Techno Classica Highlights

Dschungelbuch-Rolls und Formel 1-Transit

Das Angebot war wieder gigantisch: mehr als 2.500 Fahrzeuge, dazu die Exponate der Clubs und Hersteller. Es war nicht einfach, den Überblick zu behalten. Hier die Highlights der Motor Klassik-Redaktion.

 

Highlights der Techno Classica 2015 Foto: Kai Klauder 49 Bilder

Die Techno Classica 2015 ist gerade zu Ende gegangen - rund 190.000 Besucher kamen an den 5 Tagen nach Essen, um sich in den Messehallen und auf den Freigeländen umzuschauen. Auch die Motor Klassik-Redaktion war unterwegs - und präsentiert hier die Tops und Flops der Techno Classica 2015.

Dirk Johaes Tops und Flops der Techno Classica

Top 1 - Maserati 151: Den Tipo 151 baute Maserati für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, wo der geschlossene Rennsportwagen, der Hunaudieres-Gerade auf bis 320 km/h beschleunigt wurde. Die Technik ist zwar konventionell, die aerodynamische Karosserie dagegen spektakulär.

Der Maserati, der jetzt auf dem Stand von Maserati in der Halle 3 ausgestellt ist, gehörte lange Jahre zur ehemaligen Rosso Bianco-Sammlung von Peter Kaus zu sehen. Es ist der zweite von drei Tipo 151, der eine tragische Geschichte hat: Im April 1965 verunglückte der US-Rennfahrer Lloyd „Lucky“ Casner mit diesem Auto tödlich auf der Hunaudieres-Gerade.

Top 2 - DB HBR: Ein kleiner, unscheinbarer Rennsportwagen in der Halle 10 zieht mich nach dem Maserati in den Bann: Ein DB, gebaut durch die Firma von Charles Deutsch und Rene Bonnet. Die beiden Franzosen war Spezialisten für windschlüpfige Autos mit kleinen Motoren. Interessant bei diesem DB ist die zentrale Sitzposition des Fahrers.

Der DB, der von einem Renault-Vierzylinder angetrieben wird, hat eine stolze Rennhistorie: Zum ersten Mal wurde das Auto mit der Chassisnummer 2003 beim 24 Stunden-Rennen von Le Mans eingesetzt. Im Jahr darauf lief das Auto mit der Startnummer 038 auch bei der Mille Miglia. Der kleine offene Rennwagen ist für mich eine echte Überraschung der Techno Classica.

Top 3 - Rolls-Royce 40/50 Silver Ghost “The Duchess”: Autos aus den Anfangs-Jahrzehnten der Entwicklung sind ein Trend der Techno Classica. Zu den spektakulärsten Exponaten der Messing-Ära zählt der Rolls-Royce 40/50 aus dem Baujahr 1913. Erstbesitzer war der Literatur-Nobelpreisträger Rudyard Kipling, der zum Beispiel „Das Dschungelbuch“ schrieb.

Der ehemalige Rolls von Kipling gehört zu der legendären Silver Ghost-Baureihe. Rolls-Royce baute insgesamt 7824 Exemplare dieser Autos. Zu sehen ist das Luxusauto der frühen Jahre am Stand von Thiesen in der Halle 10.

Rolls-Royce-Besitzer Kipling mochte es offenbar extravagant: Die Farbe des Leders ist auffällig farbenfroh. Doch auch das macht diesen 40/50 mit der Chassisnummer 27NA zu einem ganz besonderen Auto.

Die Marke, die Baureihe und der Erstbesitzer machen den Silver Ghost zu einem ganz besonderen Stück Automobilgeschichte. Für mich ist das Auto aus dem Baujahr 1913 eines der interessantes Exponate in Essen, ist aber auf dem Stand von Thiesen ein Außenseiter.

Top 4: Opel Studie “Geneva”: Der Star auf dem Opel-Stand in Halle 2 ist die Studie Geneva, die 1975 auf dem Automobil-Salon von Genf gezeigt wurde. In Knallorange zeigte Opel damals ein cooles Sportcoupé.

