinker nahtlos in die Karosserie integriert, ein gerundeter Querschnitt mit eingezogenem Profil - es zeigt sich sofort, dass beim Ford Taunus 17 M P3 viel aerodynamische Feinarbeit geleistet wurde. Markante Ovalscheinwerfer sorgen trotzdem für ein unverwechselbares Gesicht. Früher kannte das Auto jedes Kind, es gab sogar ein Wiking-Modell vom Ford Taunus P3 mit acht Jahren Laufzeit, die hätte man dem Original gerne gewünscht.

Dann hätte es sich wirklich entfalten können, wäre zeitlos modern geworden statt nur modisch, hätte heute wohl den Status einer Borgward Isabella oder eines NSU Ro 80. Wäre keine 8.000 Euro wert, sondern achtzehn. Die Badewanne, wie der Ford Taunus 17 M wegen seiner gerundeten Karosserieflanken rasch vom Volksmund gerufen wurde, avancierte trotz kurzer Präsenz von nur vier Jahren neben dem Capri zum populärsten deutschen Ford der Neuzeit.

Sensationeller cW-Wert von 0,40

Mit dem Ford Taunus 17 M P3 entdeckten die Kölner die Linie der Vernunft, der sensationelle cW-Wert von 0,40, üblich war 0,50 in der Trapezliga der Konkurrenz, bedeutete die radikale Umkehr vom Gelsenkirchener Barock des Vorgängers P2. Vielleicht war es auch nur die Flucht nach vorn. Denn für eine völlige Neukonstruktion wollte Ford mal wieder kein Geld in die Hand nehmen.

Die Badewanne lebt ähnlich wie Borgwards Isabella in erster Linie von der optischen Attraktion, die für einen Hauch Avantgarde und ein exklusiveres Image sorgte. Beide Wagen verstanden es, aus biederen OHV-Motoren und einfachen Radaufhängungen eine hohe Fahrkultur zu zaubern. Denn unter dem hübsch geformten Blech des Ford Taunus 17 M P3 blieb technisch bis auf Feinarbeit an Motor und Fahrwerk alles beim Alten. Der kurzhubige Grauguss-Vierzylinder mit seitlicher Nockenwelle und drei Kurbelwellenlagern stammt ursprünglich aus dem Weltkugel-15 M von 1955.

Für Ford war es ein revolutionäre Schritt - vom Vorkriegs-Flat-Head zu hängenden Ventilen, doch es blieb beim Stirnradantrieb. Die blattgefederte Hinterachse des Ford Taunus 17 M P3 gilt ebenfalls als technische Hausmannskost, keine Längslenker oder Schubstreben entlasten die Federblätter von ihren Führungsaufgaben.

Moderne McPherson-Vorderachse im Ford Taunus 17 M P3

Selbst die in den fünfziger Jahren hoch moderne McPherson-Vorderachse, eine effiziente und dank geringer ungefederter Massen leicht ansprechende Konstruktion, steckte schon im ersten Ford Taunus 17 M. Später fiel sie ebenso mangelnder Ford-Kontinuität zum Opfer wie die Linie der Vernunft. Beide Errungenschaften kehrten erst 1982 mit dem mutigen Sierra schicksalhaft zurück, auch er eine Bahnsen-Schöpfung mit herrlich antizyklischem Hinterradantrieb und aufwendiger Schräglenkerachse.

Mittlerweile macht ihn das fast begehrenswert, teilte er doch lange Zeit das Schicksal seines Urahns. Verbraucht, verkannt, vergessen und durchgerostet landete er gequadert wie unzählige Badewannen als Alteisen in den Hüttenwerken. Heute geraten ältere Leute an der Tankstelle in Verzückung, wenn sie den schwarz-weißen Ford Taunus 17 M TS sehen - unser Fotomodell aus dem Besitz des oberbayerischen Ford-Händlers Hans Ritz. Für manche ist er ein Flash aus ihrer persönlichen Vergangenheit.

Einladend öffnen die breiten Pforten des tiefschwarzen Zweitürers mit weißen Dach und Weißwandreifen. Innen auf den üppigen Polstern der De Luxe-Ausstattung wiederholt sich das damals auch in der Damenmode beliebte schwarz-weiße Kontrastspiel. Wie ein Tupfenkleid mit Wespentaille. Das Ritz-Modell stammt aus dem Frühjahr 1963, es hat schon serienmäßige Scheibenbremsen vorn und natürlich ein Vierganggetriebe, aber noch den etwas schwächeren 1,8-Liter-Motor mit 73 PS.

Wirtschaftswunder De Luxe

Der Zugknopf für den Choke ist auch in der Instrumententafel des Ford Taunus 17 M P3 ein Indiz dafür. Im Herbst 1963 kam der stärkste TS mit 75-PS-Motor und Solex-Registervergaser samt Startautomatik. Ein Golde-Schiebedach und ein UKW-Radio steigert noch die Exklusivität des TS. Mit vorderen Einzelsitzen, Mittelarmlehne im Fond und hübsch dekorierten Radzierringen verkörpert er die De Luxe-Philosophie des aufwärts strebenden Wirtschaftswunders.

