Vorschau GP China 2024

Sprint-Chaos beim Shanghai-Comeback?

Red Bull reist als Top-Favorit zur Formel-1-Rückkehr nach China. Erstmals seit 2019 fährt die Königsklasse wieder in Shanghai. Wir haben die letzten Infos zum ersten Sprint-Wochenende der Saison 2024 in unserer Vorschau.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 6. April 2024 Foto: Red Bull 34 Bilder

Das letzte Mal gastierte die Formel 1 im Jahr 2019 in China. Das Rennen in Shanghai war seinerzeit der 1.000. Grand Prix in der ruhmreichen Geschichte der Königsklasse. Danach musste die Serie fünf Jahre lang einen Bogen um das Reich der Mitte machen. Die COVID-Pandemie bremste die Formel 1 aus. Auch im letzten Jahr gab es keinen China-Grand-Prix, da die Lage vor Ort für die Verantwortlichen noch zu unübersichtlich war.

Beim Shanghai-Comeback steht nun der fünfte Grand Prix der Saison auf dem Programm. Für viele Piloten ist es das erste Mal, dass sie hier mit einem Formel-1-Auto unterwegs sind. Oscar Piastri, Yuki Tsunoda, Guanyu Zhou und Logan Sargeant müssen die Strecke schnell kennenlernen. Da es sich um das erste Sprint-Wochenende des Jahres handelt, müssen 60 Minuten Freies Training für die Akklimatisierung reichen.

Auch die Ground-Effect-Autos müssen sich zum ersten Mal auf dem anspruchsvollen Kurs beweisen. Das sorgt für einige Variablen, die das Feld etwas mehr als gewöhnlich durcheinanderwürfeln könnten. Das will natürlich Branchenprimus Red Bull vermeiden. Nach der Australien-Schlappe schlug das Weltmeister-Team in Japan eindrucksvoll zurück und feierte den dritten Doppelsieg im vierten Rennen. Der Druck liegt somit eher auf den Schultern des ersten Verfolgers Ferrari. Das Layout könnte die Roten aber wieder näher an Max Verstappen und Sergio Perez heranbringen.

Unterstützung erhofft sich die Red-Bull-Konkurrenz auch vom Wetter in Shanghai. Die Meteorologen kündigen für Freitag und vor allem Samstag feuchte Bedingungen an. Eine Regen-Lotterie könnte ordentlich Würze ins Spiel bringen.

Shanghai International Circuit - Strecke - Formel 1 Foto: Mercedes

Die Strecke in Shanghai ist abwechslungsreich und bietet einen Mix aus schnellen, mittelschnellen und langsamen Kurven.

Die Strecke: Shanghai International Circuit

Der 5,451 Kilometer lange Kurs wurde 2004 vom deutschen Streckendesigner Hermann Tilke in ein Sumpfgebiet vor den Toren Shanghais gepflanzt. Mittlerweile sind im Umfeld der Grand-Prix-Strecke zahlreiche neue Wohngebiete wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Vom Layout her bietet der Kurs mit seinen 16 Kurven jede Menge Abwechslung. Es gibt schnelle Kurven, mittelschnelle aber auch sehr langsame Ecken. Besonders markant ist die erste Passage, die in ihrer Form einer "Schnecke" ähnelt. Die Fahrer bremsen am Ende der Zielgeraden tief in die erste Kurve hinein, lassen sich hinaustragen, um den Scheitelpunkt der zweiten Kehre perfekt zu treffen. Es folgt ein langgezogener Linksknick auf eine etwas längere Gerade.

Die meisten Attacken (mit DRS) wird es wie immer auf der Vollgaspassage zwischen den Kurven 13 und 14 geben. Mit mehr als einem Kilometer ist es eine der längsten Geraden im Kalender. Weitere Überholmöglichkeiten bieten sich vor den Kurven 1, 6 und 11. Die vielen langgezogenen Kehren sorgen für eine ungewöhnliche Belastung der Reifen. Normalerweise sind die Gummis auf der Hinterachse stärker gefordert. In Shanghai sind die vorderen Pneus der limitierende Faktor – besonders der linke, der in den Kurven 1, 2 sowie 12 und 13 stark beansprucht wird.

In den letzten Jahren sind mehr und mehr Bodenwellen auf der Strecke entstanden. Nach einer FIA-Inspektion in der Winterpause kümmerte sich in den vergangenen Wochen ein Team des Ingenieurbüros von Hermann Tilke darum, die gröbsten Bodenwellen abzuschleifen. Weil die Ground-Effect-Autos deutlich härter gefedert sind als die Vorgängermodelle, befürchten die Piloten harte Schläge beim China-Comeback.

Pirelli - Reifen - GP China 2024 - Formel 1 Foto: Pirelli

Pirelli bringt die Reifenmischungen C2, C3 und C4 zum Rennen nach Shanghai. Vor allem der linke Vorderreifen wird in China stark belastet.