Doch die Studie war nicht mehr als eine Karosserie. Das Interieur und die Technik gab es nur im Kopf: Ein Wankelmotor in Mittelmotorlage vor der Hinterachse sollte den Zweitürer antreiben - Umparken im Kopf gabs also auch schon 1975.

Mit der Studie Geneva bewies Opel großes Selbstbewusstsein: Walter Röhrl und Jochen Berger hatten erst vor wenigen Monaten mit den Gewinn der Rallye-Europameisterschaft den ersten großen Sporterfolg eingefahren und der von Ami-Design geprägte GT sprach vor allem junge Käufer an.

Top 5: Maserati Boomerang: Und noch eine Studie ist für eines der Highlights der Techno Classica: Axel Schütte zeigt den Boomerang von 1972. Das kantige Konzept stammt von Giorgio Giugiaro, der damit das Vorbild für seine folgenden Entwürfe schuf.

Zuerst sorgte der Boomerang auf dem Automobil Salon in Turin für Furore. Dort zeigte Giugiaro aber nur ein 1:1-Modell ohne Technik-Innereien. Der Maserati Boomerang gehört zu den bekanntesten Studien der Automobilgeschichte. Aber noch heute ist die Giugiaro-Studie ein echter Hingucker.

Nicht nur beim Exterieur zeigte der italienische Designer Giorgio Giugiaro seine Kreativität. Auch bei der Gestaltung des Innenraums bewies der Gründer von Italdesign seinen Ideenreichtum, zum Beispiel mit einem in der Lenkradmitte eingebetteten Tacho.

Flop 1 - Bentley 6,5 Litre Supercharged Petersen Racer: Obwohl er von Ferne wie ein Bentley Special ausschaut ist er ein zwölf Jahre alter Gebrauchtwagen - also ein Bentley mit neuzeitlicher Technik, der aussieht wie ein Dreißiger-Jahre-Klassiker, ein Special 2.0. Für mich ein schreckliches Auto.

Doch der Preis für diese schräge Kiste schlägt dem Fass den Boden aus: Rund 563 000 Euro soll dieser Petersen Racer kosten. Das ist verdammt viel Geld für ein bisschen Spaß auf der Landstraße mit einem Auto, das lediglich ein bisschen so aussieht wie einer der legendären Bentley der zwanziger Jahre.

Techno Classica-Tops und Flops von Michael Schröder

Top 1 - Fiat 1100 S Spider, Baujahr 1955: Wahrlich ein Auto, das erst auf den zweiten Blick auffällt – allerdings eines mit ein paar netten Details. Das Einzelstück mit Alu-Karosserie wurde von Michelotti gezeichnet, befindet sich im unrestaurierten Originalzustand und trägt einen von dem Motorspezialisten Marino Brandoli getunten 1,1-Liter Vierzylinder unter seiner Haube. In den Jahren 1955 und 1956 hat dieses Auto unter anderem bei der Mille Miglia teilgenommen und verfügt über eine detaillierte Rennhistorie sowie einen FIVA-Pass. Das Ganze hat natürlich einen Preis: 425.000 Euro .

Top 2 - Lancia Gamma Olgiata: Noch ein Einzelstück, welches mir außerordentlich gut gefallen hat: Lancia Gamma „Olgiata“, eine zweitürige Kombistudie auf Basis des Lancia Gamma 2500 IE Coupé, die 1982 in Paris präsentiert wurde. Auf jeden Fall ein ziemlich elegantes Modell, obendrein fahrbereit (italienische Zulassung) und nur 1009 Kilometern auf dem Zähler. Der Preis war trotz telefonischer Anfrage nicht herauszukriegen („Preis auf Anfrage“ entpuppt sich immer mehr als Unsitte auf Klassik-Messen).

Top 3 -Ford LTD II Coupé: Mein Star auf dem Freigelände ist eindeutig ein Ford LTD II Coupé, Jahrgang 1977, der sich nahezu unbeachtet zwischen die vielen vermeintlichen Porsche- und Mercedes-Schnäppchen geschummelt hat. Ein tolles (und natürlich fahrbereites) Auto im Originalzustand mit leichter Patina, allerdings ein Modell, welches wohl kaum jemand auf dem Radar hat, den es kann weder am Zustand noch am Preis gelegen haben, dass nicht sofort ein „Verkauft“-Schild ins Fenster gehängt wurde. Für 12.800 Euro (inklusive Gasanlage) mein persönliches Messe-Highlight.

