Kaufberatung Mercedes-Benz W 110 und W111

Hoch die Heckflossen

Die so genannte Einheitskarosserie der Heckflosse vom 190 bis zum 300 SE bietet dank Peilstegen und Panoramascheiben viel zeitgenössischen Charme. Leider ist die hübsche Hülle ausgesprochen rostanfällig und nur mit viel Aufwand zu restaurieren. Vor dem Kauf ist eine gründliche Inspektion.

Mercedes W111 220 SEcoupe, 1961 Foto: Daimler 16 Bilder

Karosserie-Check

Kaum eine Heckflosse befindet sich noch im unrestauriertem Originalzustand. Ihre
Karosseriestruktur ist komplex und verwinkelt – deshalb wurden Schweißarbeiten oft
improvisiert. Überziehbleche und aus den Fugen geratene Spaltmaße entlarven solche zurechtreparierten Exemplare. Heckflossen, große (W 111) und kleine (W 110), sind oft Blender. Unter ordentlichem Lack verbergen sich Rostfallen, die erst beim Zerlegen des Autos für eine Vollrestaurierung zu Tage treten. So sind die Radhausstreben im Vorderwagen häufig durchgerostet. Das Gleiche gilt für die schwer zugänglichen Innenschweller. Die hinteren Längsträger, die die Aufnahmen für die Längslenker und Schubstreben bilden, sind häufig ein Opfer der Korrosion. Kotflügel und Stehbleche lassen sich leicht auf Rost untersuchen, auch die Lenkgetriebebefestigung zählt zu den Rostherden der Heckflosse.

Technik-Check

Die robusten Vier- und Sechszylindermotoren der Heckflosse halten bei guter Wartung 250.000 Kilometer ohne größere Reparaturen. Als besonders unverwüstlich gelten der fünffach gelagerte 200er mit 95 und der 230er mit 105 PS. Sie neigen jedoch zu steigendem Ölverbrauch und zu Ölverlust speziell durch verschlissene Ventilführungen undSchaftdichtungen. Alterndes Gummi macht den Motoraufhängungen sowie den Silentblöcken der Vorderachse zu schaffen, die sich dann durch hässliche Geräusche lautstark bemerkbar macht.
 
Schlupf in der Automatik deutet auf defekte Bremsbänder hin, die aber bis zu einem gewissen Grad nachgestellt werden können, dies gilt auch für Spiel im Lenkgetriebe. Die Bremsanlage der Heckflosse ist mit den vier Trommelbremsen (bis 8/63 bei 190, bis 4/62 bei 220b und 220 S) oft überfordert. Das ATE-Servobremsgerät und die Brems-trommeln sind teure Ersatzteile. Manchmal versagt auch das Gestänge des Scheibenwischers seinen Dienst. Um es in Stand zu setzen, muss die gesamte Heizanlage demontiert werden. 

Preise

Die Preise haben in den letzten Jahren kräftig angezogen. Das war auch nötig, denn die Ersatzteilpreise und Restaurierungskosten liegen mittlerweile sehr hoch. Da macht es kaum einen Unterschied, ob es einen 190c oder einen 300 SE betrifft. Der 200 liegt knapp unter 10.000 Euro, dafür bekommt man auch schon einen 280 SE der Baureihe W 108. Große S-Klasse-Flossen wie der beliebte Typ 220 Sb sind im Schnitt 2.000 Euro teurer. Aber
eine Vollrestaurierung lohnt sich nicht. Leicht versickern 25.000 Euro in einen Wagen, der beileibe keine Ruine ist. Kenner kreuzen das kerngesunde Blech der US-Autos mit Interieur und Mechanik gepflegter hiesiger Flossen.

Bei Einführung 1965:
10.800 Mark
Bei Produktionsende 1967:
11.000 Mark

Ersatzteile

Wie bei allen Nachkriegs-Mercedes gibt es bei der Heckflosse kaum Ersatzteilprobleme, jedoch haben die Preise innerhalb der Mercedes-Benz-Classic-Organisation kräftig angezogen. Daneben bedienen große freie Ersatzteilanbieter den Markt. Der Club hält Gebrauchtteile aus US-Beständen für seine Mitglieder bereit.

Schwachpunkte

  1. Improvisierte Karosseriereparaturen
  2. Kotflügel an Lampentöpfen und A-Säule
  3. Vorderer Querträger und Lenkgetriebefestigung
  4. Radhausstreben
  5. Schweller und Wagenheberaufnahmen
  6. Hintere Längsträger
  7. Kofferraummulden
  8. Radläufe und hintere Radhäuser
  9. Ölverbrauch und Ölverlust
  10. Motorsilentblöcke
  11. Ölverslust an der Hinterachse
  12. Bremsanlage
  13. Scheibenwischgestänge
Mercedes-Benz 280 SE Cabriolet

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage

Fazit

Die Heckflosse ist der modischste unter den Nachkriegs-Mercedes, so zeitgeistig wie sonst nur ein Opel oder Ford, das macht ihren besonderen Reiz aus. Funktionalität gepaart mit Verspieltheit und etwas Glamour, dazu ein einzigartiges Raumgefühl unter lichtem Dachaufbau. Der sehr gute Fahrkomfort unterstreicht das kommode Fahrgefühl.