Kosten-Analyse Porsche 911

Was Elfer fahren wirklich kostet

Porsche fahren ist teuer, andererseits legte der 911 über die Jahre immens an Wert zu. Jeder in Wartung und Reparatur gesteckte Euro könnte gut investiertes Geld sein. Geht die Rechnung auch bei einem Exemplar im mäßigen Zustand Dreiminus auf?

Porsche 911, Seitenansicht Foto: Karl-Heinz Augustin 45 Bilder

Sie drückt mir mit einem hintergründigen Lächeln den Schlüssel in die Hand. Das Lächeln sagt deutlicher als jede Ermahnung es könnte, passen Sie gut auf ihn auf. Sie weiß, dass sie ihren Liebling weggeben muss, er ist angezählt, braucht die heilenden Hände eines Spezialisten.

Elfer mit sporadischem Service

Ich fahre zu Christoph Schlagenhauf und seiner Firma Boxer Motor nach Dotternhausen bei Balingen, der soll ihn sich mit dem untrüglichen Gespür des Spezialisten ansehen. Der Schlüssel, den ich ungewohnt links vom Lenkrad ins Schloss stecke, ist ein Nachgemachter, kein Original. Er wird zum Symbol für den Zustand des Wagens. Ich sehe ins Handschuhfach. Die Betriebsanleitung samt Pflegepass ist wellig, nur ein paar Stempel künden von sporadischem Service.

Ich fahre den silbernen Porsche 911 Carrera 3.0 ein paar Kilometer zum Kennenlernen, gewöhne mich an die stehenden Pedale, den etwas spät empfundenen Kupplungs-Druckpunkt, die langen Schaltwege. Die Gänge wollen behutsam eingelegt werden. Saskia, die Porsche-Besitzerin, hat es vorgemacht. Sie liebt ihren Porsche, fährt ihn mit Gefühl und Verstand, verhätschelt ihn aber nicht. Zwei Winter musste er anfangs durchleben, lange draußen unter der Laterne parken, pragmatische A.T.U-Pflege erdulden.

Motorölwechsel vor 35.000 km

Für Saskia gibt es wie für die meisten Frauen noch ein Leben neben dem Auto. Ich prüfe den Ölstand bei laufendem Motor und 80 Grad Öltemperatur. Es ist eines dieser vielen Elfer-Rituale, die zeigen, dass er anders ist als alle anderen Autos. Auf dem Ölfilter ist das Jahr 2006 gekritzelt und 164.774 km, auf dem Tacho des Porsche 911 stehen 199.172. Oha, einen guten halben Liter Shell 15 W 50 gieße ich nach, mehr zur Beruhigung, als dass es wirklich nötig wäre.

Öl ist dem Porsche 911 immens wichtig, da wird er zum Kontroll-Freak. Gleich drei Anzeigen überwachen den Ölhaushalt - Öldruck, Öltemperatur, Ölstand. Dass er mit seinem Lebenssaft arg kleckert, rieche ich schon, wenn ich ums Auto schleiche - der Geruch erinnert an ausgeblasene Kerzen. Am nächsten Morgen treffe ich nach 288 genussvollen Kilometern bei Boxer Motor ein - man muss den Dreiliter gar nicht hoch drehen, ich bin beeindruckt, wie er schon von unten heraus zieht, und dann dieser unnachahmliche Klang des Boxers. Saskias Elfer wirkt gut bei Kräften.

Der Porsche 911 raucht nicht, die Gänge kratzen nicht. Aber das Getriebe rasselt bei niedrigen Drehzahlen, und das Fahrwerk ist vielleicht ein bisschen weich. Er liegt mir optisch zu tief, und die schwarzen Steinschlagschutzfolien vom Turbo vor den aufreizend ausgestellten Radhäusern würde ich ihm gerne nehmen. Aber leider ist es nicht meiner.
Klar gefällt er mir, auch weil er ein Exot ist. Ein seltenes Interims-Modell - dieser Porsche 911 Carrera 3.0 -, nur drei Jahre gebaut, nur rund 2.500 Stück, Coupé und Targa. Der Block des Dreiliters besteht nicht mehr aus der anfälligen Magnesiumlegierung wie der des 2.7er, sondern aus einem Aluminiummaterial. Christoph Schlagenhauf umrundet den Wagen konzentriert, deutet auf die Rostherde um Tankklappe und an den B-Säulen, erwähnt, dass er schon mal lackiert worden ist.

