Mitsubishi Sapporo Automatic im Fahrbericht

Schräge Schüssel aus den 80ern

Der Mitsubishi Sapporo ist schon eine schräge Schüssel. Doch in seinem ungebremsten Fortschrittsglauben gilt er als typisches Japan-Kind der Achtziger. Vor allem das Design verlässt den Orbit konservativer Eleganz mit Überschalltempo. Eine Ausfahrt mit dem Japaner.

Mitsubishi Sapporo, Typ E16, Baujahr 1987-1990 Foto: Frank Herzog 14 Bilder

Nein, ich habe ihn nicht gekauft. Ich schwöre es. Ich weiß, Ihr würdet es mir zutrauen, Ihr alle da draußen, die Ihr das Heft jetzt lest. Er ist billig, weit unter 2.000 Euro, er ist eine Limousine, er ist ein bisschen geschmacklos und ein herber Außenseiter. Er stammt aus erster Hand, Jahrgang 27. Er passt in mein Beuteschema, meint Ihr. Der Mitsubishi Sapporo ist einer, der es auf die Mitleidstour versucht. Für den man nach einer langen Probefahrt, bei der man sich näher kommt, dann doch das Portemonnaie zückt. Es war schwer, aber ich bin hart geblieben.

Mitsubishi Sapporo ist ein Nobody

Wenn Ihr ihn wollt, ruft an, die Nummer des Händlers steht vorne drauf. Mehr verrate ich nicht. Ich kann Euch verstehen. Dieses skurrile Mittelklasse-Schiff hat einen seltsamen Charme. Es kreuzt in Opel Senator B-, Renault 25- oder Audi 200-Gewässern. Klebt die Audi-Ringe oder den Renault-Rhombus statt der drei roten Mitsubishi-Diamanten auf den Grill, man würde es Euch abkaufen. So bleibt er ein ziemlicher Nobody, den man auch noch ständig mit dem ungleich cooleren Mitsubishi Sapporo-Coupé der späten Siebziger verwechselt. Sapporo – ach ja, eine Stadt auf Hokkaido, Olympische Winterspiele 1972, wir erinnern uns.

Unser Mitsubishi Sapporo heißt intern E 16, gerade einmal drei Jahre gebaut, nur 42.867 Stück, eine Übergangslösung zum wirklichen Oberklassemodell Mitsubishi Sigma und technisch ein Jahr später bereits vom neuen Galant überholt. Er hatte es nicht leicht, geben wir ihm trotzdem eine Chance. Sein futuristisches Design polarisiert, viele finden ihn hässlich. Der Fahrer eines frühen Mercedes SLK ruft uns während des Fotografierens zu: „Nehmt lieber meinen, der ist doch viel schöner.“

Man mag den Mitsubishi Sapporo nur, wenn man ihn kennt, wenn man sich näher auf ihn einlässt. Einen Nachmittag lang – so, wie ich es tat. Er hat etwas von einem aufmerksamen Diener, der nichts falsch machen möchte. Er hat diesen vorauseilenden Gehorsam. Sein leiser, langhubiger Vierzylinder will eigentlich ein Sechszylinder sein, dafür bemüht er zwei Ausgleichswellen, viel Hubraum und ein stets niedriges Drehzahlniveau. Er springt, zack, auf den ersten Schlüsseldreh an, ist gefühlt schneller als der Anlasser.

Seine Türen öffnen weit, fast 90 Grad, und die Sitzposition passt der Normalfigur wie angegossen, selbst wenn man das höhenverstellbare Lenkrad völlig ignoriert. Dass er nicht schön ist, weiß der Mitsubishi Sapporo irgendwie, er will es mit inneren Werten kompensieren. Bemüht sich mit langflorigen Velourssitzen um Behaglichkeit. Sie würden in ihrer Techno-Machart auch gut auf die Kommandobrücke von Raumschiff Enterprise passen.

Laufruhe ist dem Japaner wichtiger als Leistung

Ich fühle mich wie Captain Future hinter dem seltsam geformten Einspeichen-Lenkrad des Mitsubishi Sapporo, rechts und links die Bedienungssatelliten für Scheibenwischer und Scheinwerfer, dazwischen ein alter Sharp-Receiver, mit dessen Flachbahnreglern ich die Klimaanlage bediene. Auch der Wählhebel für die Vierstufen-Automatik, deren Overdrive manuell ausgeknipst werden kann, sieht aus wie ein Supersonic-Shift, der sich aus dem Cockpit der Concorde in die Mittelkonsole des Sapporo verirrt hat. „OD off“ sperrt den vierten Gang für mehr Power auf der Einfädelspur.

Die Automatik schaltet weich und sehr schnell hoch, auch dies erfolgt selbst für den Cruiser eine Spur zu brav. Manchmal gehe ich sogar auf Stufe 2, um die durchaus vorhandenen Drehzahlreserven des zwar talentierten, aber keineswegs brillanten Vierzylinders zu mobilisieren. Laufruhe ist ihm wichtiger als Leistung, für die zwölf zusätzlichen PS im Vergleich zum Galant gönnt er sich sogar Superbenzin 95 ROZ.

Der rote Bereich beginnt schon bei 6.000/min. Die Instrumente informieren klar, dimmen im Tunnel runter auf schönes Orange, das Mäusekino im Mitsubishi Sapporo bleibt Captain Future gottlob erspart. Dafür piepst es manchmal, wenn man das Scheibenwischerintervall verändern will. Für diese Funktion gibt es gleich drei Drucktasten am Receiver, verstanden habe ich es nicht. Unser Mitsubishi Sapporo ist das Spitzenmodell, mit Automatik, Klimaanlage und elektronisch gesteuertem ECS-Fahrwerk knapp 5.000 Mark teurer als die technische einfachere, heute aber weniger risikobehaftete Variante.

