Porsche 917-Motor

Kraftwerk ohne Gleichen

Der Porsche 917 gilt als Rennwagen des Jahrhunderts, sein Zwölfzylinder ist ein Geniestreich des Motorenbaus – und in der turbogeladenen Version von 1973 immer noch der stärkste Rennmotor aller Zeiten. Eine Würdigung.

Porsche 917 (1970) Foto: Porsche 12 Bilder

Am 26. April 1976 hielt Professor Robert Eberan von Eberhorst bei einem Festakt des Verein deutscher Ingenieure einen Vortrag zum 100. Geburtstag des Otto-Motors. Es sei nun allerdings nicht genügend Raum, an alle Höhepunkte des Motorenbaus zu erinnern, sagte der ehemalige Entwicklungschef der Auto Union-Rennabteilung.

Ein „Endglied der Entwicklung“ wollte der damals 74-Jährige in seiner Rede dennoch besonders hervorheben – den 1100 PS CanAm-Motor von Porsche. „Das war natürlich ein sehr bewegender Moment“, sagt Hans Mezger, der seinerzeit das 917-Projekt betreut und auch dessen Zwölfzylindermotor konstruiert hatte.

Der 917 fährt alles in Grund und Boden

Bei seinem ersten Auftritt 1969 konnte der 600 PS starke Zwölfzylinder vor lauter Kraft kaum laufen. Kurz darauf verpasste er den Sieg an der Sarthe nur knapp wegen eines Getriebedefekts; 1970 und 1971 aber bescherte der 917 dem damals noch kleinen Sportwagenhersteller Porsche die ersten beiden von bislang 16 Gesamtsiegen in Le Mans sowie die Marken-Weltmeisterschaft. Am Ende der sechs Kilometer langen Hunaudières lagen damals laut Getriebe-Diagramm 386 Kilometer pro Stunde an.

„Wenn man an den Ferrari vorbeiging“, erinnert sich Rennfahrer Herbert Linge, „dann hat es einen Schlag getan.“ Weil er alles in Grund und Boden fuhr und nicht zu schlagen war, wurde der 917 vom Reglement verboten. Porsche fackelte nicht lange, versah den Motor mit zwei Turboladern und ging in die amerikanische CanAm-Serie – eine Rennformel, in der praktisch alles erlaubt war und die von V8- Motoren mit bis zu neun Liter Hubraum und über 800 PS beherrscht wurde.

1972 gewann Porsche fast alle Rennen, 1973 mit dem 1100 PS starken 917/30 ausnahmslos alle. Fahrer Mark Donohue hatte auf der Pole Position zeitweise über drei Sekunden Vorsprung. Dann wurde der Wagen auch in Amerika von der Rennstrecke verbannt.

Gewiss, der 917 ist ein Gesamtkunstwerk – doch das Herzstück der Gewalt ist nun einmal sein genialer Antrieb. „Es war relativ bald klar, dass wir einen Zwölfzylinder bauen werden“, erzählt Hans Mezger von den Anfängen der Entwicklung im Juni 1968 – nachdem man sich mit dem damaligen Leiter der Rennwagenabteilung, Ferdinand Piëch, zusammengesetzt und beschlossen hatte, endlich Le Mans zu gewinnen.

Der 917-Motor ist kein Boxermotor!

„Als Erstes haben wir dann zwei Konstruktionszeichnungen vom 911- Sechszylinder hintereinander gelegt und geschaut, ob es passt“, meint Mezger. Dennoch ist die gern aufgestellte Behauptung, der 917- Motor sei nichts anderes als zwei gekoppelte 911-Antriebe oder gar ein um vier Zylinder verlängerter Achtzylinder aus dem 908 schlicht Unfug: Beim intern 912 genannten Zwölfzylinder handelt es sich im Unterschied zu den bisherigen Antrieben um einen V-Motor mit Zylinderwinkel 180 Grad. Das spart zum einen Baulänge, weil der Versatz der linken zur rechten Zylinderreihe nun lediglich einer Pleuellagerbreite entspricht und nicht dem halben Zylinderabstand.

Vor allem aber benötigt ein V12 gegenüber einem Boxermotor lediglich sechs Pleuel und acht Hauptlagerzapfen anstelle von 12 beziehungsweise 14 – zudem können die Durchmesser der Pleuelzapfen bei gleicher Beanspruchung etwas verringert werden. Da nun auch der nötige Öldruck geringer ausfallen kann, reduziert dies zusammen mit den kleineren Lagern die Reibungsverluste erheblich.

Die Erfolgsgeheimnisse des 917-V12

Porsche 917-037 Claudio Roddaro Foto: Jonathan Ho/Porsche
Der 917-Motor hat zwei Vorteile: einen ausgeglichenen Ölhaushalt und die Bauweise mit Mittelabtrieb.

