VW 1303 Rallye im Fahrbericht

Flotter Käfer - 800 kg und 140 PS

VW Käfer 1303 Rallye - Porsche Salzburg schickte 1973 eine Armada dieser grimmiger Rallye-Käfer in den Kampf um die Weltmeisterschaft. Der silbern und mattschwarz lackierte Arbeitsplatz des schwedischen Werksfahrers Harry Källström wurde jetzt von Georg Memminger wieder aufgebaut. Motor Klassik durfte ihn exklusiv probefahren.

VW 1303 Rallye, Seite, Fahrer Foto: Achim Hartmann 30 Bilder

"Sei ganz entspannt", klopft mir der Herr Georg Memminger senior auf die Schulter. "Er geht ein bisserl besser als ein Serienmodell, na ja, bei 800 Kilogramm Gewicht und rund 140 PS kein Wunder." Die zentrale Schließe der Hosenträger-6-Punkt-Gurte rastet metallisch ein, klick und klack. Unauffällig davonstehlen geht jetzt nicht mehr.

"Ölhahn offen?", brülle ich wie ein Werksfahrer nach hinten, wo Georg Memminger junior die Aufsicht über die Technik und die noch offene Motorhaube des VW Käfer 1303 Rallye führt. Der Ölhahn ist wichtig. Die Techniker von Porsche Salzburg haben den 1,6-Liter-Vierzylinder damals auf eine leistungsfördernde Trockensumpfschmierung umgebaut, mit einem Reservoir von etwa zehn Litern feinsten Rennöls.

Dessen Versorgungsleitung zur Druckpumpe ist in diesem VW Käfer 1303 Rallye mit einem wunderbar primitiven Absperrhahn versehen: Knebel quer, nix fließt; Knebel längs, volle Strömung. Und wehe, der wird vor dem Anlassen nicht auf längs gedreht. Schade, wenn so ein akribisch getuntes Meisterwerk schon beim Warmlaufen festgeht.

"Ölhahn offen!", schallt es von hinten ins Cockpit

Also los. Zündung einschalten, einmal vorsichtig mit dem Gaspedal pumpen - und starten. Augenblicklich sitze ich nicht mehr in einem zum Sporteinsatz präparierten Käfer, sondern in einer Hammerschmiede, schön zentral mitten zwischen den mit stahlhartem Klang pochenden Schmiedeklötzen. Jeder Zylinder in diesem VW Käfer 1303 Rallye hat rund 400 Kubikzentimeter Hubraum, der im Verhältnis 9,7:1 verdichtet wird, und jede Zündung klingt wie der Beat eines höllischen Perkussionswerks bei der Ouvertüre einer Metallica-Oper.

Rennwagen sind so. Keine weichen, labberigen Silentblöcke dämpfen hier irgendwas weg, keine Dämmplatten nerven mit unnötigem Gewicht, kein Unterbodenschutz, keine Rücksitze, und alles spielfrei verschraubt mit Unibal-Gelenken, die ja bekanntermaßen aus einer blechernen Automobil-Karosserie einen Klangkörper voller reifer Resonanzen machen. Wer angesichts der Käfer-Form noch der Meinung sein sollte, hier käme Wolfsburg mit einem Hauch von Brutalität, irrt gewaltig. Hier kommt Porsche, Salzburger Zweig, und zwar mit dem vollen Hammer.

Rallye-Käfer geht wie die Wildsau

An den 1600er-Motor des VW Käfer 1303 Rallye ist zum Beispiel ein Porsche-Fünfganggetriebe angeflanscht. Der erste Gang liegt hinten links und ist im Prinzip nur zum Anfahren oder zum Rangieren gedacht, wie etwa aus dem 911 gewohnt. Zweiter und Dritter liegen damit in einer Ebene wie auch der Vierte und Fünfte - die Fahrgänge, für rasche, präzise Wechsel. Auch beim Radwechseln spricht Porsche aus dem Rallye-Käfer. Die Fünfeinhalb-Zoll-Stahlfelgen von Lemmerz werden nicht wie beim Krabbeltier üblich mit Gewindebolzen an der Bremstrommel befestigt, sondern à la Porsche mit Kugelbund-Muttern auf Stehbolzen. Restaurierer Memminger: "Die haben damals halt genommen, was sie hatten." Verzögert werden die Pneus der Dimension 185/65 x 15 von innenbelüfteten Scheibenbremsen, die mit dem relativen Fliegengewicht des VW Käfer 1303 Rallye erwartungsgemäß keine Probleme haben.

Bis dahin ist es aber noch ein wenig Zeit. Die Kupplung trennt weich und rückt mit klarem Druckpunkt angenehm serienmäßig ein. Auf eine Sintermetall-Rennkupplung, die nur die beiden Zustände auf oder zu kennt, wurde dankenswerterweise verzichtet. Also gibt es noch einen Bereich, in dem Schlupf dosiert werden kann, und ohne Gehoppel entfaucht der VW Käfer 1303 Rallye in die freie Wildbahn.

