Auto-Legende Mercedes S-Klasse

Was W116 und W126 besonders macht

Die erste Mercedes S-Klasse war der W116, der Nachfolger W126 gilt als zeitloses Meisterstück des Designchefs Bruno Sacco, der 6.9 galt bei seiner Vorstellung 1975 als bestes Auto der Welt. Was ist dran am Mythos S-Klasse?

Mercedes 450 SEL 6.9, Frontansicht Foto: Hardy Mutschler 18 Bilder

Mein Onkel fuhr einen W116 280SE, den in den Achtzigern ein 380 SE W126 ablöste. Als Kind saß ich ab und zu auf der blauen Velours-Rückbank des 280 SE, später auf den grünen Velours-Polstern des 380 SE. Speziell aus der Perspektive eines Grundschülers wirkte der Wagen mächtig. Es war außerdem das größte Auto in einer Familie, die hauptsächlich VW und gelegentlich Ford fuhr.

Kanzler und Konzernlenker fuhren S-Klasse

Wer fuhr sonst noch S-Klasse? Kanzler natürlich, Brandt, Schmidt und Kohl stiegen in der Tagesschau aus gepanzerten Versionen. Chefs kleiner Firmen fuhren 300 SE, Konzernlenker ließen sich im 500 SEL von Termin zu Termin chauffieren. Mit etwas Anstrengung schafften es Freiberufler zu einer S-Klasse.

Wer es gerade eben so schaffte, bestellte Kurbelfenster, Klarglas und den Schriftzug ab. Hätte sowieso nur 280S oder 260 SE draufgestanden. Doch selbst in frugaler Grundausstattung hat eine S-Klasse eine natürliche Autorität, später kam sogar eine Art Klassenlosigkeit dazu: Denn wer wusste schon, ob die 15 Jahre alte S-Klasse ein neu gekaufter und bar bezahlter 560 SEL war oder ein doch erst kürzlich erworbener Vierthand-Sechszylinder? Schon neu reichte die Bandbreite der Gundpreise von den 54.891 Mark des 300 SE bis zu den gut 120.000 Mark, die Mercedes für einen 560 SE verlangte. Darüber gab es noch das Coupé, darunter den 260 SE, doch an der grundsätzlichen Tendenz ändert diese Tatsache nichts.

S-Klasse Premiere im September 1972

Mercedes S-Klasse Generationen Foto: Daimler
Das "S" steht schon seit den 50er-Jahren auf Heckdeckeln edler Mercedes-Benz. Mit dem W116 hat 1972 offiziell die "S-Klasse" Premiere.

Auf die Welt kommt die S-Klasse, als Mercedes im September 1972 die neue Baureihe W116 präsentiert. Erstmals heißt ein Modell offiziell S-Klasse, das Kürzel „S“ gab es schon seit den Fünfzigern. Der Satz, dass der „W116 die Baureihe W108/109 ablöst“ wird der Dramatik des Vorgangs nicht gerecht: Statt einer hübschen, grazilen Limousine mit 50-Jahre-Technik steht ein wuchtiges Automobil da, das technisch nur wenig mit dem Vorgänger gemeinsam hat: Achsen, Karosserie und Innenraum sind komplett neu.

Der 3,5-Liter-V8 ist grundsätzlich vom Vorgänger bekannt, der 2,8-Liter-Sechszylinder vom kleineren /8 – ebenso übrigens wie das Konstruktionsprinzip der Schräglenker-Hinterachse. Die Achse bleibt auch im Nachfolger W 126 noch aktuell. Die Achtzylinder ab 450 SE aufwärts bekommen eine „Koppelachse“, bei der eine zusätzliche Abstützung zu starkes Absinken des Hecks beim Gasgeben verhindert. Im 450 SEL 6.9 baut Mercedes serienmäßig eine Hydropneumatische Federung (HPF) ein, im 560 SEL kostet die weiterentwickelte HPF 5130 Mark Aufpreis.

Sicherheits-Fahrgastzelle, Offset-Crash, ABS

Mercedes W126 Schnittzeichnung Foto: Daimler
Der W126 erfüllt als erstes Serienauto weltweit die Kriterien für einen Frontalaufprall mit teilweiser Überdeckung, einen sogenannten Offset-Crash, mit 50 km/h.

Der erste Mercedes mit Sicherheits-Fahrgastzelle ist der W116 nicht. Schon die Heckflosse hatte Knautschzonen an Front und Heck. Doch beim W116 sind die Holme dicker, die Türen wuchtiger und der Dachrahmen steifer. Armaturenbrett, Lenkrad und Türrahmen sind dick gepolstert, Schalter und Hebel versenkt oder nachgiebig gestaltet. Windleitprofile an der A-Säule halten die Seitenscheiben sauber, große und geriffelte Heckleuchten bleiben auch bei schlechtem Wetter lange sichtbar.

Das gilt im Prinzip auch für den Nachfolger W126. Doch der schützt seine Insassen dank eines gabelförmigen Trägers im Vorbau auch bei einem Unfall mit versetztem Aufprall – wie er in echt häufiger vorkommt als der flächige Vollkontakt mit einer Wand. ABS gibt es schon im W116 seit 1978. Beides – Offset-Crashsicherheit und Antiblockiersystem – bringt Mercedes mit der S-Klasse als erster in Großserie.

Wie wurde die S-Klasse in Tests bewertet?

Mercedes 450 SEL 6.9, Seitenansicht Foto: Hardy Mutschler
Der 450 SEL 6.9 gilt 1975 als "bestes Auto der Welt".

„Weltbestleistung“ steht in auto motor und sport Ausgabe 21/1975 über dem Test eines Mercedes-Benz 450 SEL 6.9, darunter schreibt Helmut Eicker: „Der 450 SEL 6.9 setzt neue Maßstäbe in der automobilen Spitzenklasse.“ Zum Schluss schreibt Eicker: „überlegene Leistung, gediegene Ausstattung und hervorragende Fahrwerksqualitäten machen in ihrer Vollkommenheit aus dem 6.9 ein Auto, das in der Welt nicht seinesgleichen hat.“

Kritik gab es auch: langsame Fensterheber, nicht ganz befriedigende Betätigung für Wisch/Wasch-Kombination, mäßige Traktion bei Glätte, sehr hoher Anschaffungspreis, hohe Unterhaltskosten. Na, wenn weiter nichts ist. Beim 450 SEL – ohne das 6.9-Alleinstellungsmerkmal Hydropneumatik – hatten die Tester den Federungskomfort bei langsamer Fahrt als durchschnittlich bezeichnet. Gelobt wurden der laufruhige, durchzugskräftige V8-Motor, sichere Fahreigenschaften, exakte Lenkung und gute Bremsen.

Viel Platz, Komfort und ein starker Motor

Im Prinzip gilt das Gleiche zehn Jahre später für das W126-Topmodell 560 SEL. Der Testwagen gefiel mit sehr guten Fahrleistungen – übrigens einen Tick besser als beim 6.9 – ausgezeichneter Motor-Laufruhe und gutmütigen Fahreigenschaften. Das großzügige Platzangebot wurde ebenso gelobt wie die sehr reichhaltige Ausstattung.