Matra M 530 LX

Der skurille Franzose im Fahrbericht

Die Form des Matra M 530 LX muss man sich schön trinken. Sein Motor hat eine Nockenwelle und einen Vergaser zu wenig, seinem Getriebe fehlt der fünfte Gang. Wer jetzt abwinkt, ist zur Probefahrt eingeladen. Denn das skurrile Ding macht süchtig.

Matra M 530 LX, Baujahr 1971 Foto: Frank Herzog 14 Bilder

Im Profil wirkt er noch am besten. Langer Radstand, flache Schnauze, die Heckfenster-Glaskuppel und ein kecker Hüftschwung sorgen für ein extravagantes Styling voller Dynamik. Trotzdem passen Front und Heck des Matra 530 LX irgendwie nicht zusammen.

Beim Matra M 530 LX wechseln konkave und konvexe Linien

Der Matra 530 LX ist wahrlich kein Auto wie aus einem Guss – auch Chromleisten, Außenspiegel oder Stoßstangenhörner sehen aus wie nachträglich angeklebt. Selbst die weichzeichnerische Milde vier vergangener Jahrzehnte macht aus dem skurrilen Franzosen keinen Beau, dessen Designer besser anonym geblieben ist. In Verdacht gerieten kurzzeitig der Eigenbrötler Pietro Frua und vor allem der Radikal-Individualist Sergio Cocciola, dessen Saab Sonett III ebenso gründlich mit der spießigen Vorstellung eines „oberflächlich“ schönen Autos aufräumte.

In der Literatur und auf einschlägigen Websites ist jedoch von einer Eigenkreation der Mécanique Aviation Traction, kurz Matra, die Rede – einem Rüstungsspezialisten für Avionik, Cruise Missiles und andere Fernlenkwaffen. Matra übernahm Anfang der sechziger Jahre die kleine Automobil-Manufaktur des Jean Rédélé-Konkurrenten René Bonnet. Doch Rédelés Renault-Alpine erwiesen sich im Markt und im Motorsport als weit überlegen. Bonnet musste verkaufen, sein konstruktives Vermächtnis führte geradewegs zum Matra Djet 5. Das war eine offensichtliche Alpine-Kopie, nur saß bei dem flachen Erdgeschoss der Renault 8-Motor mittig, also vor der Hinterachse.

Für Vortrieb des Matra 530 LX sorgt ein einfacher Ford-V4

Der von Ex-Simca-Chefingenieur Philippe Guédon konstruierte Matra M 530 sollte auf dem Genfer Salon 1967 bis auf das moderne Mittelmotor-Konzept neue Zeichen für eine bessere Matra-Zukunft setzen. Immerhin gelang dies Matra wenig später mit dem Rennsportwagen 630 bei den 24 Stunden von Le Mans und sogar mit einem eigens konstruierten Dreiliter-V12-Motor in der Formel 1, der dem konfektionierten Ford-V8 bald folgte.

Solch ingeniöse Brillanz ist dem Matra 530 LX mehr als fremd. Sein Triebwerk stammt aus dem Ford-Regal und gibt sich vor allem im Vergleich mit einem zeitgenössischen Alfa Romeo- oder Fiat 124-Spider betont schlicht. Eine zentrale Nockenwelle rotiert mit der Ausgleichswelle um die Wette, lange Stößelstangen steigern nicht gerade die Drehfreude, und nur ein Solex-Doppelvergaser sorgt auch nicht gerade für starken Durchsatz. Von einem Fächerkrümmer, erleichterten Pleueln oder polierten Kanälen ganz zu schweigen.

Nichts am Matra 530 LX wirkt gekünstelt

Guedon entschied sich beim Matra 530 LX für den gusseisernen, gänzlich ungetunten 1,7-Liter- HC-V4-Motor aus dem 17 M, der extrem kurz baut und damit einen Zweipluszwei trotz Mittelmotor zulässt. Das kompakte Vierganggetriebe samt Differenzial spendete der Fronttriebblock des Ford 15 M RS. Der Matra M 530 LX kokettiert nicht mit seiner demonstrativen Andersartigkeit, er lebt sie wahrhaftig. Nichts am Matra 530 LX wirkt gekünstelt oder gar gewollt, alles ordnet sich einer eigenen skurrilen Ästhetik unter. Nur die Franzosen kultivieren diese Philosophie des technischen Dadaismus so überzeugend.

