Maserati Biturbo Spyder im Fahrbericht

Italiener mit giftigem Charakter

Der Maserati Biturbo ist ein unterschätzter und verkannter Italiener mit viel Flair. Der neu gegründete Verein der Biturbo-Besitzer bestätigt den Status des Maserati Biturbo Spyder als immer beliebteres Sammlerstück. Wir sind den verkannten Italiener gefahren, der schon für wenig Geld zu haben ist.


Maserati Biturbo Spyder 2.0 Foto: Frank Herzog 11 Bilder

Maserati-Fahrer sind besondere Menschen. „Sie haben etwas feinere Geschmacksnerven“, sagt Arno Teschinsky, der in diesem Jahr den Maserati Biturbo Club Deutschland gegründet hat. Entsprechend unkonventionell richtet der Vereinschef, der sich nichts aus Vereinsmeierei macht, das erste Maserati Biturbo-Meeting aus.

Ein „Gastro-Erotisches Happening mit Body-Painting à la Salvador Dalí im Schloss Balthasar im Europapark Rust“ steht als Highlight auf dem Programm, das demnächst den 20 Clubmitgliedern zugehen wird. Im Gegensatz zum feineren Maserati-Club Deutschland sind im Maserati Biturbo-Club Fans aller Alters- und Einkommensklassen versammelt. „Da gibt es etablierte Ärzte, Rechtsanwälte und Druckereibesitzer“, erzählt Teschinsky, „und gleichzeitig den 20-jährigen Studenten, der sich für 6.500 Mark einen Biturbo der ersten Serie gekauft hat.“

Maserati Biturbo Spyder – so günstig in die italienische Luxusklasse

Tatsächlich ist der Maserati Biturbo die billigste Möglichkeit, in die italienische Luxusklasse einzusteigen. Viele Technik-Defekte bei der ersten Biturbo-Serie prägten in Italien den Spitznamen „Bidone“ (großer Mülleimer mit vier Rädern) und engen den Kreis der Interessenten bis heute auf die echten Liebhaber ein. Das gilt vor allem für die geschlossenen Maserati Biturbo-Varianten, aber auch für den Spyder. Das Motor Klassik-Fotoauto in properem Zustand steht für 17.500 Mark zum Verkauf – kaum mehr, als auch für einen vergleichbar guten Alfa Fastback-Spider anzulegen sind.

Günstiger als heute wird ein Maserati Biturbo Spyder nie mehr zu haben sein. Denn Maserati liegt im Trend: Nach der Übernahme durch Ferrari stehen die Chancen gut, dass die unterbewertete Sportwagenfirma durch das PR-Trommelfeuer des Fiat-Konzerns vom Geheimtipp zur Kultmarke aufsteigen wird. „Jetzt schon ziehen die Preise für gute Biturbo Spyder an“, bestätigt Teschinsky.

Ähnlich zurückhaltend wie beim Preis gibt sich der 1984 präsentierte, bei Zagato gebaute Maserati Biturbo Spyder in der Form. Er ist ein kompaktes Auto mit Ecken und Kanten, das schlicht und gleichzeitig edel wirkt.Die kurzen Karosserieüberhänge und die angedeutete Keilform verleihen ihm zusätzlich einen Schuss Aggressivität. Mit seinen eckigen Einzelscheinwerfern und dem Reißzahn im Kühlergrill wirkt er im Rückspiegel wesentlich böser als beispielsweise die ebenfalls mit einem Vieraugengesicht gesegnete aktuelle E-Klasse von Mercedes.

Biturbo rettet Maserati vor dem Untergang

Die Maserati Biturbo Spyder-Front ziert der Maserati-Dreizack, der insgesamt exakt zwei Dutzend Mal auf dem Auto verteilt ist – auf den Türgriffen ebenso wie auf den edlen, polierten Alu-Einstiegsleisten. Das Firmenwappen, das von dem berühmten Neptun-Brunnen in Bologna inspiriert ist, trägt der kleine Maserati mit vollem Recht: Es war der immerhin 24.700 Mal gebaute Maserati Biturbo, mit dem Maserati-Chef Alejandro de Tomaso die marode Firma vor dem Ruin rettete.

„Die italienische Autoindustrie leidet unter einer schwierigen Krankheit“, erläuterte der geborene Argentinier seine Biturbo-Philosophie, „die Wagen sind unzuverlässig, mit schlechtem Finish und lieblos produziert.“ Sein Gegenkonzept: Einen Wagen für den Connaisseur zu bauen, der schnell ist, eine berühmte Marke repräsentiert, und das alles noch zu einem niedrigen Preis.

Die Rechnung ging auf. Schon in den ersten fünf Tagen nach seiner Präsentation liefen in der Fabrik 236 Bestellungen Maserati Biturbo ein – für Maserati-Verhältnisse eine Sensation. „Der Händler in Mailand wurde von Kaufwütigen bestürmt“, hieß es in der italienischen Autozeitschrift „Auto Capital“, und über Nacht hatten plötzlich Tausende von Italienern 20 Millionen Lire übrig, um sie für das neueste Juwel De Tomasos auszugeben.

