BMW 850 CSi und Porsche 928 GT im Fahrbericht

Zwei deutsche GT auf dem Weg zum Klassiker

Einer muss in Führung gehen. Anfang der 90er fuhr der BMW 850 CSi dem Porsche 928 GT konstruktiv davon. Heute hat der Porsche im Zeitgeist die Nase vorn, obwohl der BMW das bessere Auto ist.

BMW 850 CSi, Baureihe E31, Baujahr 1992, Porsche 928 GT, Baujahr 1989 Foto: Hardy Mutschler 18 Bilder

Er ist kein Angeber, und genau das ist sein Handicap. Er ist leise, aber wichtig. Seine unscheinbare Eleganz wird zum Problem, das selbst seine autoritäre Größe nicht lösen kann. Der BMW 850 CSi ist trotz seiner 380 PS ein stiller Star, der um Anerkennung ringt.

BMW 850: keine Bio-Blase

Designer Claus Luthe hat es gut gemeint, den seinerzeit weltbesten cW-Wert von 0,29 sieht man seinem Vorläufer 850i nicht an, der 1989 die Modellreihe E31 anführte. Er ist keine Bio-Blase, sondern ein klassisch-schöner Gran Turismo, seriös bis zur fein modellierten Abrisskante und ausgewogen bis in die bewegende Anmut seiner voll versenkbaren Seitenscheiben. Das unaufgeregte Design des BMW 850 CSi spiegelt nicht seine überragende technische Vorreiterrolle. Er könnte ein Zweipluszwei von Pininfarina sein, so ruhig fließen seine Linien. Der Ferrari 456 GT sieht ihm ähnlich, auch er ist ein Zwölfzylinder. Aber der Ferrari hat Transaxle-Antrieb wie der Porsche 928 mit dem Getriebe an der Hinterachse für beste Traktion und neutrales Kurvenwedeln.

Der BMW 850i hat nie die Anerkennung bekommen, die er verdient hat

Nein, der Ur-850i basiert nicht auf der dritten Fünfer-Generation. Nein, er ist nicht der Nachfolger des Sechser, sondern der des legendären M1 und der futuristischen Turbo-Studie von 1972, die rote Flügeltür-Flunder vor dem Olympia-Zeltdach. Und die Acht steht nicht für die Zylinderzahl. Okay, es gab auch einen entschärften 840 Ci mit 286 PS - immerhin genauso viel wie beim M1, um der treuen 6er-Stammkundschaft die Angst vor dem Topmodell mit gleich zwei Sechszylindern unter der flachen, schier endlos langen Haube zu nehmen. Ein paar Vorurteile müssen eben weichen, wenn man sich intensiv mit dem großen Unbekannten beschäftigt.

Rund 30.000 Achter-BMW in zehn Jahren waren offenbar zu wenig, um ihn nachhaltig im kollektiven Gedächtnis der Autokenner zu verankern. Das hat er nicht verdient. Manche sagen, er böte hinten zu wenig Platz, aber das tut ein 500 SEC auch. Es gab Cabriolet- Prototypen vom BMW 850 - sie hätten das Blatt noch gewendet, dem zeitgleichen Erzrivalen Mercedes SL der Reihe 129 zugesetzt -, doch BMW zauderte.

Der 928 genießt mehr Prestige als der 850 CSi

Der Porsche 928 ist das andere Extrem. Ihn, den anarchistischen Technik-Revoluzzer im polarisierenden Avantgarde-Design, kennt jeder. Porsche-Chefdesigner Anatole Lapine zeichnete ihn deutlich provokanter und profilierter als zuvor den braven 924. Die einen halten den Porsche 928 ketzerisch für die Sport-Version des AMC-Pacer, die anderen für eine neue Studie von Colani. Architekten und kreative Freigeister sind jedoch entzückt. Sie sprechen von Skulptur und davon, ihren NSU Ro 80 endlich in Rente zu schicken. Kein Auto-Quartett, kein Modellauto-Hersteller, kein Model- Shooting, keine Publikumszeitschrift kam ohne den Porsche 928 aus. Der US-Playboy verschenkte 1983 sogar einen pinkfarbenen 928 S an das Playmate des Jahres.

Der rundliche Porsche 928 mit dem aggressiven Haifischmaul war trotz eher verhaltener Kritik ein Fanal. So fanden die Tester von auto motor und sport den ersten 240-PS Normalbenzinmotor zu schwach, den Radstand zu kurz, den Fond zu eng, die Aerodynamik trotz der fischförmigen Silhouette zu schlecht. Der hyperaktive Zeitgeist der Siebziger hätte sich keinen passenderen Lifestyle- Beschleuniger suchen können. Der 928 hat anders als der technisch weit überlegene BMW 850 seinen festen Platz in der Hall of Fame der Sportwagen. Das Leben ist nicht fair.