Matra M 530 LX – Avantgarde-Design, Nonkonformismus, Anti-Mainstream

Unser Matra M 530 LX im Original- Farbton „Jaune Soleil“, Sonnengelb, steht zur Probefahrt bereit. Sein Besitzer Jürgen Schelling ist technikaffin und als Freiburger obendrein frankophil. Den Matra 530 LX entdeckte er bei einer Auktion im Schweizer Oldtimer-Mekka Toffen.

„Schon seit meiner Jugend bin ich fasziniert von dem Matra 530 LX, sein Avantgarde-Design und sein allgegenwärtiger Nonkonformismus begeistern mich. Er ist so sehr Anti-Mainstream, dass ihn kaum einer kennt. Immer mal wieder suchte ich in Oldtimerzeitschriften und im Internet nach einem ordentlichen Exemplar“, schildert Schelling durchaus aufgewühlt seine Beziehung zu dem ungewöhnlichen Auto, das damals, 1970, wie kaum ein anderes polarisierte. Ein entmutigendes „Mann ist der hässlich“, schlägt Schelling an der Tankstelle so gut wie nie entgegen. „Die meisten Leute finden den Matra 530 LX witzig.“

In Frankreich hatte der Matra 530 LX kein Imageproblem. In den siebziger Jahren galt der geräumige Mittelmotor-Targa aus Epoxydharz bei jungen, betuchten Franzosen als Lifestyle-Auto für Intellektuelle, er war ein sportlicher Citroën 2 CV, eine Ikone des Anti-Establishments. Hinter dem ovalen Lederlenkrad des Matra 530 LX versinkt der Pilot tief in den „Cosmos“-Schalensitzen mit den neckischen Belüftungslöchern. Der vertraute Fordschlüssel von Kolb dreht sich im Zündschloss. Spontan legt sich der Ford-V4 mit seinem typischen brutzeligen Ton ins Zeug. Seine eigenwillige Zündfolge im Verbund mit dem kurzen zweiflutigen Auspuff sorgt stets für gute Unterhaltung hinter den Rücksitzen. Nur über 4.000/min wird er arg laut.

Die Kurvengier des Matra M 530 LX begeistert

Der kurze Vierer klingt fast sportlich, längst nicht so langweilig wie im 17 M. Mit den 925 Kilo des aerodynamisch vorbildlich geformten Matra 530 LX hat selbst dieser undramatische Bauernmotor leichtes Spiel, da zählen die 75 PS nahezu doppelt. Zügig spricht der 530 auf Gaspedalbewegungen an, entspannt und nachdrücklich zieht das ultrakurzhubige Aggregat – das aussieht wie ein Werkstatt-Kompressor, wenn man es denn in der schmalen Luke unter der Heckscheibe sehen könnte -, aus dem Drehzahlkeller.

Die Engländer stecken schließlich auch biedere Limousinen-Motoren in ihre Roadster, und alle finden es toll. Dennoch ist der komfortable und geräumige Matra 530 LX ein krasser Gegenentwurf zu MG B oder TR 4 von Triumph. Nur an die extrem direkte Lenkung und die hohen Bedienkräfte der vier Scheibenbremsen muss sich der Fahrer gewöhnen. Die Form des Original-Knaufs verrät das exakt schaltbare, aber mit langen Wegen operierende Ford-Getriebe.

Matra 530 LX mit ausgeglichener Gewichtsverteilung

Mehr als entschädigt wird man durch die für Mittelmotoren typische Kurvengier des eigenwilligen Franzosen, sie wird von der Go-Kart-Lenkung noch unterstützt. Im sehr spät einsetzenden Grenzbereich neigt der Matra 530 LX trotz langen Radstands und ausgeglichener Gewichtsverteilung zu plötzlichem Übersteuern. Breitere Räder und Reifen wie von Schelling gefahren, mildern dies. Anders als der Motor verrät das aufwendige Fahrwerk mit Quer- und Längslenkern hohe konstruktive Schule. Generell ist der Matra 530 LX ein Überflieger, den viele seinerzeit nicht verstanden haben. Sein exaltiertes Design verschreckte, heute versöhnt es.