Porsche-Restaurierer in Italien

Gegen das Naturgesetz

Dass die Liebe ihre eigenen Wege geht – darüber kann diese Familie eine ganze Platte aufnehmen. Jahrzehntelang rettete sie im Herzen Italiens angeschlagene Ferrari. Dabei schwärmte sie heimlich für die Konkurrenz: für klassische Porsche.

Porsche-Restaurierer, Corato, Reportage, Italien Foto: Hans-Dieter Seufert 18 Bilder

„Die Sache war kompliziert“, schreit Rosita vom Fahrersitz aus herüber, drückt den dritten Gang hinein und versorgt die Weber-Vergaser mit milder Oktoberluft. Dann blitzt sie zufrieden herüber, streicht sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und versucht sich weiter an der Erklärung: „Wenn du in der vierten Generation professioneller Autoverrückter in Italien aufwächst, dann liebst du Alfa Romeo oder Lancia oder Ferrari. Das ist quasi wie ein Naturgesetz.“

Porsche-Restaurierer, Corato, Reportage, Italien Foto: Hans-Dieter Seufert
Seit 1990 restaurieren die Coratos alte Porsche. Davor retteten sie jahrzehntelang im Herzen Italiens angeschlagene Ferrari.

Der nahende Scheitelpunkt einer Rechtskurve lässt sie abermals verstummen. Während sie mit ihren schmalen Lederschuhen über die kleinen Pedale steppt, dreht sie gefühlvoll am Holzlenkrad, setzt etwas Zwischengas vor den zweiten Gang und lässt den Vierzylinder aus der Kehre fauchen. Der schnippt uns sogleich überraschend kräftig die Steigung hinauf. Fahren kann sie, das steht mal fest.

Wie alles begann

Die runden Scheinwerfer folgen den Sonnenstrahlen, direkt hinein in eine Allee, deren Baumspitzen sich sanft hin und her wiegen. Es soll einer der letzten warmen Tage des Jahres werden – daher war es eine kluge Entscheidung, das Verdeck kleinzufalten. Auch wenn die Unterhaltung schwer fällt. „Sollen wir die nächste Espressobar nehmen?“, ruft Rosita fragend. „Unbedingt!“ Die beiden Siebträger sind noch nicht mal richtig eingerastet, da erzählt die Römerin bereits mit reichlich Temperament. Ihre Geschichte beginnt Anfang der 1970er-Jahre, als sie und ihr Bruder Cristiano noch Bambini waren und vor den Toren der Werkstatt ihres Vaters Alonso Corato, einem Autobauer der alten Sorte, mit Modellflitzern spielten.

In den Schuljahren wussten ihre Klassenkameraden nie genau, ob die Familie Corato stinkreich oder Teil der Mafia war – denn ihr Vater holte sie nach dem Unterricht gern in wechselnden Ferrari-Modellen ab. Vom 288 GTO bis zum Testarossa war damals alles dabei.

Es handelte sich stets um Kundenfahrzeuge, die entweder mit einer Panne liegen geblieben waren oder etwas Pflege brauchten – das Städtchen Vicenza galt in den 1970er- bis 90er-Jahren als Gold- und Juwelenhochburg, feinste Sportwagen waren gängige Straßenmode.

Zu jener Zeit kamen Rositas Vater nicht nur italienische Modelle in die Finger – und er erkannte schnell den Reiz von Porsche. Damals keimte in ihm eine Leidenschaft für die Luftgekühlten aus Zuffenhausen, die er wegen der allgemeinen Verehrung italienischer Automobile jedoch unterdrückte.

Porsche-Restaurierer, Corato, Reportage, Italien Foto: Hans-Dieter Seufert
Das tafelsilber der Familie: ein 356 Speedster.

Ganz oder gar nicht

Perfektes Timing: Die doppelten Espressi landen auf dem Tresen. Zeit, um Luft zu holen. Zeit, um zu verstehen. Da ist also dieser talentierte Autotyp, der wie sein Vater und sein Urgroßvater hingebungsvoll an italienischen Modellen schraubt. Dem Ferrari erlaubt, Pannenhilfe zu leisten. Einer, der die stolzen Alfa, die wendigen Abarth und die starken Ferrari in- und auswendig kennt. Und der schwärmt heimlich für Porsche? Verrückt!

„Am besten, wir besuchen meinen Vater in der Werkstatt, dann versteht ihr alles viel besser“, schlägt Rosita nach der Koffeinspritze vor.

Keine halbe Stunde später stehen wir vor einer großen roten Metalltür mit kleinen Glaseinsätzen. Rechts trägt ein blaues Schild die Silhouette eines 356, darüber steht mit weißen Buchstaben „Carrozzeria“, darunter „Corato“.

Ein älterer Herr öffnet die Tür. Kahler Kopf, wacher Blick, breites Lächeln, schraubstockartiger Händedruck. Es ist Rositas Vater, der mit fast 70 Jahren schüchtern durch seine Werkstatt führt. An den Wänden hängen Trophäen alter Tage, dort die Felge eines Ferrari, da die Nase eines Formel-Rennwagens. Das Zentrum jedoch bilden sieben alte Elfer und ein 356er, die sich alle in Behandlung befinden. Komplett zerlegt, genießen sie eine tief greifende Restaurierung. „Ganz oder gar nicht“, sagt Alonso Corato und bricht das Schweigen. Vermutlich ist das auch das Motto seiner eigenen Geschichte.

Porsche-Restaurierer, Corato, Reportage, Italien Foto: Hans-Dieter Seufert
Mit fast 70 Jahren mag Alonso Corato das Werkstattleben noch immer.

Ein Herz für Porsche

Wir sind im kleinen Büro angekommen, die Wände hängen voller Erinnerungen und Trophäen von bekannten Oldtimer-Rallyes. In einer Ecke stapeln sich Lenkräder von Porsche, daneben lehnen alte Fotoalben aus der Zeit mit Ferrari. Rosita und ihr Bruder Cristiano sind darauf noch Kinder, die stolz vor polierten Ferrari posieren.

Seit über 45 Jahren betreibt ihr Vater Alonso hier in Vicenza seine eigene Werkstatt. Viele italienische Sportwagen hat er gepflegt. Und doch ist er froh, nicht dem Händlerangebot von Ferrari, sondern seinem Herzen gefolgt zu sein – und sich seit 1990 mit seinen beiden Kindern um klassische Porsche zu kümmern. Was ihn daran besonders reizt? „Die Einfachheit, die Robustheit, die schlichte Eleganz.“

An seinen ersten Auftrag als Porsche-Profi kann er sich noch ganz genau erinnern, es war die sehr aufwendige und knifflige Restaurierung eines 356 Cabrio. Seitdem hat das Familienunternehmen über 50 Porsche restauriert.

Die Kunden kommen nicht nur aus Italien, sondern mittlerweile aus ganz Europa. Sie schätzen die Hingabe, mit der Alonso und seine sieben Helfer arbeiten.

Der 356 mit der Nummer 1

Und der erste Familienporsche? Darauf hat Alonso Corato bis zur Jahrtausendwende hingearbeitet. So lange dauerte die Fertigstellung des 356 Speedster, der bei genauer Betrachtung überall leicht modifiziert ist und heute locker mit 110 PS durch den Spätsommer jagt.

Meist sitzt Rosita am Steuer. Dabei klebt die Nummer 1 auf den silbernen Türen – der erste Porsche der Coratos. Wer die Geschichte dazu kennt, versteht ihren Stolz.