Saab 900 Cabriolet

Für Individualisten

Redakteur Alf Cremers lebt sein Faible für reizvolle Exoten  er diesmal mit dem viersitzigen Saab 900 Cabriolet aus. In der Szene ist es längst etabliert, gute Exemplare kosten um die 10.000 Euro, brauchbare die Hälfte. Es muss nicht immer Turbo sein.

Saab 900 Cabriolet, Seitenansicht Foto: Archiv 8 Bilder

Die Trauer über das Schicksal von Saab ist noch nicht ganz aus unseren Gesichtern gewichen, da kommt einem die Begegnung mit dem urigen Saab 900 Cabrio wie ein frühlingshaftes Osterritual der Wiederauferstehung vor.

Liebenswerte Marke intellektueller Spinner

Saab lebt irgendwie weiter. Als Flugzeughersteller Svenska Aeroplan Aktiebolaget sowieso, als Automarke ganz fern in China und ganz fest in den Herzen der individualistischen Fans. Architekten, Designer und andere distinguierte Freiberufler werden in 30 Jahren die letzten Scheunenfunde des immerhin 49.000 Mal gebauten Cabrios aufwendig vollrestaurieren. Saab wird dann wie Borgward sein, und der offene Saab 900 wird so verehrt wie ein Isabella Cabriolet. Aber ist Saab, die liebenswerte Marke intellektueller Spinner, nicht schon früher am Gleichteile-Diktat des neuen Eigentümers General Motors gescheitert?

Jawohl: Vor genau 20 Jahren, als sich die zweite Saab 900-Generation die Plattform mit dem gemeinen Opel Vectra teilen musste. Ein gutes Auto, der Opel, zweifellos. Doch wenn sich der Saab-Spirit nur noch auf ein skurriles Design und auf ein mittiges Zündschloss reduziert, dann wird Marke zum Marketing. Badge-Engineering hat Saab, der Meister der Aerodynamik, des Frontantriebs und der Effizienz, nicht verdient. Als Nischenmarke mit kleinem Entwicklungsbudget hat Saab mit seinem Genius stets das Beste aus Bordmitteln gemacht.

Unverwässertes Saab-Urgestein

Das Saab 900 Cabrio, gebaut von 1986 bis 1994 im finnischen Uusikaupunki, kennt als reines Saab-Urgestein noch keine Verwässerung durch Joint Ventures oder Plattformstrategien mit anderen Automobilmarken. Es verdankt seine Entstehung lediglich zwei günstigen Umständen. Zum einen der solventen, markentreuen Saab-Kundschaft jenseits des Atlantiks, die ein bügelfreies offenes Modell wünschte, und zum anderen der American Sunroof Company aus Detroit, die half, dem Saab 900 Sedan das wattierte Stoffdach über den Kopf zu ziehen. Die Jungs von ASC verpassten wenig später auch dem Porsche 944 eine schwarze Stoffmütze.

Anfangs kostete das Saab 900 Cabrio in der exklusiven Version 900 Turbo 16 als Zwei-Liter-16-Ventiler mit 175 PS (G-Kat 160 PS) stramme 67.000 Mark. Für nur 4.000 Mark mehr gab es bereits einen Mercedes 300 SLR 107 inklusive Coupédach.

Doch der Saab trumpft mit Viersitzigkeit und Vollausstattung. Feine Ledersessel auch im Fond, ein elektrohydraulisches Verdeck mit echter Glasscheibe, Fensterheber rundum, Tempomat und die allseits gediegene Verarbeitung verwandeln das einst urige Mittelklasse-Modell in ein Luxusauto für Freunde gepflegten Understatements.

Kernig röhrender Vierzylinder

Der Motor des Saab 900 Cabrio ist ein solides Stück gediegenen Saab-Maschinenbaus. Ein kernig röhrender Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen, haltbaren Duplexketten und feinem Tassenstößel-Ventiltrieb sitzt in markanter Schräglage traktionsfördernd direkt über der Vorderachse. Eine Etage tiefer wohnt das Fünfganggetriebe mit verblocktem Differenzial. Im Alter kapituliert es öfter vor den strapaziösen 270 Newtonmetern des agilen Turbomotors.

Dies, ein paar thermische Turbo-Scherereien und eine zickige Verdeckhydraulik sind die einzigen Probleme des wertvollen Wagens, Rost ist bei pfleglicher Behandlung kein Thema. Das Saab 900 Cabrio ist ein Langzeitauto mit solidem Türenklang und verwindungssteifer Karosserie. Viele seltsame Design-Details erzeugen dennoch ein rundes Gesamtkunstwerk, das auch Frauen gerne mögen.

Harmonischer mit weniger Leistung

Günstiger zu kaufen und problemloser zu reparieren sind die Saab 900 Cabrios mit den sparsamen und leistungsfähigen 16-Ventil-Basismotoren, die es in zwei Leistungsstufen als 900 i mit 126 PS und als 900 S mit dem 140 PS starken "Soft-Turbo" gab. Je weniger Leistung desto preiswerter, einen 900 i gibt es in Zustand 3 schon ab 5.000 Euro. Saab fahren bedeutet auch, die Eigenheiten eines ausgeprägten Frontantriebs zu mögen, und ein paar Bedienungsschrullen in Kauf zu nehmen. Ein Saab alter Schule ist eben herrlich unangepasst, gerade das macht ihn so sympathisch.