Opel Rekord C Caravan

Im 66-PS-Kombi durch die Alpen

Ein Rennfahrer am Steuer, ein schwächlicher 4-Zylinder unter der Haube, Serpentinen und steile Pässe vor der Brust – kann das gut gehen? Motor Klassik-Redakteur Dirk Johae hat’s mit dem Opel Rekord C Caravan

ausprobiert – auf der Silvretta Classic 2015.

Opel Rekord C Caravan bei der Silvretta Classic 2015 Foto: Hans-Dieter Seufert 24 Bilder

Der Schriftzug „Opel Schnelldienst“ auf dem granitgrauen Rekord C Caravan lässt Jockel Winkelhock kurz hoffen. Aber die Antwort auf seine Frage nach der Motorleistung des Autos aus der Sammlung von Opel Classic sorgt kurz darauf für Ernüchterung: „Nur 66 PS?“, fragt der ehemalige Rennfahrer, der Le Mans und zahlreiche Tourenwagen-Championate gewann, ungläubig nach. Scheinbar keine guten Voraussetzungen also für drei Tage Rallyevergnügen. Doch Redakteur Dirk Johae als Beifahrer hat Glück: Während der Silvretta Classic hellt sich die Stimmung im dreitürigen Caravan aus dem Baujahr 1970 wieder auf.

Der Flüelapass in der Schweiz, der auf 2383 Meter Höhe führt, wird zur härtesten Prüfung für den Opel-Vierzylinder an den drei Rallyetagen. Der dritte Gang ist zu lang übersetzt, also stöhnt sich die Maschine im zweiten Gang den Berg hinauf. Fast scheint sie so zu keuchen wie einer der Radfahrer, der sich in der Gluthitze mit letzter Kraft den Flüela-Aufstieg hinauf quält.

Kein Rennwagen, sondern ein Schreiner-Express

Unser Caravan ist eben keine „Schwarze Witwe“, wie die bis zu 200 PS starke Rennversion des Rekord heißt, sondern ein braver, zuverlässiger Kombi mit großem Nutzwert für Handwerker oder Ladenbesitzer, um Waren und Werkzeug zu transportieren. Unter der Heckschürze lugt sogar noch die Anhängerkupplung hervor: Unser Caravan zum Beispiel gehörte bis zum Ende der 90er-Jahre einem Schreinermeister aus Hofheim/Taunus.

Die Passhöhe ist erreicht und der Motor kann sich erholen. Bergab nimmt der Rekord gleich Tempo auf, mit dem Schalthebel am Lenkrad werden die höheren Gänge eingelegt. Um die Bremsen zu schonen, empfiehlt sich vor den Kurven das Herunterschalten. Dabei hakt allerdings ab und zu der zweite Gang. Die Wirkung der Bremsanlage mit Scheibenbremsen vorn und Trommelbremsen hinten entspricht den seinerzeit bevorzugten Einsätzen im Stadtverkehr und auf Landstraßen. Bei langen Bergabfahrten kann die gemischte Zweikreisbremsanlage an ihre Grenzen kommen.

Verbessertes Fahrwerk im Opel Rekord C

Für den C-Rekord verbesserten die Opel-Ingenieure das Fahrwerk: Statt der herkömmlichen Blattfedern spendierten sie der Hinterachse Schraubenfedern. Dazu wird die Starrachse an zwei Längslenkern je Seite und einem Panhardstab geführt. Die Vorderräder sind wie schon beim Vorgänger einzeln an jeweils zwei Doppelquerlenkern aufgehängt.

Das Fahrwerk des Rekord ist komfortabel abgestimmt, wirkt auf den kurvenreichen Alpenstraßen recht schwammig. Dieses Fahrgefühl wird durch die wulstigen Reifen auf 13-Zoll-Felgen verstärkt. „Außerdem bekommt man durch das große Lenkrad kein Gefühl für die Lenkung“, ergänzt Chauffeur Winkelhock.

Die Sessel für Fahrer und Beifahrer entsprechen dem Geschmack der 60er- und 70er-Jahre in der Mittelklasse: Sie sind zwar urgemütlich, sparen sich aber in Kurven jeden Ansatz von Seitenhalt. Aber so war das eben vor fast 40 Jahren: Für sportlich ambitionierte Opel-Fahrer gab es übrigens den Rekord Sprint mit dem 1,9-Liter-Motor, der dank zweier Weber-Doppelvergaser 106 PS leistet.

Mehr Leistung und Luxus im Commodore

Ein leistungsbewusster Opel-Freund konnte aber auch tiefer in die Tasche greifen, um sich einen Commodore A zu leisten. Die günstigste Variante mit 2,5-Liter-Sechszylinder war im Dezember 1970 rund 2500 Mark teurer als unser Caravan. Er kostete damit allerdings nicht wesentlich mehr als der leistungsstärkste Rekord in der Sprint-Version.

Aber das Verhalten der Kunden war eindeutig: Der Rekord mit dem 1,7-Liter-Motor war die meist gewählte Variante – beim Caravan wie auch der gesamten Baureihe. Etwa die Hälfte aller Opel der Baureihe rollte mit diesem Motor, der im Wesentlichen vom Vorgänger stammte, in Rüsselsheim vom Band. Insgesamt verkaufte Opel vom Rekord C innerhalb von sechs Jahren über 1,2 Millionen Exemplare: eine wahre Rekord-Marke für den hessischen Autohersteller.

Eine Rarität wie teure Sammlerstücke

Als Caravan allerdings ist er heute so rar wie ein BMW 507: Gute Exemplare sind so gut wie nicht zu finden. Der Rekord Kombi kam wahrscheinlich in seinem ersten Leben nie in die Schutzatmosphäre eines Liebhaberstücks, sondern blieb ein wackeres Nutzfahrzeug, das solange seinen Dienst verrichtete, bis es nicht mehr richtig lief. Der Rekord-Kombi von Opel Classic aber blieb in unrestaurierten Zustand erhalten, allerdings bis auf die Außenhaut. Sie musste neu lackiert werden.

Für einen Caravan in ordentlichem Zustand geben die Experten von Classic-Analytics einen Preis von 6.000 Euro an. Die Restaurierung eines nicht gut erhaltenen Rekord lohnt daher nur, wenn man die meisten Arbeiten selbst erledigen kann.

Zeitreise durch die Alpen

Aber ein gut hergerichtetes Auto wie der Wagen von Opel Classic lädt zu einer Zeitreise in die frühen 70er-Jahre ein, als eine Motorleistung zwischen 60 und 70 PS durchaus üblich war und Fahrten über Alpenpässe zur Geduldsprobe wurden. Bei der Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h begnügte man sich mit einer Zeit von 20 Sekunden und nahm eine Spitzengeschwindigkeit von 138 km/h hin. Auch wir werden oft überholt.

Das gemächliche Tempo erlaubt den Blick auf die vielen Pisten links und rechts der Strecke, deren Schneekanonen in der Sommerhitze reichlich deplatziert wirken – mehr als der schwächliche 4-Zylinder in unserem Caravan, den der Schreinermeister vor 50 Jahren als Neuwagen kaufte. Der Rekord C als typisches Bürger-Auto aus der Zeit der Studentenrevolte liegt heute als Kombi-Klassiker voll im Trend.