„Der Ölhaushalt des Zwölfzylinders ist vorbildlich“, erläutert Mezger, „er besitzt von allen bis dahin gebauten Motoren den besten Wirkungsgrad.“ Dazu kommt, dass Mezger die Panschverluste so weit als möglich minimieren konnte: Während die Schmierstellen von einer Druckpumpe versorgt werden, saugen sechs Pumpen (je zwei im Kurbelgehäuse und eine an jedem Ende der beiden Auslassnockenwellen) das überflüssige Öl wieder ab und befördern es zurück in den Tank der Trockensumpfschmierung. Die geringen Reibungs- und Panschverluste sind somit auch eines der Erfolgsgeheimnisse des Zwölfzylinders.

Das andere, noch wichtigere, ist der Mittelabtrieb: Die Antriebskraft wird nicht an einem Kurbelwellenende, sondern in der Mitte abgenommen und per Zahnrad auf eine Zwischenwelle übertragen. „Versuche hatten ergeben, dass die Kurbelwellenmitte einen Schwingungsknotenpunkt darstellt und absolut frei von Verdrehschwingungen ist“, erklärt Mezger.

Zusatznutzen neben der Abwesenheit störender Vibrationen: Bei dieser Bauart lässt sich von beiden Seiten Öl in die Kurbelwelle einbringen, was die Schmierung weiter verbessert. Nur logisch war es nun, den Mittelabtrieb auch zum Antrieb der je zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderreihe mittels Stirnrädern sowie für die Antriebswelle des Kühlluftventilators zu verwenden. Dieser schaufelt bei 8.400 Umdrehungen pro Sekunde 2.400 Liter Luft durch Zylinder und Köpfe und schluckt dabei 17 PS – was lediglich drei Prozent der Gesamtleistung entspricht.

Der Rest des Motors entspricht typischen Porsche-Tugenden: Das Magnesiumgehäuse wurde im Sandgussverfahren gegossen, alle zwölf Zylinder sind einzeln montiert. Bei den Zweiventilköpfen mit je zwei Zündkerzen handelt es sich ebenfalls um Einzelteile, die aber mit den Nockenwellengehäusen zu einem Bankett vormontiert werden.

Neue Materialien im Versuchsstadium

Völlig neu waren damals einige der verwendeten Materialien: Bei den Zylindern kamen erstmals im Rennmotorenbau Nikasil-Laufbuchsen zum Einsatz, die Pleuel bestehen aus Titan. „Damals wusste in Deutschland niemand, wie man das händelt“, lächelt Mezger.

Weil zunächst die bekannten Zylindereinheiten des 908 verwendet wurden, summierte sich der Hubraum der ersten Motoren auf 4,5 Liter. „Dafür hatten wir eine Leistung von 520 PS berechnet – tatsächlich hatten wir nach zwei Tagen auf dem Prüfstand bereits 540 PS“, berichtet Mezger. Nach weiteren Prüfstandssitzungen und Justierungen an der Zwölfstempel-Einspritzanlage zeigte der Prüfstand am Ende 580 PS; die durch größere Bohrung und längeren Hub auf fünf Liter angewachsene spätere Version kam auf 630 PS. Genug, um die Konkurrenz in Angst und Schrecken zu versetzen.

Bei Rennen ging nie etwas in die Brüche

Porsche 917, V12, Motor Foto: Archiv
Auf dem Prüfstand lief der Motor auch unter Volllast ohne Probleme.

Interessant erscheint neben der fulminanten Leistungsausbeute vor allem die Robustheit der Konstruktion: Auf dem Prüfstand lief der Zwölfzylinder problemlos 20 Stunden unter Volllast. Im Rennen ging nie etwas in die Brüche, und nach dem Einsatz genügten neue Lager, Kolben, Ventile und Federn, dann war der Motor wieder einsatzbereit. Wie unverwüstlich der Zwölfzylinder wirklich ist, zeigte sich schließlich beim Einstieg von Porsche in die CanAm-Serie.

Mit der Abgas-Turbo-Aufladung betraten die Stuttgarter absolutes Neuland, doch auch davon und von den nun folgenden Leistungsorgien zeigte sich der Motor völlig unbeeindruckt. Mechanisch veränderte Mezger lediglich den Einlass-Nocken, vergrößerte den Hubraum auf 5,4 Liter und verringerte die Verdichtung von 10,5 auf 6,5. Dazu wurde das Kühlluftgebläse der veränderten Leistung angepasst und presst nun 3.100 Liter Luft pro Sekunde durch die Kühlrippen.

Der Porsche 917-Motor leistet kurzzeitig 1.500 PS

So gerüstet, leistete der Zwölfzylinder in der Saison 1973 standfeste 1.100 PS bei 1,3 bar Ladedruck und verkraftete auch Drehungen des Fahrers am Turbo- Dampfrad mit resultierender weit höherer Leistung – man spricht von kurzzeitig 1.500 PS – völlig klaglos. Damit war der 917/30 so überlegen, dass der Motor erst für einen Rekordversuch 1975 einen Ladeluftkühler erhielt. „Vorher war es nicht notwendig – wir hatten auch so alle Rennen gewonnen“, grinst Mezger.