Flop 1 - Citroën BX 4 TC Turbo: Ein Citroën BX 4 TC Turbo von 1985 im Gruppe B-Rallye-Trimm. Eines von insgesamt 200 von Hand gefertigten Modellen, von denen angeblich nur noch rund 30 Exemplare existieren sollen. Dagegen, dass dieses 200 PS starke Fahrzeug als Scheunenfund im Neuwagenzustand angeboten wird, spricht natürlich nichts. Einzig der Preis lässt einen schmunzeln: Gefordert sind 210 000 Euro...

Flop 2 - BMW Cardi-Roadster: Ein offener Sportwagen einer  russischen Designschmiede von 1979. Auf den ersten Blick hochinteressant und mit V 12-Technik, doch Blick Nummer zwei offenbart dann doch diverse Design-Schwächen. Der Preis für diesen Exoten: 145 000 Euro.

Flop 3 - Ferrari 288 GTO Evoluzione „by Jim Carpenter“: Keine Ahnung, wer Jim Carpenter ist, aber nach seiner Verwandlung eines 288 GTO in einen obendrein handwerklich schlecht gefertigten Plastik-Bomber für Gruppe B-Renneinsätze will man diesen Mann vielleicht auch gar nicht kennen lernen. Allein der Anblick der Front wird jedem echten Ferrari-Fan Tränen in die Augen treiben. Der Preise für dieses „Schätzchen“: 235.000 Euro.

Alf Cremers Tops und Flops der Techno Classica 2015

Flop 1- Citroën BX 4 TC Turbo, Baujahr 1986: Auf dem Stand von Lamborghini-Spezialist Klima-Lounge in Halle 10, wirkte er zunächst wie ein Fremdkörper, dabei stammen auch seine kubistischen Linien von Bertone-Chefstylist Marcello Gandini, der schon bei Miura und Countach sein Talent zur bahnbrechenden Avantgarde bewies.

Dieser weiße Riese von Citroën, der aussieht wie ein Experimentalfahrzeug und für 200 000 Euro angepriesen wird. Die ungeheuerliche Summe für einen Citroën BX zu verlangen, scheint aberwitzig. Aber die Geschichte des Wagens ist sehr interessant. Er stammt aus dem Besitz des Schweizer Autokünstlers Franco Sbarro, der schon mit eigenen verwegenen Konstruktionen für Furore sorgte, man denke nur an den Sbarro Stash auf VW K70-Basis, an den Challenge und an den Espera. Auch seine eher frei interpretierten Repliken vom BMW 328 oder vom Mercedes SSK sorgten in den 70er Jahren für Aufsehen.  

Kein Wunder, dass der Exzentriker Sbarro Gefallen an dem BX fand, der die Hyper-Interpretation eines braven Serienwagens darstellt. 300 Stück wurden von dem Allradler gebaut, alle bis auf 40 Exemplare sind von Citroën offiziell zurückgekauft und zerstört worden, diverse sind verunfallt. Die Firma Klassik-Lounge schätzt die Zahl der Überlebenden auf ca. 30.

Das Besondere am Citroën BX 4 TC Turbo ist, dass es sich um eine Hochleistungs-Limousine auf Basis des Gruppe B-Rallye-Autos handelte. Der aufgeladene und ladeluftgekühlte 2,2 Liter Alu-Vierzylinder leistet 230 PS, der Wagen ist damit auch 230 km/h schnell. Die aufgeblasenen Kotflügelbacken erinnern an den Audi Quattro.

Der Klima-Lounge-BX ist ein Neuwagen und hat 228 km auf dem Tacho. Aber 200.000 Euro für diese skurrile Fahrmaschine, deren Erstzulassung wegen der geänderten Bestimmungen fraglich sein wird, erscheinen absurd. Das macht den einst gescheiterten Serienwagen erneut zu einem Flop.