Fast Facts

  • Streckenlänge: 5,451 Kilometer
  • Rundenanzahl: 56
  • Renndistanz: 305,066 Kilometer
  • Anzahl Kurven: 16 (7 links / 9 rechts)
  • Rundenrekord (Rennen): 1:32.238 min. (Michael Schumacher, 2004)
  • Absoluter Rundenrekord: 1:31.095 min. (Sebastian Vettel, Q3 2018)
  • Distanz Pole-Position bis erste Bremszone: 336 Meter
  • Länge der Boxengasse: 382,9 Meter
  • Vollgas-Anteil (Rundenzeit): 57,4 Prozent (Rundendistanz: 70,2 Prozent)
  • Top-Speed: 316,4 km/h
  • DRS-Zonen: T13-T14 / T16-T1
  • Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 80 Prozent (4/5)
  • Reifensorten: C2, C3 & C4

Das Setup

Wegen der beiden langen Geraden sind die Teams gezwungen, mit etwas weniger Abtrieb als gewünscht zu fahren. Sowohl Front- als auch Heckflügel werden etwas flacher gestellt, um den Top-Speed zu erhöhen und die Zweikampf-Chancen zu verbessern. Generell ist in Shanghai ein mittleres Abtriebslevel gefragt.

Der Asphalt auf der permanenten Rennstrecke in Shanghai ist rau und fördert den Reifenabbau. Interessant wird, wie tief die Teams ihre Autos einstellen können. Die Bodenwellen könnten dazu führen, dass die Ingenieure die sensiblen Ground-Effect-Autos etwas höher setzen müssen als gewünscht. Bei den Bremsen und Motoren sind keine besonderen Belastungen zu erwarten. Der Vollgasanteil liegt mit 57 Prozent im unteren Bereich. Die Temperaturen sind in Shanghai zumeist gemäßigt.

Pirelli wird die mittlere Reifenkombination, bestehend aus den Mischungen C2, C3 und C4, nach China bringen. Strategisch dürfte sich ein Trockenrennen zwischen einem und zwei Boxenstopps bewegen. Regen oder Mischbedingungen am Sonntag dürfte der Reifen-Taktik eine noch bedeutsamere Rolle zukommen lassen.

Nico Hülkenberg - Renault - GP China 2019 - Shanghai Foto: xpb

Die Schneckenkurve ist charakteristisch für die Strecke in Shanghai und eine Herausforderung für die Piloten.

Technik-Updates

In der Frühphase der Saison halten sich die Teams mit neuen Teilen in der Regel zurück. Doch Red Bull und Aston Martin legten bereits für das Rennen in Suzuka ein größeres Upgrade an ihren Autos nach. Der Grand Prix in China ist als Sprint-Wochenende nicht dafür prädestiniert, dass die Teams ein Feuerwerk an neuen Teilen zünden. Die Lernphase mit nur einem Training ist begrenzt.

Die bisher überraschend starke Haas-Truppe bringt dennoch ein Upgrade-Paket nach Shanghai. Eigentlich hatte das Team von Nico Hülkenberg das Update erst für Imola Mitte Mai geplant. Doch ein paar der neuen Teile sind zumindest für ein Auto bereits fertig. Aber nicht der Deutsche kommt in China in den Genuss, die Veränderungen zu testen.

Sein Teamkollege Kevin Magnussen erhält das Paket. Der Däne muss in Imola sein Auto im ersten Training an Junior Oliver Bearman abtreten. Er hätte somit nur zwei Trainingssitzungen in Italien Zeit gehabt, die neuen Teile zu evaluieren. Die Veränderungen sollen Haas vor allem in schnellen Kurven helfen. Dem VF-24 fehlt es noch an Abtrieb.

Das ans Tabellenende abgerutschte Alpine-Team bringt ebenfalls ein Upgrade nach Shanghai. Esteban Ocon bekommt einen neuen Unterboden. Sein französischer Stallgefährte Pierre Gasly muss noch mit dem alten vorliebnehmen. Alpine hat nur einen im Gepäck. Sollte sich die Konstellation mit nur einem Upgrade für ein Auto wiederholen, erhält Gasly dann das neue Teil.

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 6. April 2024 Foto: xpb

Haas bringt ein Upgrade-Paket nach China. Das erhält Kevin Magnussen. Nico Hülkenberg muss sich noch gedulden.

Die Favoriten

Die Endlosschleife läuft einfach weiter. Auch in China dürfte der Sieg nur über Red Bull gehen. Der RB20 ist das beste Auto im Feld. Max Verstappen vergoldet das Potenzial seines Fahrzeugs an nahezu jedem GP-Wochenende. Lediglich in Melbourne musste sich der Weltmeister wegen eines Bremsdefekts beugen. Ansonsten gewann der Niederländer jedes Rennen im Jahr 2024 und stellte den Red Bull immer auf den ersten Startplatz.

Ferrari würde gerne in Shanghai zurückschlagen. Hinter den Dominatoren aus Milton Keynes landete immer mindestens einer der Scuderia-Fahrer auf dem Podium. In Australien gelang sogar ein Doppelsieg. Auch in Suzuka wusste Ferrari mit den Rängen drei und vier zu überzeugen. Das Layout in Shanghai sollte dem SF-24 wieder besser schmecken als in Japan. Es gibt weniger ultraschnelle Passagen, auf denen der RB20 noch Vorteile hat.