Schließlich war das Gros der Badewannen 1500er-Standardmodelle mit versicherungsgünstigen 55 PS und Dreigang-Schaltung, aber auch sie schon knapp 140 km/h schnell und in der Hierarchie meilenweit über einem VW 1500 angesiedelt. Man sitzt gut im Ford Taunus 17 M P3, das tief geschüsselte Bakelit-Lenkrad steht angenehm steil, die leichtgängige und präzise Lenkradschaltung schmeichelt der Hand, drei Rundinstrumente sind die Ausnahme zum damals üblichen Breitbandtacho. Ein Drehzahlmesser ist selbst im TS-Paket noch Zukunftsmusik, die wohltuende Sachlichkeit, die den Wagen umgibt, stört nur die chromglitzernde Instrumententafel. Sonst gibt es nichts zu mäkeln. Die Sicht nach vorn ist ausgezeichnet, die riesige Frontscheibe teilt der P3 mit dem späteren NSU Ro 80.

Leichtgängige Kupplung, Schaltung und Lenkung

Kupplung, Schaltung und Lenkung agieren im Ford Taunus 17 M P3 auch ohne jegliche Hydraulik angenehm leicht.

In der damaligen Ford-Werbung posieren gerne schlanke Damen im Audrey-Hepburn-Stil mit dem eleganten Wagen. Er ist für sie auch dank bequemer hängender Pedale und der sensibel ansprechenden Bremse kinderleicht zu fahren. Einen Bremskraftverstärker samt Zweikreis-Bremssystem gab es erst zwei Generationen später beim Ford Taunus 17 M P7a.

Oft enttäuscht das Fahrerlebnis in solchen Jedermann-Autos von damals, gerade deshalb sind ja Alfa Bertone, BMW 2002 oder Triumph TR 4 solche Helden. Doch der Ford Taunus 17 M P3 macht dank seiner selbstverständlichen Leichtigkeit beim Fahren große Freude. Er zeigt klar auf, wie wenig es braucht, um glücklich Auto zu fahren - ein gutes Raumgefühl, eine angenehme Sitzposition, eine erfreuliche Motorcharakteristik und eine sanfte Federung.

Stets schwingt im Takt des weich gepolsterten Federkernsitzes die Erinnerung mit, unterstützt vom näselnden Klang des Motors. Der Onkel, der einst einen dunkelgrünen Ford Taunus 17 M P3 hatte, der Freund des Vaters, der einen weißen TS-Viertürer besaß und viel später dann auf dem Uni-Parkplatz die himmelblau gewalzte Hippie-Wanne mit dem Wynn’s-Aufkleber. Doch das Exemplar von Hans Ritz ist perfekt - so makellos, wie 1965 vom Prokuristen gegen den neuen 20 M in Zahlung gegeben.

Stoßstangenmotor mit erstaunlichem Drehvermögen

Der elastische, temperamentvolle Vierzylinder mit dem roten High-Performance-Ventildeckel hängt gut am Gas, dreht gern hoch und hat dank seiner 73 PS aus satten 1,8 Liter Hubraum leichtes Spiel mit den rund 950 Kilogramm der Badewanne. Theoretisch schafft sie den Standardsprint in nur 15 Sekunden. Mühelos fallen die Gänge in die Schaltgassen, schnell ist Tempo 80 erreicht, deutlich mehr als 120 km/h sind auf der Autobahn durchaus drin, doch dann dröhnt der Ford Taunus 17 M P3 unangenehm.

Bis auf das erstaunliche Drehvermögen des Stoßstangenmotors ist nichts an ihr sportlich, weder die etwas indirekte Lenkung noch das weiche Fahrwerk des Ford Taunus 17 M P3. Sie untersteuert in schnellen Kurven deutlich, zeigt dabei eine ausgeprägte Seitenneigung und bemüht sich zum Ausgleich ehrgeizig um bequemen Fahrkomfort, zumindest auf guten Straßen. Auf welligen Fahrbahnen versetzt die Hinterachse spürbar, auch das der Preis der simplen Konstruktion.

Leider setzt sich die dynamische Linienführung der Badewanne nicht in ihren Fahreigenschaften fort. Die "Journalistenstäbe", die später der Ford Taunus 17 M P7 als Antwort auf harsche Kritik von auto motor und sport in Form von Längslenkern und Schubstreben bekam, hätten schon der Badewanne gut getan. Aber sie spricht in Temperament und Charakter eben den gemütlichen Cruiser und nicht den Racer an.

Obwohl: 1963 gewann ein 17 M TS mit Alfred Burkhardt und Heinz Zertani als Besatzung die mörderische Tour d’Europe. Das sind immerhin 15.000 Kilometer rund ums Mittelmeer in elf Tagen. Doch das ist viel zu strapaziös für ein 50 Jahre altes Auto.

Ford verschenkte das Talent des P3

Also Schiebedach aufgekurbelt, den blauen Himmel reinlassen und die Landschaft genießen. Kein röhrender TR 4-Auspuff zersägt die Idylle, der sonore Taunus-Klang wirkt nie aufdringlich. Trotz TS und De Luxe erweist sich die schwarz-weiße Badewanne als bescheidenes Automobil, neun Liter auf 100 Kilometer reichen ihr allemal, und ganz selten verlangt sie nach einem halben Liter Motoröl.

Gibt es bei aller Liebe auch Kritik am Ford Taunus 17 M P3? Eine gediegenere Karosseriequalität würde helfen, wo doch bereits selbstaufstellende Motorhaubenscharniere zum Einsatz kommen, die später nicht mal der Granada hat. Schade, dass ihr nicht genügend Zeit blieb, ihre Begabung voll auszuleben. Etwa mit fünf Kurbelwellenlagern, Querstromkopf und 90 PS aus 1800 Kubik. Dazu eine ordentliche schraubengefederte Fünflenker-Starrachse à la Peugeot oder Volvo. So hätte die Linie der Vernunft locker bis 1970 gehalten.