Mercedes-Benz 220 Coupé (W 187)

Der kleine Adenauer

Nur 85 Exemplare entstanden in nur einem Modelljahr vom Mercedes-Benz 220 Coupé. Kaum einer weiß um dieses Kleinod aus handwerklicher Fertigung, eines der seltensten Modelle der Mercedes-Historie und Zwilling des Cabrio-Zweisitzers.

Mercedes-Benz 220, W 187, Baujahr 1951-1955 Foto: Dino Eisele 27 Bilder

Der Fahrer des Mercedes-Benz 220 Coupé sitzt aufrecht hinter dem großen Lenkrad, die Arme sind angewinkelt. Konzentriert folgt er der Straße. Sechzig zeigt die Tachonadel, sie zittert dabei leicht, als mahne sie, in den Vierten zu schalten. Der drehfreudige, aber auch sehr elastische Motor tut es noch lange nicht, erst bei Tempo 105 signalisieren drei feine rote Striche den Gangwechsel. Die lange Motorhaube des Mercedes-Benz 220 Coupé ragt stolz und steil in den Fahrtwind, vorn krönt sie der Stern, der noch auf einem massiven Sockel thront. Der prächtige Wagen erlaubt keine Lässigkeit, er erwartet eine würdevolle Haltung, schließlich stammt er aus einer ernsten Zeit.

Der kleine Bruder des Adenauer-Mercedes mit Vorkriegsflair

Die stilistische Schwere der Vorkriegsära schwingt noch mit in diesen frühen Fünfzigern, obwohl Pontonform und selbsttragende Karosserie nicht nur bei Daimler-Benz bereits ein neues Zeitalter beschwören. Schwarz trägt das Mercedes-Benz 220 Coupé, schlichtes, vornehmes Schwarz wie die meisten der wenigen Luxusautomobile jener Zeit. Innen umspannt hellgraues Leder die breiten Sessel und kleidet im diskret beleuchteten Fond eine kleine Bank aus. Auf der kann entweder zusätzliche Garderobe oder ein dritter, leidensfähiger Passagier mitreisen. Prächtiges Holz ziert das Interieur des Mercedes-Benz 220 Coupé, umrahmt die Fenster. Wurzelnussfurnier hat sich der Besitzer gewünscht, ab Werk ging es damals schlichter zu.

Nicht nur von vorn sieht der Mercedes-Benz 220 Coupé aus wie Adenauers kleiner Bruder. Anders als beim ebenso innig verwandten 170 S stehen die Scheinwerfer nicht mehr frei, das lange Heck samt der harmonisch integrierten Scheibe stammt in der grazilen Anmut vom 300 S, dem Schönheitsideal und Hollywood-Traum jener Tage, mit 34.500 Mark teuerster Mercedes seiner Zeit, dem späteren Flügeltürer in dieser Disziplin überlegen.

Vorkriegs-Flair, das bedeutet beim Mercedes-Benz 220 Coupé zum einen Trittbretter, freistehende Kotflügel, steile Kühlerattrappe, schmale Scheiben und hinten angeschlagene Türen. Zum anderen bestimmt das sinnlich geformte lange Heck - wie eine Schleppe aus handgedengeltem Blech mit einem Hauch Stromlinie - die Eleganz des zierlichen Wagens. Seine Machart zeugt vom Kunsthandwerk der Dreißiger, als teure Autos noch in Handarbeit entstanden, in kleiner Stückzahl für Jahrzehnte gebaut.

Eines der seltensten Modelle der Mercedes-Geschichte

Nur 85 Exemplare sollten es beim Mercedes-Benz 220 Coupé in etwas über einem Jahr werden, damit ist es ähnlich selten wie der große, ultrateure Vorkriegs-Typ 770. Erst in letzter Minute entschloss man sich bei Daimler-Benz, dem bald auslaufenden Mercedes-Benz 220 Cabriolet A noch ein zwei-, pardon dreisitziges Coupé zur Seite zu stellen. Im gleichen Stil, in traditioneller Gemischtbauweise, mit einem Eschenholz-Fachwerk um die Fahrgastzelle herum, wirkt das Mercedes-Benz 220 Coupé wie ein A-Cabrio mit fest verschweißtem Hardtopdach.

Genau das prägt den speziellen Reiz und das Understatement des Mercedes-Benz 220 Coupé. Keiner, der an der Tankstelle freundlich lächelt und auf den Fahrer erwartungsvoll zugeht, ahnt, um welch kostbare Rarität es sich bei dem kleinen Schwarzen, dem Mercedes-Benz 220 Coupé, handelt. Stolze 130.000 Euro, genau so viel wie für das begehrte A-Cabrio, sind für den kleinen Adenauer fällig. Mit dem beliebten Stahlschiebedach sind es noch mehr. Schon 1954 kostete das entzückende Mercedes-Benz 220 Coupé, derart aufgewertet, mit 22.000 Mark exakt gleich viel wie eine ausgewachsene 300 b Limousine. Die erlesene Manufakturarbeit Sindelfinger Karosseriebaus rechtfertigt dies, gekrönt von fünf Schichten tief glänzenden Nitrolacks, jede vor dem Auftragen der nächsten wieder sorgfältig abgeschliffen.