Mit dem Ladeluftkühler jedenfalls umrundete Mark Donohue den Talladega Superspeedway mit einem Schnitt von 355,78 km/h – Weltrekord. Kein Wunder also, dass man an amerikanischen Rennstrecken nach wie vor T-Shirts kaufen kann mit dem Aufdruck: „1973 war der 917/30 mit seinem 1.100 PS starken Zwölfzylinder der stärkste Rennsportwagen der Welt. Er ist es noch heute.“ Von welchem Wagen kann man das sonst sagen? 

Der Konstrukteur des Porsche 917-Motors: Hans Mezger

Hans Mezger Porsche 1970 Foto: Porsche
Hans Mezger konstruierte den Motor des Porsche 917.

Der passionierte 911-Fahrer (er bewegt neben einem aktuellen Carrera auch ein Modell von 1977) wurde 1929 geboren und gehört zu den Vätern des Erfolges der Marke Porsche. Als der Schwabe nach dem Ingenieurstudium an der Universität Stuttgart sein Diplom erhielt, hatte er 28 Jobangebote – allerdings keines von Porsche. Dort wollte Hans Mezger aber hin, also bewarb er sich eben und nahm im Oktober 1956 in Stuttgart-Zuffenhausen seine Arbeit auf.

Dort befasste er sich zunächst mit dem Königswellenmotor und stieg 1962 in die Entwicklung des 911-Antriebs ein. Der Sechszylinder ist somit ebenso sein Werk wie der 917-Motor und der TAG Turbo-Formel 1 aus den Achtzigern – jedes
einzelne dieser Meisterwerke würde ausreichen, um auf ein erfolgreiches Leben blicken
zu können.

Daten und Fakten zum Porsche 917

Motor: (917-Saugmotor, Werte für 917/30 in Klammern): Zwölfzylinder-Viertakt-V-Motor, Zylinderwinkel 180 Grad, Bohrung x Hub 86,8 x 70,4 mm, Hubraum 4999 cm3, Verdichtung 10,5 :1, Leistung 630 PS bei 8300/min (ursprüngliche Variante 85 x 66 mm, 4494 cm3, 580 PS, 917/30: 90 x 70,4 mm, 5374 cm3, 6,5 :1, 1100 PS bei 7800/min), maximales Drehmoment 60 mkg bei 6500/min (917/30: 112 mkg bei 6400/min), Motorgehäuse aus Magnesium, zwei V-förmig hängende Ventile je Brennraum, über je zwei obenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen pro Zylinderreihe direkt betätigt, Kurbelwelle achtfach gleitgelagert, Mittelabtrieb, Gemischaufbereitung über mechanische Bosch-Benzineinspritzung (917/30: zwei Abgas-Turbolader, Ladedruck 1,3 bar), Doppelzündung, Zündfolge 1-9-5-12-3-8-6-10-2-7-4-11, Luftkühlung über  wellengetriebenes Gebläse, Trockensumpfschmierung, eine Druckpumpe, sechs Absaugpumpen, Ölinhalt 24 Liter, Gewicht 260 kg (917/30: 285 kg)

Kraftübertragung: Dreischeiben-Trockenkupplung, voll synchronisiertes Vier- oder Fünfganggetriebe (917/30: Vierganggetriebe), Lamellen-Sperrdifferenzial (917/30: starrer Durchtrieb), Hinterradantrieb Karosserie/Fahrwerk: Gitterrohrrahmen mit aufgeklebter Kunststoff-Karosserie, Einzelradaufhängung rundum an doppelten Querlenkern und Längsschubstreben, Schraubenfedern und hydraulische Teleskop-Stoßdämpfer, Querstabilisatoren, Zahnstangenlenkung, Hydraulische Scheibenbremsen, Leichtmetall-Felgen, vorn 10,5 x 15 oder 12 x 15 Zoll, hinten 15 x 15 oder 17 x 15 Zoll (917/30: 12 x 15 und 19 x 15 Zoll), Kraftstofftank 140 Liter

Maße/Gewicht: Länge/Breite 4.140/1.975 mm, Höhe 920 mm, Radstand 2.300 mm, Spurweite vorn/hinten 1.526/1.533 oder 1.564/1.584 mm, (917/30: 4.562/2.085 mm, Höhe 1.155 mm, Radstand 2.500 mm, Spur vorn/hinten 1.670/1.564 mm), Gewicht 800 kg
Höchstgeschwindigkeit: Bis zu 386 km/h (in Le Mans, 917/30: 382 km/h in Talladega).