Autoflüsterer am Steuer

Ich lasse den Sechszylinder an, öffne die Motorhaube, der Experte zeigt wissend auf die Ölleitungen neben dem Gebläsekasten. "Der hydraulische Kettenspanner wurde schon mal nachgerüstet. Schlagenhauf deutet auf den Ölnebel rings um den Motor, hört, ob Steuerkette oder Stehbolzen verdächtige Geräusche machen. Schlagenhauf spricht von einer gewissen Unverträglichkeit der Stahl-Stehbolzen im Alu-Block. Sie würden sich herausarbeiten aus dem Material, Falschluft im Brennraum kündige die größer werdenden Bohrungen an, und das höre man. Schlagenhauf fährt Probe. Das tut er so bedächtig und langsam, wie er spricht. Er kuppelt, schaltet, fährt untertourig, um das Getriebe, die Lager oder die Steuerkette herauszuhören, lenkt und bremst mit viel Gefühl. Er gibt hier ganz den Autoflüsterer und so gar nicht den Testfahrer, der an die Grenzen gehen will.

Nach langem Schweigen folgt sein Resümee. "Für die Laufleistung fährt sich der Wagen sehr gut, das Getriebe rasselt vor allem im dritten und fünften Gang hörbar, aber das ist normal und hier sogar weniger ausgeprägt als bei anderen, die 200.000 Kilometer gelaufen haben. Ich merke dem Elfer an, dass es jemand lange Zeit behutsam fuhr. Der Motor macht keine verdächtigen Geräusche, der Kupplungsdruckpunkt liegt etwas spät, aber ein Tausch ist noch lange nicht nötig. Doch die Stoßdämpfer an der Hinterachse sind ziemlich am Ende."

Szenenwechsel zur Boxer Motor Werkstatt

Nebenan qualmt ein Porsche 911 SC blau vor sich hin, drüben wartet ein 356 C Cabriolet auf eine neue Kupplung. Schlagenhauf übergibt an seinen Meister Heiko Getrost, der den Carrera auf die Bühne nimmt und ihn mit Klemmbrett und Stablampe durchleuchtet. Feucht glänzendes Öl umgibt den Motor an vielen Stellen - beim Öldruckschalter an den Ölrohren und den Entlüftungsrohren für den Ölkreislauf.

Aber es tropft nicht runter, selbst an den Ventildeckeln nicht, die Oberflächenspannung hält das Öl wie magisch am Metall fest. "Die alten Alu-Ventildeckel verziehen sich leicht, es gibt jetzt welche, die sind stabiler ausgeführt", rät Getrost. Ein Wärmetauscher ist an einer Seite deutlich perforiert, die Schalldämpfer sind noch gut.

Getrost wundert sich über den aufgekritzelten Ölservice und die beiden A.T.U.- Aufkleber, stellt aber fest, dass unser Porsche 911 Carrera 3.0 für sein Alter und trotz der eher sporadischen Pflege, der verbrutzelten Stabilisator-Aufnahme und des Korrosionsherdes neben dem Tankeinfüllstutzen vorne links gut in Schuss ist. Er kommt auch zu dem Schluss, dass der Motor wohl noch nicht zwecks Generalüberholung geöffnet wurde.

Elfer-Boxer mit Handlungsbedarf

Dennoch besteht gerade bei dem kerngesund klingenden Boxer des Porsche 911 Handlungsbedarf. Er muss raus, damit ihn die Mechaniker komplett abdichten können, damit die beim Elfer stets kritischen Stehbolzen überprüft und gegebenenfalls erneut werden, bevor sie sich ins Alu-Material einarbeiten und brechen.

Immerhin gibt es 24 von ihnen, für jeden Zylinder vier. "Die neueren Dilavar-Bolzen sind viel materialverträglicher und haltbarer als die Original-Stahllegierung von früher", weiß der Meister. "Natürlich sollte man auch das Ventilspiel einstellen." Ein abschließender Kompressionstest bescheinigt dem Porsche 911-Boxer gute und gleichmäßige Werte auf allen Zylindern, sie liegen bei 10 kp/cm2.

12.000 Euro für Zustand 3

Dennoch wird in der Schlussbesprechung klar, dass man inklusive Teillackierung und Sitzkosmetik 12.000 Euro hinlegen muss, um heute aus einem Dreiminus-Exemplar einen guten Dreier zu machen.

"Mit der Überholung von Motor und Getriebe kann man sich bei rund 7.000 Kilometern im Jahr Zeit lassen", meint Schlagenhauf abschließend, "300.000 Kilometer sind im bisherigen Schonbetrieb möglich."

Die Porsche 911-Spezialisten

Fünfeinhalb Stunden nahmen die Porsche-Spezialisten Heiko Getrost und Boxer-Motor-Chef Christoph Schlagenhau den vernachlässigten 76er Porsche 911 Carerra 3.0 im Dialog mit Motor Klassik-Redakteur Alf Cremers unter die Lupe. 38 Positionen standen nachher auf dem Klemmbrett, akribisch vermerkte Mängel, die keine Kleinigkeit ausließen.

Vor und nach der Begutachtung erfolgte eine lange Probefahrt, erst saß Schlagenhauf am Steuer und lauschte dem Porsche 911 Carrera Autoflüstererhaft und gezielt untertourig jede Lebensäußerung ab. Getrost widmete sich vor allem dem oberen Drehzahlbereich.