Triumph TR6 im Fahrbericht

Muscle-Car von 1969

Klaus Westrup erinnert sich an den Triumph TR 6, der 1969 in der Radaktionsgarage parkte. Schon beim Starten des Motors betörte der unnachahmliche Sound des 143 PS starken Sechszylinders.

Triumph TR6, Seitenansicht Foto: Archiv 9 Bilder

Ein ehemaliger Nachbar hat einen, dunkelrot, sehr gepflegt, er liebt ihn. Wir stehen auf der Straße, führen belanglose Benzingespräche. Der Nachbar, Motor Klassik-Sammler seit Jahren, fragt, ob ich den Wagen mal fahren wolle. Der Himmel ist blau, das Verdeck zurückgeklappt, warum eigentlich nicht? Die letzte Begegnung mit einem Triumph TR 6 liegt 45 Jahre zurück und ist dienstlicher Natur. Im Sommer 1969 steht ein brandneuer TR 6 im Test-Fuhrpark, bereit für eine Story in auto motor und sport.

Triumph TR 6 mit einem Verbrauch von 15 Litern pro 100 km

Inzwischen sind wir alle gealtert, doch die einstigen Gefühle stellen sich schnell wieder ein. Die Kupplung des Triumph TR 6 ist ein Betonklotz, die Schaltung Armarbeit, die Hinterachse mitlenkend, die Lenkung fordernd, der Sound betörend. Er alleine mag schon mal ein Kaufgrund gewesen sein oder auch verantwortlich dafür, dass Mann und Maschine über die Jahre nicht auseinandergingen. Nachbars Lebensgefährtin hat sogar ein Verkaufsverbot artikuliert. Mit solchen Verboten können Männer leben.

Der Sechszylinder geht nicht nur wohlklingend, sondern geschmeidig zur Sache. Es ist die in der Leistung stark reduzierte USA-Vergaser-Version, die von den 143 Pferdestärken des aus dem TR 5 PI übernommenen Benzineinspritzers fast ein Drittel verschwinden lässt. Heute spielt das keine Rolle. Die alten Roadster müssen ihre Muskeln nicht mehr spielen lassen. Man erfreut sich an ihrem Anblick, ihrer Aura – Tempo und Gehetztsein überlässt man dem modernen Jedermanns-Automobil.

1969 ist das noch anders. Sportwagen sind Muscle-Cars, der neue Triumph TR 6 mit seiner Lucas-Einspritzung macht keine Ausnahme. Obwohl er aerodynamisch kein Spitzenprodukt darstellt, ist er 193 km/h schnell und beschleunigt in nur neun Sekunden auf Tempo 100. Hohe Drehzahlen braucht der Langhuber nicht, ebenso wenig wie obenliegende Nockenwellen. Schon ab 2.000 Touren legt die Soundmaschine kraftvoll zu und erspart ihrem Betreiber Gangwechsel, ähnlich wie in einem alten Opel Kapitän. Sparsamkeit sieht allerdings anders aus. Obwohl mit 9,5 zu eins ziemlich hoch verdichtet, kommt ein Testverbrauch von 15 Litern pro 100 Kilometer zustande, in der Kurzstrecke sind es bis zu 17 Liter.

Kritik am Facelift

Keiner beklagt sich, die Konkurrenten sind auch nicht viel sparsamer. Kritisiert wird da eher die stark facegeliftete Karosse. Eine völlig neu gestaltete Frontpartie lässt den Triumph TR 6 gegenüber dem verquollen, aber eigenwillig wirkenden TR 5 zwar aufgeräumter und zeitgemäßer erscheinen, doch es ist gleichwohl ein Schritt hin zur optischen Belanglosigkeit. Auch die beim Vorgänger noch vorhandenen seitlichen Chromleisten, die in den Leuchteinheiten von Blinker und Standlicht münden, sind verschwunden, ebenso die markante asymmetrische Hutze auf der Motorhaube. Der TR 6 ist ein optisch geglätteter TR 5, auch die Heckpartie wirkt sachlicher und trägt modisches Mattschwarz. Immerhin, das Ganze wirkt neu und aufpoliert, frischer als ehedem, und erst viele Jahrzehnte später wird man wissen, dass die von der Karosseiefirma Karmann in Osnabrück vorgenommenen Retuschen dem TR 6 gegenüber seinen profilierteren Vorgängern monetär eher geschadet haben.

Einen guten TR 6 bekommt man heute für rund 18.000 Euro, TR 4 und TR 5 PI mit ihren skurrilen Michelotti-Gesichtern liegen mit 23.000 respektive 35.000 Euro preislich klar darüber. Kein Grund, den Triumph TR 6 damals wie heute unschön zu finden. Er ist mit seinen ausgewogenen Proportionen ein eleganter Roadster, der einstige Testbericht bescheinigt ihm „stets wohlwollende und auch bewundernde Blicke aller Alters- und Geschlechtsklassen“. Selbst über das neue, weniger profilierte Gesicht gibt es Positives zu lesen: Es sorge im Rückspiegel der Vorausfahrenden für unerhörten Respekt, das sogenannte Überholprestige.

Innen geht es eng zu, doch alles, was das Auge erblickt, ist wohlgefällig – schöne Rundinstrumente in ein Holzpaneel eingebettet, ein kurzer Mittelschalthebel genau an der richtigen Stelle, nicht zuletzt der Ausblick auf die lange Motorhaube, die ja sechs Zylinder in Reihe beherbergen muss. Sehr nostalgisch aus heutiger Sicht die kleine, steil stehende Windschutzscheibe, auch sie ein wichtiger Beitrag zur alten Roadster-Herrlichkeit. Windschott und Überrollbügel gibt es nicht. Wer im Triumph TR 6 offen fährt, sucht bewusst intensiven Kontakt mit dem himmlischen Kind, das das Cockpit schon bei Tempo 100 in ein Sturmtief verwandelt.

Triumph TR 6 bietet 5,5-Zoll-Felgen

Doch es bleibt nicht bei der Auseinandersetzung mit der Luft. Auf schlechten Straßen setzt die Härte des Fahrwerks echte Nehmerqualitäten bei den Passagieren voraus, und auch das Auto selbst beginnt unverkennbar zu leiden. Es ächzt, zuckt und klappert an den unerfindlichsten Stellen – kein Unterschied zum Vorgänger, der noch auf schmalen 4,5-Zoll-Felgen rollt. Der Triumph TR 6 bietet immerhin 5,5 Zoll, eine Spurverbreiterung um 2,5 Zentimeter und einen kräftigeren Stabilisator vorne. Grundsätzlich hat sich am Fahrverhalten trotzdem nichts geändert, die an Längslenkern geführte Hinterachse greift immer noch etwas ins Lenkgeschehen ein. Erstaunlich gut ist die Traktion. Selbst bei Nässe bekommt man die bullig antretenden 143 Pferdestärken gut auf den Boden.

Immerhin sieben Jahre lang gibt es den Triumph TR 6, von 1969 bis 1976, und damit gut doppelt so lange wie den TR 5 PI. Auf Sechs folgt 1976 Sieben, doch der TR mit dieser Ziffer zeigt mit seiner unattraktiven Keilform, dass die glorreichen TR-Zeiten, die 1954 mit dem TR 2 begannen, mit dem Sechser wohl zu Ende gegangen sind. Er ist so etwas wie der letzte Mohikaner, selbst nachdem auf den ungeliebten TR 7 noch bis 1981 ein TR 8 folgt. Auch nach ihm fragt heute keiner.