Maserati Biturbo Spyder glänzt durch innere Werte

Die Geringschätzung des Maserati Biturbo durch Fahrer „echter“ Maserati, die Arno Teschinsky auf Clubtreffen manchmal zu spüren bekommt, ist angesichts dieses historischen Verdiensts also vollkommen unangebracht. Und spätestens beim Einsteigen kommt ohnehin Respekt auf vor dem kleinsten aller Maserati.

Der Maserati Biturbo Spyder trägt den Nerz nach innen. Allein der Maserati-Schriftzug am Armaturenbrett, eine kunstvolle Einlegearbeit in poliertem Walnussholz, rechtfertigt den Kauf des Autos. Der Innenraum ist verschwenderisch mit gerafftem Wildschweinleder und Alcantara ausgekleidet. Das edle Kunstmaterial ziert auch den Innenhimmel des Verdecks, das sich mit wenigen Handgriffen blitzschnell zurückklappen lässt.

Der breite Innenraum des Maserati Biturbo Spyder bietet zwei Personen großzügig Platz, die Sitze sind weich gepolstert und erinnern an die Fauteuils in einem luxuriösen Frisiersalon. Auch die Sitzposition passt. Der Fahrer, in dessen Blickfeld nicht weniger als acht Maserati-Embleme liegen, wird nicht in die für viele italienische Sportwagen übliche Froschposition mit ausgestreckten Armen und gespreizten Beinen gezwungen. Er kann die Fahrt in lockerer Haltung angehen.

Schon beim Drehen des Zündschlüssels kommt spontan Freude auf. Der V6-Motor startet sofort und verfällt schon im Leerlauf in ein heiseres, aggressives Brabbeln, das akustisch an ein wesentlich größeres Triebwerk erinnert. Wegen der italienischen Steuergesetze hatte Maserati-Chef de Tomaso den Hubraum des Maserati Biturbo auf lediglich zwei Liter festgelegt. Um dennoch die einem Maserati würdige Leistung zu erreichen, wurde je Zylinderreihe ein Abgasturbolader montiert.

Ein weiterer Trick von Motorenkonstrukteur Giulio Alfieri bestand darin, auf der Einlassseite zwei Ventile mit unterschiedlichen Durchmessern zu installieren – das kleinere für niedrige, das größere für hohe Drehzahlen. Damit sollte die Schwäche der bisherigen Turbomotoren – schlagartiger Leistungseinsatz und wenig Drehmoment im unteren Drehzahlbereich, beseitigt werden.

Wolf im Schafspelz: Maserati mit ordentlicher Leistung

In der Praxis funktioniert die aufwendige Technik recht gut. Es ruckelt zwar ein wenig, wenn man schon bei 1.500 U/min Gas gibt, aber der Motor des Maserati Biturbo Spyder nimmt tapfer seine Arbeit auf. Richtig Spaß macht es aber erst bei der doppelten Drehzahl. Dann erwacht der Wolf im Schafspelz.

Der Lader-Anzeiger macht eine blitzartige Rechtsdrehung, und der Maserati Biturbo Spyder schießt unter kräftigem Pfeifen der beiden Turbos nach vorn. Der Maserati fühlt sich dabei wesentlich kräftiger an, als die Werksangabe von 180 PS nahe legt. Der Sound ist beeindruckend, beim Gaswegnehmen blubbert, patscht und spotzt der vergaserbestückte Spyder, dass es eine Freude ist.

Auf gerader Strecke ist die Traktion des Maserati Biturbo Spyder überraschend gut. Der Spyder war der erste Maserati, der mit einem Sensitorque-Differenzial ausgestattet wurde. Die Maserati-Pressemitteilung, die dem neuen System allradhafte Traktion nachsagte, war kräftig übertrieben, allerdings wurde tatsächlich eine bessere Drehmomentverteilung auf die Antriebsräder erreicht. Kritisch wird es nur in der Kurve.

Ein Italiener mit giftiger Charakteristik

Wer in engen Krümmungen Gas gibt, kann sein blaues Wunder erleben. Dann verwandelt sich das ansonsten neutrale Kurvenverhalten des verwindingsfreudigen Maserati Biturbo Spyder in blitzartiges Übersteuern, und wer sich nicht vorsichtig mit dieser giftigen Charakteristik vertraut macht, riskiert einen Dreher. In Wechselkurven verstärkt die weiche Federung den kritischen Charakter, sie sorgt andererseits für ein unerwartetes Komforterlebnis.

Neben der tourentauglichen Fahrwerksabstimmung qualifiziert den Maserati Biturbo Spyder auch seine aerodynamischen Qualitäten zum Reiseauto. Bei offenem Dach zieht es selbst auf der Autobahn wenig. Ursache ist die hohe Gürtellinie, die Verwirbelungen von den Passagieren fern hält und der Karosserie einen Hauch von Burg-Charakter verleiht.

Die hohe Bordwand vereitelt allerdings das bequeme Auflegen des linken Ellenbogens, was sich stimmig ins Biturbo-Konzept einfügt. In diesem Auto sollten besser beide Hände am Lenkrad bleiben.