Flop 2 - Opel Commodore GS/E, Baujahr 1977: Eines der unterhaltsamsten Gespräche der Messe führte ich mit einem jungen, sehr optimistischen Mann , der gleich drei Autos auf dem zentralen Freigelände anbot. Eine charmant patinierte Mercedes 200 Benziner-Heckflosse für 4.500 Euro, ein sehr skurriles abgeflextes BMW 316 E21-„Vollcabriolet“ für 8.000, dessen unvollendeter Baustellen-Charakter offensichtlich war. Er roch im Kofferraum noch nach frischer Farbe und die hintere Sitzbank hatte noch nicht in die endgültige Ruheposition gefunden.

Aber mich lockte der signalgrüne Opel Commodore GS/E an, nicht nur wegen des frischen, frühlingsgrünen Lacks. Vinyldach, Stahl-Sportfelgen, keine Hosenträgergurte, nicht tiefergelegt. das spricht mich an und mit der schwarzen Kunstledergarnitur im Inneren könnte ich leben. Aber, der Preis. 18 500 Euro standen zunächst auf dem Schild hinter der Windschutzscheibe. Ein paar Tage später waren es 16.500 Euro. Und dann die Details, na ja. Die Schriftzüge mehr drangeklebt wie wirklich fixiert. Der Radlaufchrom fehlt ebenso wie die typischen Zierstreifen. Die Substanz ist okay, die Kilometerleistung mit 180.000 unbedenklich.

Das elegante 77er Opel-Coupé, das Classic Analytics mit maximal 12.000 Euro ansetzt, könnte auch gar kein GS/E sein. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich vielmehr um das ausstattungsmäßig leicht gestrippte Sondermodell Commodore E des letzten B-Baujahrs handelt. Auch nicht schlecht, aber eben nicht das Top-Modell GS/E. Der arg hohe Preis und dieser kleine Etikettenschwindel machen den Commo zum Flop. Die kleine Benziner-Flosse unseres jungen Auto-Optimisten geht dagegen voll in Ordnung.

Flop 3 - Messerschmitt KR 200, Baujahr 1955: Potomac Motors, ein rühriger holländischer Händler in Halle 11, beweist immer wieder sein Händchen für Micro-Cars und Lieferwagen aus den Fünfzigern. Neben der Ultrararissima Isetta Motocarro stellte Potomac auf dem Freigelände im Innenhof einen Messerschmitt Kabinenroller aus. Angepriesen als "Messerschmitt Convertible", wobei der englische Name für Cabriolet eher amerikanische Straßenkreuzer suggeriert, schien der geforderte Preis für das zweifarbige Spielzeugauto mit 23.900 Euro sehr moderat.

Doch auch deshalb bestehen Zweifel ob es wirklich ein echter Roadster, also ein KR 201 ist, schließlich lässt sich die Plexiglaskanzel des dreirädrigen Motorrollers mit Flugzeug-Genen nur allzu leicht in eine Stoffmütze verwandeln. Das lässt uns den Messerschmitt trotz ordentlichem Zustand und moderatem Preis als Flop erscheinen. Im Zuge des Preis-Booms ist sowieso erstaunlich, dass sich der Messerschmitt nicht mit heftigen Sprüngen nach vorne bewegt.

Schließlich sind von den einst 46.000 Stück nur wenige übriggeblieben. Der einzige, der abgeht wie eine Rakete ist der Tg 500. Der kostet 100.000 Euro mehr als die Occasion bei Potomac.

Top 1 - Audi Quattro, Baujahr 1981: Eigentlich passt er gar nicht ins Sortiment von AutoClass in Halle 6. Seltsam exotisch mutet der marsrote Ersthand-Audi Quattro zwischen den Maserati-Modellen Ghibli, Mexico und Khamsin oder zwischen dem Aston Martin DB6 und dem Ferrari 250 GT Lusso an. Ein Halbedelstein zwischen solitären Hochkarätern. Aber der Audi Quattro ist einzigartig.