Elektronisches Fahrwerk

Doch das utopische UFO-Wesen des Mitsubishi Sapporo braucht diesen Spielkram, das ist seine Bestimmung – alles elektronisch gesteuert, versteht sich. ABS ist sowieso klar. Das elektronische Fahrwerk lässt sich von der Mittelkonsole aus programmieren. Es gibt drei Einstellungen für Fahrwerkshärte und Fahrzeugniveau: „High, Normal, Sport“. Fünf Sensoren versorgen einen Zentralrechner mit Parametern wie Geschwindigkeit, Lenkeinschlag, Drosselklappenstellung und Neigungswinkel der Karosserie. Entscheidet sich der Fahrer für die komfortable Normalabstimmung und wird plötzlich von einer Kurve überrascht, die gemein zumacht, dann eilt der Diener Mitsubishi Sapporo mal wieder brav voraus.

Der Rechner befiehlt dem Kompressor, Luft in die Federbeine zu pumpen – Federung und Dämpfung werden dann blitzschnell härter, und der Wagen verträgt auf einmal viel höhere Kurvengeschwindigkeiten. Ich spiele an der komischen Quattro-Klaviatur nicht herum und spüre nur, dass sich der Wagen bei meinem Lieblings-Autobahntempo 130 leicht duckt, um sich windschlüpfiger zu machen. Schön ist auch, dass der Mitsubishi Sapporo sein Niveau hält, den fetten Satz Winterräder im Kofferraum sieht man von außen nicht. Ich war völlig überrascht, als ich den spoilerbewehrten Deckel per Fernentriegelung öffnete.

Natürlich ist auch die Servolenkung beim Sapporo geschwindigkeitsabhängig. Auch diesen elektronischen Einfluss spüre ich kaum, mir geht sie bei normalem Stadverkehrtempo einfach zu leicht, ihre Gefühllosigkeit lässt sie schwammig wirken, es gibt keinen Dialog mit dem Fahrer. Aber damit kann ich leben, während ich so mit meinem Raumschiff durch den östlichen Münchener-Vorstadtkosmos schüssele, abgefahrene Graffiti um mich herum. David Bowies „Space Oddity“ wäre jetzt die richtige Musik aus dem Blaupunkt Radio, immerhin unfassbar modern mit CD-Player: „Ground Control to Major Tom“. Ich spüre, dass ich trotz des Mitsubishi Sapporo-Rausches noch Bodenhaftung habe und knipse es an.

Plüsch-Boudoir auf Rädern

Doch nach dem Surren der Automatikantenne ertönt nur gedämpfte Schmusemusik à la Kuschelrock: „If you leave me now“ von Chicago. Ist es der leise Hilferuf des Mitsubishi Sapporo? Spürt der intelligente und sensible Wagen insgeheim, dass unser gemeinsamer Nachmittag zu Ende geht, die paar sonnigen Stunden mitten im Regeninferno dieses ach so trüben, tränenreichen Mai? Doch das üppige Plüsch-Boudoir auf Rädern, dieser herrliche blaue Salon will mich noch nicht freigeben.

Ich lasse mich weiter treiben, noch eine Runde durch verkehrsarme Vororte im Speckgürtel der Großstadt. Sonderlich geschmeidig rollt der Mitsubishi Sapporo trotz der kompressorgedopten Federn nicht ab. Dafür ist sein Fahrwerk zu einfach nach Allerwelts-Rezeptur gestrickt – vorn McPherson-Federbeine, hinten eine kreuzbrave Verbundlenkerachse, die sich ein wenig wie der späte VW Passat anfühlt. Bei Fronttrieblern simuliert sie eine preiswerte, leicht ansprechende Einzelradaufhängung, schließlich belastet kein schweres Differenzial die ungefederten Massen.

Rahmenlose Scheiben als Luxus-Attribut

Ein Schiebedach vermisse ich, brauche es, um im Asphaltdschungel ab und zu in die herrlich grünen Baumkronen zu blicken. Der Mitsubishi Sapporo verweigert es mir, seine vier rahmenlosen Seitenscheiben hingegen lassen sich weit öffnen. Ich genieße die Anonymität des Mitsubishi Sapporo, keiner der Vorbeifahrenden kann das Auto einschätzen – Baujahr, Alter, Preis, soziale Rangordnung? Das fällt bei diesem Wagen schwer. Einmal blickt uns ein älterer Herr im Renault Safrane lange und versonnen nach. Hatte er mal einen Mitsubishi Sapporo?

Im Moment habe ich nicht den Mut zum Mitsubishi Sapporo, fühle mich nicht selbstbewusst genug. Rede mir zum Schutz seine Schwächen ein: Kein Sound, labberige Lenkung, schwammige Bremsen ohne Biss – okay, vielleicht gehören die mal gemacht. Kein Image! Kann man nicht reparieren. Sparsam ist er, die Tankuhr hat sich kaum bewegt. Schön sieht er aus, steht gut im Lack. Innen alles piccobello, Servicemappe im Handschuhfach, viele Stempel, wenige Kilometer – 133.000. Jetzt bloß nicht schwach werden.

Zum Schluss verrate ich ein Geheimnis. Ich hatte mal einen Mitsubishi Sapporo, vor vielen Jahren. Und wenn ihn keiner will, komme ich ihn holen, versprochen. Passt auf, wenn Euch so ein Sapporo überholt, silbermetallic, mit Neu-Ulmer-Nummer.