Dennoch musste Dieter Beer das Mercedes-Benz 220 Coupé, das prädestinierte Langzeitauto, zum Teil restaurieren lassen, als er es 1995 in oberflächlich gutem Zustand aus zweiter Hand erwarb. Der heute 70-jährige Heidelberger Exportkaufmann erinnert sich an die aufwendige Sanierung des teilweise verfaulten Holzgerippes seines Mercedes-Benz 220 Coupé. "In die scheinbar gute Karosseriesubstanz sind viele Stunden kostspieliger Stellmacherarbeit geflossen, andererseits war die Mechanik dank der geringen Kilometerleistung noch sehr gut erhalten", resümiert der versierte Autokenner, dem nur das Talent zum Schrauben fehlt, sein erstes Zusammenraufen mit dem Mercedes-Benz 220 Coupé. "Aber ich wusste natürlich genau, was ich da gekauft hatte - einen schwarzen Diamanten, eine ausgesprochene Rarität. 85 Stück, nicht mehr."

Im kleinen Adenauer pocht der archaische Sechszylinder

Selbst heute stehen beim Mercedes-Benz 220 Coupé erst 125.000 Kilometer auf dem Tacho, alle Wartungsdienste sind anhand der Unterlagen nachvollziehbar, sogar die Zentralschmierung funktioniert noch. "In der Garage ist immer an der gleichen Stelle ein kleines Fleckchen Öl", sagt Beer. Die kurpfälzische Hügellandschaft zwischen Neckar und Rhein zieht in sattem hochsommerlichen Grün an uns vorbei. Kühlwassertemperatur 90 Grad, Öldruck 3,5 bar, Tank halbvoll, Tempo 85 km/h - die Lenkradschaltung des Mercedes-Benz 220 Coupé zeigt nach rechts unten, in den Vierten. Mehr als 2.500 Touren werden es kaum sein, Wohlfühltempo eben.

Weich und leise läuft der Sechszylinder des Mercedes-Benz 220 Coupé, nur beim Beschleunigen oder beim Runterschalten, was mit dem exakt geführten Hebel und dem vollsynchronisierten Getriebe ein Vergnügen ist, schnarrt er ein wenig rau, es ist das vertraute Klangbild aus Pagode und Großer Heckflosse, das auch das Mercedes-Benz 220 Coupé kennzeichnet. Der archaische Urtyp des Mercedes-Sechszylinders galt, kurzhubig und mit obenliegender Nockenwelle, einst als modern. Später überholte ihn der Fortschritt, er hieß BMW. Zuletzt bohrte man den Enkel W 130 fleischlos auf 2,8 Liter auf und rang ihm, nun im 280 SL siebenfach gelagert, respektable 170 PS ab - was ihm die Geschmeidigkeit nahm.

Die 80 PS der Urversion treiben das Mercedes-Benz 220 Coupé munter voran, der Vorkriegs-Sechszylinder Typ 230 brachte es nur auf 55 PS. Satte 1,3 Tonnen wiegt der kleine Adenauer, auch ein Tribut an den X-förmigen Stabilbaukasten, der mit dicken ovalen Rohren die beiden Schwingachsen verbindet. Beim Mercedes-Benz 220 Coupé wird noch per Doppelgelenk gependelt, wie beim Flügeltürer, was für kräftige Spur- und Sturzdifferenzen beim Ausfedern sorgt, dennoch einst beste Kritiken in puncto Straßenlage und Fahrkomfort einheimste. Die vier Trommelbremsen verzögern erstaunlich wirkungsvoll, der Abrollkomfort des Mercedes-Benz 220 Coupé kommt dank schmaler, großer 15-Zoll-Reifen und enorm langem Radstand einer Sänfte gleich.

Gefühlvolle Fahrweise gefordert

Die Anfahrt erfolgte im Mercedes 300 CE, Baujahr 1989, also exakt 35 Jahre jünger als das Mercedes-Benz 220 Coupé. Ein fliegender Teppich gegenüber dem Mercedes-Benz 220 Coupé, Kontrastprogramm und Gegenentwurf zugleich, All-Inclusive-Autofahren ohne groß nachdenken zu müssen. Ganz anders das Fahren im Mercedes-Benz 220 Coupé. Es kommt einem viel bewusster und konzentrierte vor. Jede Richtungsänderung ist nahezu eine rituelle Handlung, Stern und Haube voraus, die Roßlenkung braucht ordentlich Kraft. Jeder Schaltvorgang im Mercedes-Benz 220 Coupé wird minutiös geplant und überdacht. Schafft er die Steigung im Vierten oder quäle ich ihn untertourig? Dreht er nicht doch zu hoch im Dritten? Schnell irgendein Manöver einleiten, rasch mal Anhalten, Überholen - geht nicht.

Das Mercedes-Benz 220 Coupé fordert eine sehr gefühlvolle und nachdenkliche Fahrweise, trotz moderner Technik im Vorkriegskleid - Synchrongetriebe, Einzelradaufhängung, ein fortschrittlicher, für die Zeit leistungsstarker Motor - prüft er seinen Fahrer, und das ist gut so. Gefühl beantwortet der kleine Adenauer mit einer seltsamen Art von Zuneigung. Das Mercedes-Benz 220 Coupé lässt seinen Fahrer spüren, dass es ihn mag.