Porsche 928 kämpfte gegen den 911 an

Doch auch der Porsche 928 litt. Achtzehn Jahre lang forderte er den Elfer kreativ und konstruktiv heraus, musste ihn am Ende ziehen lassen, obwohl er 1992 selbst den 964 Turbo mit 350 zu 320 PS, 500 Newtonmetern und 5,4 Litern Hubraum knapp geschlagen hatte. Seit 1977 ist der 928 der tragische Transaxle-Held, der vergeblich gegen das Lüfterrad des Sechszylinder-Boxers ankämpft. Nur Porsche selbst sollte ihn, verdammt noch mal, endlich lieb haben wie einen eigenen Sohn, obwohl seine Väter nicht Ferdinand mit Vornamen heißen. Der BMW 850 zeigt, knapp zwölf Jahre nach dem Porsche 928, was die Bayern draufhaben. Es gelingt ihnen wie Porsche mit dem extrem teuren 959 eine wahre Machtdemonstration ingeniösen Könnens. Nach dem Geniestreich des ersten deutschen Nachkriegs-Zwölfzylinders im 7er wird gegen Mercedes und Porsche weiter aufgerüstet.

Auch der Achter tritt mit dem leichten und hyperleisen Fünfliter-Triebwerk ganz aus Aluminium an. Zwei Ventile pro Zylinder und eine Nockenwelle pro Bank genügen, um 300 PS und 450 Newtonmeter zu entfachen. Der M60 schüttelt sich die Kraft aus dem Ärmel, ohne ein Säufer zu sein, 15 Liter reichen, beim Porsche sind es eher mehr. Elektronisches Motormanagement optimiert seinen Wirkungsgrad. Erst die M-Variante des M60 im 850 CSi sprengt die Fesseln politisch korrekter Kultiviertheit - 380 PS aus 5,6 Litern Hubraum. Angestachelt vom eng gestuften Sechsganggetriebe wird der verkappte M8 über 4.500 Touren plötzlich zum Tier, das vehement loslegt - leider nur bis zur abgeriegelten Endstation 250 km/h.

Der 928 ist aufdringlicher als BMW 850 CSi

Der Porsche 928 GT riegelt nicht ab, sondern zeigt, was geht. Er ist anders als der BMW 850 CSi - aufdringlicher, draufgängerischer, hat weniger Manieren, trägt einen prolligen Heckspoiler. Akustisch ballert er bereits bei niedrigen Drehzahlen ganz schön los. Es klingt wunderbar und fast ein bisschen schmutzig - es ist nicht die feine Seide des BMW, macht aber an. Der ultrakurzhubige V8 nach Daimler-Vorbild mit seinen Elnisil-beschichteten Zylinderlaufbahnen im Alu-Block bekommt erstmals im Porsche 928 GT-Pendant S4 eine optimierte Steuerung des Gaswechsels mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Ventilen pro Zylinder spendiert.

Endlich gibt es den 928 als Hemi mit dem Brennraum als Halbkugel. Zwar blieb es beim Zahnriemen, der Ölpumpe, Wasserpumpe und die beiden Auslass-Nockenwellen in Rotation versetzt. Doch kommt dem gestressten Gummiband eine Duplexkette zu Hilfe. Sie lässt, angetrieben von zahnriemenbeschleunigten Auslassnockenwellen die Einlassnockenwellen munter drehen. In puncto Fahrwerk schickt der 850 i die jahrzehntelang BMW-typische Schräglenkerachse in Rente. Integralachse heißt das kunstvolle Gebilde mit einem steifen Fahrschemel-Rückgrat, das mit fünf Quer- und Längslenkern eine perfekte Radführung und später beim BMW 850 CSi sogar noch ein zartes Mitlenken erlaubt.

Der letzte BMW, der ohne Rücksicht auf Kosten entwickelt wurde

Auch die leichte, sensibel ansprechende Weissach-Achse des Porsche 928 ist solch eine Multilink-Konstruktion. Den Allradantrieb kontern die Techniker im Porsche 928 GT klassisch mit Transaxle- Prinzip und Sperrdifferenzial. Der ebenso gut ausbalancierte BMW 850 CSi setzt auf ein elektronisch gesteuertes Fahrdynamikpaket, in dessen Mittelpunkt die Traktionskontrolle ASC steht. Niels Hamann ist als Ingenieur bei BMW für die Qualitätssicherung zuständig und ein wahrer E31-Enthusiast. Für seinen brillantroten 92er 850 CSi, ausgeschlagen mit schwarzem Buffalo-Leder, hält er ein mitreißendes Plädoyer. Hört man ihm eine Weile zu, sieht man das einstige 180.000-Mark- Auto mit völlig anderen Augen. "Es ist das wohl letzte Auto von BMW, das ohne Rücksicht auf die Kosten entwickelt und gebaut wurde."

Hamann beschleunigt auf über 5.000 Touren, reißt die Gänge mit sanfter Gewalt durch. Der Zwölfzylinder entfacht sein Feuer, katapultiert uns nach vorn, während wir in einer Komfort-Lounge sitzen und die Straße wie ein Film vorbeizieht. Der Unternehmensberater Gunther Kussauer nutzt seinen indischroten 928 GT als entspannten Autobahnkurier im Alltag. Den großen Transaxle-Modellen aus Stuttgart hält er seit 1983 die Treue: "Der Porsche 928, ganz gleich welcher, ist eine faszinierende Synthese aus Design, Leistung, Handling und Komfort. Er verkörpert den ideale Reisewagen für zwei - mit einer Form, die niemals altert." Der vornehme BMW gilt als Geheimtipp für Freunde des Understatements. Der wilde Porsche spricht die niederen Triebe des Auto-Enthusiasten an. Er sieht geil aus, kommt brachial von unten heraus und klingt so soulig, dass es einem kalt den Rücken runterläuft. Er ist ein echtes Muscle Car, Made in Germany.