Seine beiden 46er-Weber-IDA-Doppelvergaser - die gleichen übrigens, die auch den Porsche 904 mit dem legendären Fuhrmann-Königswellenmotor beatmen - zeigen durch ihr Ansauggeräusch, dass in Salzburg Suppe auch geschlürft werden darf; zumindest, wenn sie mehr als 95 Oktan aufweist.

Beschleunigung wie eine luftgekühlte Boden-Boden-Rakete

Die höfliche Art des Umgangs mit dem Gaspedal ist dem VW Käfer 1303 Rallye zuwider. Unterhalb von 3.000/min läuft er zwar, aber beileibe nicht rund. Er kotzt dezent vor sich hin, rülpst mal das eine oder andere Backfire in den Ansaugtrichter und schüttelt sich bis an die 4.000er-Marke auf dem Drehzahlmesser wie eine pubertierende Wildsau mit Heimweh.

Aber dann. Jenseits von 4.000/min gibt der VW Käfer 1303 Rallye dem Fahrer einen Tritt ins Kreuz, jetzt ist Schluss mit lustig, und dann fliegt der Käfer wie eine luftgekühlte Boden-Boden-Rakete in Richtung Horizont. Dass es dahinter weiter geht, mag Udo Lindenberg beruhigen. Mich beunruhigt erstmal der Weg dorthin. Ein Radstand von 2,42 Meter ist nicht wirklich ein Garant für unerschütterlichen Geradeauslauf, und ein rechtes Rallye-Fahrwerk zeigt über kurzen Wellen und allfälligen Löchern im Belag gern die eine oder andere Tango-Figur.

Der Käfer aus den Werkstätten von Porsche Salzburg verliert seine Schrecken, wenn man ihn behandelt wie ein wirkliches Rennauto. Das Lenkrad sensibel nur mit den Fingerspitzen führen, spät bremsen, weich einlenken, einen möglichst hohen Gang fahren - so wird der VW Käfer 1303 Rallye aus Österreich fantastisch schnell.

Klar, dass der VW Käfer 1303 Rallye seine Grundstruktur auch als WM-Athlet nicht leugnen kann. In zu zaghaft angegangenen Kurven untersteuert er - wie übrigens auch der 911 - zunächst dezent, schwenkt dann aber unter dem Einfluss von Fliehkraft und Gaspedal sein Heck mit dem brüllenden Vierzylinder in brutaler Zärtlichkeit kurvenauswärts und schreit seinem Lenker ins Ohr: "Zeige jetzt, dass du den Drift beherrschst. Oder rufe am Kurvenausgang den ADAC."

Erfolgreicher Zwergenaufstand der Rallye-Käfer

Die kompromisslose Erziehung zur Sportlichkeit, die Porsche Salzburg als nationaler VW-Importeur dem Käfer in seiner letzten Zeit - eigentlich war es schon die Zeit der Überreife - angedeihen ließ, ist zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts nicht im vollen Umfang gewürdigt worden. Die 1303-Einsätze hatten das Image eines Zwergenaufstands gegen die Großen der WM-Rallyes - die Renault Alpine, die Ford Escort RS, die Fiat Abarth oder auch schnelle Hirsche wie den BMW 2002.

Umso erstaunlicher das Ergebnis etwa der Rallye Akropolis 1973: Die Österreicher Georg Fischer und Beifahrer Hans Siebert warfen ihren VW Käfer 1303 Rallye weit nach vorn, bis auf Rang 5 im Gesamtklassement. Ihre Landsleute und Teamgefährten Helmut Doppelreiter und Ossi Schurek belegten mit ihrem Käfer Rang acht. Der Schwede Harry Källström musste mit mechanischen Problemen vorzeitig abstellen, ebenso die beiden anderen Treiber der Salzburger Blasinstrumente, Günther Janger und Tony Fall. Kleiner Trost im Porsche-Austria-Team: Die Rallye war reich an Ausfällen, letztlich wurden nur elf Mannschaften gewertet.

Familienangelegenheit: Ein Käfer mit Porsche-Genen

Der hier vorgestellte King-Kong-Käfer gehört niemand Geringerem als Florian Piëch, Sohn des Ernst Piëch und Neffe des langjährigen VW-Lenkers Ferdinand aus der Porsche-Piëch-Dynastie. Der in Wien wieder aufgetauchte Einsatz-Käfer von Källström bei der Rallye Akropolis 1973 wurde von den Memmingers in den Originalzustand versetzt, was sämtliche Verbesserungen einschließt, mit denen Porsche Salzburg damals den VW Käfer 1303 Rallye gesegnet hat.

Da Florian Piëchs Mutter Elisabeth als Tochter von Heinrich Nordhoff geboren wurde, der nach dem Krieg zum gefeierten Wirtschaftswunder-Chef von Volkswagen aufstieg und die Grundlage für das Käfer-Wunder wie auch für die Wunder-Käfer schuf, gab es auf den Familientreffen oft Debatten, welches Konzept das Bessere sei: Porsche oder VW? Florian Piëch begründet damit seine Wahl des VW Käfer 1303 Rallye im Trimm von Porsche Salzburg: "Ein Wolfsburger Käfer, der geht wie ein Porsche, das ist doch der optimale Kompromiss, oder?"