Das Geheimnis der Reifenstreichler

Waren gebrauchte Reifen der Matchwinner?

Max Verstappen hat den Sprint von Shanghai überlegen gewonnen, obwohl er nur als Vierter losgefahren ist. Welche Rolle spielte seine Wahl, mit gebrauchten Reifen zu starten und sein frühes Batterie-Problem?

Max Verstappen - Red Bull - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - Sprint - 20. April 2024 Foto: xpb

Das Bild kennen wir. Max Verstappen haushoch überlegen. Obwohl der Sprint zum GP China nur über 19 Runden ging und obwohl Verstappen nur als Vierter gestartet war und erst in der neunten Runde in Führung ging, lag der Weltmeister im Ziel 13 Sekunden vor Lewis Hamilton.

Der Red Bull-Pilot fuhr die letzte Runde um 1,5 Sekunden schneller als der Rest. Verstappen bestätigte damit wieder seinen Ruf als Meister des Reifenmanagements. Doch auch im Feld gab es riesige Unterschiede. Hamilton brachte seine Reifen gut über die Runden. Bei Fernando Alonso brachen sie nach 14 Runden ein. Charles Leclerc konnte in der zweiten Hälfte des Sprints schneller fahren als sein Teamkollege Carlos Sainz. Und der Trainingsschnellste Lando Norris war ab der elften Runde kaum noch schneller unterwegs als Teamkollege Oscar Piastri, den er bis dahin um über fünf Sekunden abgehängt hatte.

Lando Norris - McLaren - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - Sprint - 20. April 2024 Foto: xpb

Verstappens Konkurrenz steckte im Pulk und verheizte sich die sensiblen Pirelli-Pneus schneller als der Weltmeister.

Vier mit gebrauchten Reifen in den Punkterängen

Das 103-Kilometer-Rennen wurde vom Reifenverschleiß bestimmt. Drei Faktoren machten den Unterschied aus. Da war zunächst die Reifenwahl. Sechs Fahrer entschieden sich für neue Medium-Reifen, 13 für gebrauchte. George Russell war mit seinem Soft-Gummi ein Einzelkämpfer. "Wir haben meinen schlechten Startplatz genutzt, mehr für das Hauptrennen zu lernen."

Von den Fahrern in den Punkterängen gaben Verstappen, Perez, Leclerc und Piastri gebrauchten Reifen den Vorzug. Drei davon landeten in den Top 4. Das spricht für ihre Wahl. Angefahrene Reifen sind in den ersten beiden Runden ein Nachteil, haben aber oft über die Distanz bessere Nehmerqualitäten. Vor allem neigen sie weniger zum Körnen, weil die erste Gummischicht schon abgefahren ist.

Entscheidender aus Sicht von Verstappen aber waren die ersten Runden. Ein Problem mit dem Laden der Batterie zwang ihm vier Runden in der Defensive auf. Die Reifen dankten es ihm später. Carlos Sainz machte in der Anfangsphase zu viel Attacke auf Verstappen und verheizte sich die Reifen. Teamkollege Charles Leclerc hielt sich im Pulk dagegen zurück und hatte hinten raus den längeren Atem.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP China - Shanghai - Sprint - 20. April 2024 Foto: Motorsport Images

Max Verstappen zögerte bei seinen Überholmanövern nicht lange und konnte so seine Reifen besser schonen.

Verstappen fackelt nicht lange

Ein weiteres Geheimnis von Verstappen war, dass er in Zweikämpfen nicht lange fackelt. Er greift an und ist vorbei. So ruiniert er sich nicht die Reifen in den Turbulenzen des vorausfahrenden Autos. Sainz rieb sich zuerst an Verstappen und später an Fernando Alonso auf. Und er bezahlte in den letzten Runden dafür.

Fahren im Verkehr schadet auch dann, wenn man einfach seine Position hält und auf Zweikämpfe verzichtet. Sergio Perez und Charles Leclerc hatten zwar im Finale noch Reserven, doch beide waren nicht annähernd in der Lage, die Zeiten von Verstappen zu egalisieren. Bei Perez hatten vor allem die Hinterreifen gelitten. Der Mexikaner klagte über Traktionsprobleme.

Lewis Hamilton und Oscar Piastri profitierten davon, dass sie meistens freie Fahrt hatten und sich nach hinten nicht wirklich verteidigen mussten. Ihre Rundenzeiten blieben bis zum Schluss konstant. So konnte Hamilton seinen Vorsprung gegen Perez über die Distanz retten und Piastri gegen Russell.

Nico Hülkenberg - Haas - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - Sprint - 20. April 2024 Foto: xpb

Nico Hülkenberg beendete den Sprint als Letzter und sah das Setup seines Haas dafür verantwortlich.

Hülkenberg gibt Setup die Schuld

Diese Erfahrung machten auch die Haas-Piloten. Kevin Magnussen kam als Zehnter ins Ziel, Nico Hülkenberg als Letzter. Magnussen hatte das Glück, dass er schnell den Anschluss an Guanyu Zhou verlor und somit freie Bahn vor seiner Nase hatte. Hülkenberg steckte von Anfang an mitten im Verkehr und in Zweikämpfen und wurde ab der neunten Runde nach hinten durchgereicht.

Der deutsche Haas-Pilot machte es auch am Setup fest. "Ich bin mit der Abstimmung falsch abgebogen. Das Auto hat sich schon am Freitag nicht toll angefühlt. Wir haben versucht, gegenzusteuern, doch es hat nichts gebracht." Immerhin erlauben die neuen Sprint-Regeln den Haas-Technikern, den Fehler zu korrigieren.

Wenn man ihn überhaupt findet. Da auch Magnussens Reifen in den letzten beiden Runden massiv einbrachen, müssen die Haas-Ingenieure ihr Upgrade hinterfragen. Der Gewinn von Abtrieb bedeutet nicht automatisch ein reifenschonenderes Fahrverhalten. Wenn nur in der Spitze aber nicht in der Breite mehr Anpressdruck dazu kommt, kann das Gegenteil passieren. Das haben Ferrari 2022 und Aston Martin 2023 erlebt.