Er hat erst 64.000 Kilometer auf dem noch analogen Tacho, er stammt aus der ersten Serie und hat noch die Zugschalter für die Differenzialsperren auf der Mittelkonsole. Ganz zu schweigen von den eckigen Doppelscheinwerfern, die viel markanter sind als die Nachfolge-H4s mit integrierter Streuscheibe. Quattro-Fans drehen allein schon wegen der schrillen Polsterung in Zebra-Velours durch. 79.000 Euro ruft der Händler für den Quattro in Jahreswagen-Zustand auf.

Angesichts der 911-Preisexplosion fast ein Schnäppchen. Sonst bin ich zwar stets von der Fahrfraktion, aber dieser Quattro ist fast zu schade dafür. Außerdem nervt mich die unkorrekte Bezeichnung Urquattro. Das Auto hieß Audi Quattro, Basta! Realistisch betrachtet gilt er als Sammler-Auto mit Spekulationscharakter. Schließlich ist der Quattro sie eine Art M1 von Audi.

Nur 11.000 Exemplare mit sportlich bedingter hoher Sterbequote machen dazu Mut. Jetzt brauchen wir schnell noch einen nicht ganz so guten zum Fahren. Etwa den vom Autosalon Isartal für 48 000 Euro.

Top 2 - Jowett Jupiter, Baujahr 1950: Die Freigelände auf der Messe sind die ergiebigsten Terrains für die Schnäppchen- und Exotensuche. 46 500 Euro für einen Jowett Jupiter in Bestzustand sind sogar beides. Wie bitte, wie heißt der schnuckelige Roadster im Kindchenschema-Design, der entfernt an ein Karussellauto erinnert? da muss man vielleicht ein bisschen ausholen. Jowett ist in englischer Hersteller, man sieht es an der üppigen Verwendung von Holz und Leder. Auch die Form ist klassisch britisch, aber selbst Kenner wissen nur um die zwei Nachkriegsmodelle Jowett Javelin, eine Mittelklasselimousine und eben diesen Jowett Jupiter. Den Jupiter kann man mit recht als kleines Edel-Automobil einschätzen.

Er hat eine Alukarosserie auf einem Gitterrohrrahmen und war mehrfacher Le Mans-Klassensieger. Der Motor ist ein 1600 Kubik-OHV-Boxer, also völlig untypisch für Britanniens Automotive Engineering. Diese Rarität bewerten wir als echten Top. Zustand und Preis überzeugen, der Wagen wurde behutsam restauriert und er ist die zuverlässige Eintrittskarte für jede anspruchsvolle Oldtimer-Rallye.

Top 1 - Mercedes-Benz 450 SEL 6.9, Baujahr 1975: Einen Mercedes müsst Ihr mir gönnen. Einen ganz besonderen und einen besonders preiswerten dazu. Tatort Freigelände am Ausgang Halle 7 neben dem Audi-Stand. Dieses liegt zwar meist in der Sonne, die Objekte dort sind aber oft ein wenig schattig, sprich obskur. Mechanisch nehme ich die Reihen ab, dort ein 250 CE, hier ein 280 S, W108, alles schön und gut und gar nicht grottig.

Überhaupt gab es bis auf einen völlig überteuerten Porsche 912 Targa Soft-Window für 49.500 Euro, diesmal keine wirklichen Ruinen in Essen. Und der Mercedes 450 SEL 6.9 der mich magisch anzieht ist es schon gar nicht. Seine Autorität die S-Klasse steht stramm in den Federkugeln, der Lack glänzt, die Antenne ist original, nur die Reifen sind es nicht. Die teuren 215/70-14, eine rare Sondergröße, will kaum einer investieren, aber 205er tun es auch, schließlich wollen wir dem Sechsneuner keine 225 km/h Spitze mehr zumuten.

Nur 17.500 Euro kostet das einstige Flaggschifft mit der aufwändigen hydropneumatischen Federung. Ein Gespräch mit dem seriös wirkenden Verkäufer deckt sofort ehrlich die Schwachstellen auf. Die Federkugel vorne rechts müsste erneuert werden, was sicher mit 1.000 Euro zu Buche schlägt und die Karosserie ist, auch für mich sofort sichtbar, im Bereich von Schwellern und Radläufen leicht angenagt. Die Motorraum-Stehbleche sind einwandfrei auch im Kofferraum sieht es trocken aus. Unter den Matten keinerlei Hinweise auf Rost.