McLaren erwarten wir wie in den Rennen zuvor als dritte Kraft. Das Traditionsteam überzeugte zuletzt und konnte sich vor Mercedes und Aston Martin etablieren. Die langsamen Ecken in Shanghai könnten die Truppe von Rennleiter Andrea Stella aber vor Herausforderungen stellen. Wie das Vorgänger-Auto leidet der MCL38 in langgezogenen Kurven. Die mittelschnellen und schnellen Ecken in China schmecken dem McLaren von Lando Norris und Oscar Piastri besser.

Dahinter dürfte der Kampf zwischen Mercedes und Aston Martin eng werden. Mit leichten Vorteilen für die grünen Renner. In Suzuka zündete Aston Martin die erste Ausbaustufe. Der AMR24 konnte erstmals auch im Rennen eine gute Pace an den Tag legen. Zuvor war das Auto in den Händen von Altmeister Fernando Alonso vor allem im Qualifying stark.

Mercedes muss hingegen weiter seinen W15 verstehen. Es hat den Anschein, als würden die Silberpfeile immer noch im Dunkeln tappen. Mal ist der Rennwagen in schnellen Kurven schlecht und beim nächsten Grand Prix verliert das Auto in langsamen Ecken zu viel Zeit auf die Konkurrenz.

Hoffnung macht den einstigen Seriensiegern aber das Japan-Wochenende. Lewis Hamilton lobte den W15 und sprach vom besten Auto, das er seit langem gefahren sei. In Suzuka fruchtete zudem eines der Experimente. Mercedes will sich bei der Fahrzeugabstimmung zunächst auf das mechanische Gleichgewicht konzentrieren, ehe man sich um die Aero-Balance kümmert.

Hinter den fünf Top-Teams dürfte es wieder eng zugehen. Toro Rosso hatte in Australien und Japan die Nase knapp vor Haas. Williams hofft auf ein unfallfreies Wochenende. Für das Comeback in China stehen wieder nur zwei Chassis zur Verfügung. Sauber und Alpine kämpfen darum, in Shanghai nicht das Schlusslicht zu sein. Die Franzosen könnten in China unter der mangelnden Traktion des A524 leiden, die an einigen Stellen des Kurses essenziell ist.

Lewis Hamilton - GP China 2019 Foto: Motorsport Images

Lewis Hamilton gewann 2019 die letzte Ausgabe in China und den 1.000. Grand Prix der Formel-1-Geschichte.

So lief der letzte GP China (2019)

Das Qualifying hatte Valtteri Bottas für sich entschieden. Neben dem Finnen startete sein Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton. Die Ferrari-Piloten Sebastian Vettel und Charles Leclerc teilten sich die zweite Reihe. Die Red Bulls von Max Verstappen und Pierre Gasly fuhren von den Plätzen fünf und sechs los.

Als die Ampeln ausgingen, beschleunigte Hamilton seinen Stallgefährten aus und übernahm die Führung. Dahinter übertölpelte Leclerc Vettel und war damit erster Verfolger der Silberpfeile. Dahinter knallte es zwischen den McLaren-Piloten Lando Norris, Carlos Sainz und Toro-Rosso-Mann Daniil Kvyat. In Runde 11 ordnete der Ferrari-Kommandostand einen Platztausch an. Leclerc ließ den schnelleren Vettel vorbei.

Wenig Glück hatte dessen Landsmann Nico Hülkenberg. Nach 17 Umläufen steuerte der damalige Renault-Pilot die Box an und musste mit einem technischen Defekt das Rennen aufgeben. Zwei Runden später kam es zu einem sehenswerten Zweikampf zwischen Sebastian Vettel und Max Verstappen. Vor der Haarnadelkurve bremste sich der Niederländer innen an Vettel vorbei, wurde aber vom viermaligen Weltmeister ausgekontert.

Lewis Hamilton zog an der Spitze derweil einsam seine Kreise und hatte alles unter Kontrolle. Valtteri Bottas folgte mit Respektabstand bis ins Ziel. Auch während der Boxenstopps konnte Hamilton seine Führung behalten und wurde von Formel-1-Legende Alain Prost nach 56 Runden abgewinkt. Zweiter wurde sein Teamkollege Bottas vor Sebastian Vettel im besten Ferrari.

Max Verstappen konnte sich dank seiner besseren Rennpace noch an Charles Leclerc vorbeischieben und sprengte mit seinem vierten Platz die Ferrari-Fahrer. Als Sechster überquerte Pierre Gasly im zweiten Red Bull die Ziellinie. Siebter wurde Daniel Ricciardo im Renault. Die Top-Ten komplettierten Sergio Perez (Racing Point), Kimi Räikkönen (Alfa-Sauber) und Alex Albon im Toro Rosso.

In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Bilder des letzten Rennens in China aus dem Jahr 2019.