Also scheint die Substanz des 6.9 in Ordnung zu sein. Innen ist der Wagen in sehr gutem Zustand, die schwarzen Lederpolster glänzen seidenmatt. Himmel, Türverkleidungen und Mittelkonsole Überzeuge. Letztere sind original und gänzlich unverbastelt. Wirklich gute Sechsneuner kosten laut Classic Analytics 38.000 Euro, der hier ist mit weniger als die Hälfte ein Zustand 3er im unteren Segment der Note. 206.000 Kilometer bedeuten dem M100 nicht viel, der solide Gussblockmotor stammt vom Mercedes 600-Triebwerk ab.

Der 6.9 in edlem anthrazitmetallic ist für mich eine echte Versuchung, Natürlich kann der Wagen mit ein paar unliebsamen Überraschungen aufwarten, aber das passiert auhc bei doppelt so teuren Exemplaren. Wenn ich mehr Mut hätte, würde ich es tun. Nur 7.000 Autos, das High-Tech-Top-Modell der Siebziger und fast so viel Hubraum wie ein SSK. Der Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 hat Potenzial, ich sehe ihn bereits im Fahrwasser des 6.3.

Kai Klauders Tops und Flops der Techno Classica 2015

Rund 2 Tage waren Zeit, um das Angebot zu sichten, dass in diesem Jahr zwei alte neue Helden hatte: Der Porsche 911 war in unfassbarer Anzahl und zu noch unbegreiflicheren Preisen vertreten. Doch das überraschte nicht. Stattdessen eher die Preisexplosion des VW Bulli der ersten und zweiten Generation. Denn im Gegensatz zum Elgfer kann man hier nicht vom Fahrspaß als Motivation für den Kauf sprechen. Ein T1, speziell der Samba, ist nun endgültig in den Händen der Spekulanten angekommen. Schade drum. Höchste Zeit, sich noch einen T3 zu sichern - denn der fährt hervorragend - und ist in dieser Hinsicht dem Elfer viel ähnlicher, als viele denken.

Supervan mit Formel 1-Aggregat

Fahrspaß ist auch die Motivation für mein Top1: Der Ford Transit Supervan 3 wurde ursprünglich um einen 650 PS starken Formel 1-Motor herumgebaut, doch das war wohl zu extrem. Jetzt sorgt ein 299 PS starker Dreiliter-V6 für im Transportgewerbe ungeahnte Spurtstärke - und eine Vmax von 240 km/h.

Meine beiden nächsten Tops sind eher den verpassten Chancen im Automobilbau gewidmet: Der Tatra T87 gehört zu den fortschrittlichsten Entwürfen - jeder angehende Automobilingenieur und -Designer sollte sich den phänomenalen Vorkriegswagen einmal näher ansehen - Top 2.

Top 3 ist ein Automobil, das ich zum ersten Mal in natura gesehen habe. Der Seat Savio stammt aus dem Jahr 1966 und wurde von Pietro Frua gezeichnet. Ein Fahrzeug, dass mit 7 Sitzplätzen auf einer Länge von nur 3,54 m ein echtes Raumwunder ist - und zudem ein selten gesehenes luftiges Gefühl vermittelt.

Zusammengebratene Bulli aus Brasilien

Kommen wir zu den Flops: Ganz vorne landet der Verkäufer, der gleich 4 Bulli aus Brasilien mitgebracht hat - und das an allen Eingängen, Schautafeln und Plakatständern auch anpreist. Auf diesen DIN-A4-Zetteln stehen sogar noch die Baujahre drauf - zwischen 1971 und 1974 liefen diese "T1" vom Band. Der Zustand ist bei allen vier Exemplaren fragwürdig bis schlecht. Schweißdrähte stehen in den Radhäusern heraus, über Rostlöcher wurde einfach drüberlackiert. Die Preise passen nicht zu diesem Zustand: Zwischen 24.500 und 39.500 Euro. Mehr zum Bulli-Markt auf der Techno Classica gibt es hier zu lesen.

Meine beiden anderen Flops und weitere Tops zeigen wir in unserer Fotoshow.