Louwman Museum Den Haag

In bester Gesellschaft

Das Louwman Museum steht in direkter Nachbarschaft zu Königin Beatrix‘ Wohnsitzin Den Haag. Evert Louwman hat ein einzigartiges Museum errichtet - eine Kathedrale der Automobilkultur.

Louwman Museum in Den Haag, Innenraum Foto: Hans-Dieter Seufert 30 Bilder

Neuen Nachbarn gratuliert man zum Einzug, da macht Beatrix Wilhelmina Armgard keine Ausnahme - man weiß schließlich, was sich gehört. Und so fand sich zur feierlichen Eröffnung des Louwman Museums im Juli neben den üblichen Verdächtigen ganz selbstverständlich auch die niederländische Königin im nebenan liegenden Leidsestraatweg 57 in Den Haag ein und wünschte artig alles Gute.

Königlicher Besuch zur Eröffnung

"Nach der Eröffnungsrede stand die Königin dann mit Evert Louwman, Museumsdirektor Ronald Kooyman und mir am Stehtisch und amüsierte sich prächtig über unsere gegenseitigen Scherze", erzählt Uli Hack. Der Freiburger Künstler hat die vergangenen Jahre damit zugebracht, zusammen mit Louwman und Kooyman das Museum auszugestalten; Kooyman ist sogar bereits seit acht Jahren dabei: "Damals gab es hier nichts als Sand", sagt TR3- Fahrer Kooyman.

Sand in bester Lage der niederländischen Hauptstadt allerdings, denn die Königin wohnt tatsächlich auf dem Anwesen nebendran. Und dass Evert Louwman hier überhaupt eine Baugenehmigung bekommen hat, lag wohl vor allem an der Einzigartigkeit seines Vorhabens und seiner Automobil-Sammlung. Diese Kollektion überzeugte auch den amerikanischen Architekten Michael Graves: "Er sah die Sammlung und sagte: 'ich würde liebend gern etwas dafür bauen'", erinnert sich Kooyman.

Was der Goldmedaillen-Träger des American Institute of Architects daraufhin zeichnete, können die Autofahrer nun an der Ausfallstraße von Den Haag Richtung Amsterdam täglich bewundern: Einen U-förmigen Komplex aus typisch holländischen, roten Ziegeln, 90 Meter lang, 85 Meter breit und 15 Meter hoch, dessen spitze Dächer schon von außen an eine Kathedrale erinnern. Davor ein kleiner See, dahinter ein unvermeidlicher Kanal, rechts und links Wald.

Älteste Privatsammlung der Welt

Innen verteilen sich rund 60.000 Quadratmeter auf drei Ebenen, und darauf stehen exakt 230 äußerst sorgfältig ausgewählte Automobile. "Wir wollen eine Übersicht über alle Autos zeigen, Autos unterschiedlicher Perioden, Herkunft, Karosserie und Technik", erläutert Kooyman. Weshalb Evert Louwman in der Vergangenheit auch die eine oder andere Sammlung - etwa die Rosso-Bianco-Collection - erworben hat, um an fehlende Exemplare für sein Ideal zu kommen, und dann den Rest wieder veräußerte.

Diese Sammelleidenschaft ist dem 70-Jährigen wohl in die Wiege gelegt worden: Vater Pieter Louwman betrieb einst in Den Haag zusammen mit einem Partner ein Importgeschäft für die amerikanische Marke Dodge, nahm 1934 einen 20 Jahre alten Typ 30 in Zahlung und stellte ihn ins Schaufenster - woraufhin viele Käufer neuer Autos ein älteres Vehikel zu Louwman schleppten. "Das war im Prinzip der Beginn der Sammlung", sagt Kooyman, "die damit die älteste private Auto-Sammlung weltweit ist."

Nachbauten dürfen nicht ins Louwman-Museum

Das originale Ladenschild des Dodge-Importeurs Louwman & Pouqui befindet sich übrigens samt Ladenfront im Museum auf einem kleinen, überdachten Platz, auf dem es auch eine Cafeteria mit Espresso für 2,30 Euro oder hausgemachte Suppe plus Sandwich für 6,50 Euro gibt. "Das gesamte Material hier - das Pflaster, die Läden, die alte Werkstatt eines Kutschenbauers - das ist alles echtes Material aus der Gegend, schließlich sind die Autos auch echt", sagt Uli Hack. Das wiederum entspricht genau der Philosophie des Hausherrn: "Ich mag keine Nachbauten", meint Evert Louwman.

Ein Nachbau indes steht, gewissermaßen augenzwinkernd, gleich in der Eingangshalle, deren hölzerner Dachaufbau einmal mehr an eine Kathedrale erinnert: Hier sollen verschiedene Fahrzeuge die unterschiedlichen Autonationen symbolisieren, ein DAF 600 etwa Holland, ein Mercedes-Benz 600 Deutschland und ein Jaguar XK 120 England. Und für China steht dort eben ein Shanghai SH760: die hoffnungslose Kopie eines Ponton-Mercedes. Für den eigentlichen Rundgang fährt der Besucher nun in den zweiten Stock, und wenn sich die Aufzugtüren öffnen, sieht er den besten Beweis für Louwmans Liebe zur Patina: eine unrestaurierte spanische Kutsche von 1775. "Und der Holzboden, auf dem sie steht, stammt aus einer alten Turnhalle", sagt Hack.

Von den Flegeljahren des Automobils bis zum 2004er Prius

Auf die Kutsche folgt einer der Abschnitte, die Evert Louwman am meisten am Herz liegen: die Flegeljahre des Automobils, die umfangreichste Sammlung von Autos bis 1910. Sie beginnt mit dem zweitältesten erhaltenen Automobil überhaupt, einem De Dion, Bouton et Trépardoux von 1887. Es folgen etliche zum Teil sehr wunderliche Konstruktionen wie der Thirion Modèle No.2 von 1875 mit Dampfantrieb, der an eine rollende Brauerei erinnert. Oder der Sunbeam-Mabley von 1901, bei dem die vier Räder etwas unorthodox verteilt sind - je eines vorn und hinten sowie eines rechts und links. Wie das fährt, ließe sich im Prinzip ausprobieren, denn alle Automobile der Louwman-Sammlung sollen fahrbereit sein.

Auf die Frühphase folgt eine umfangreiche Benz-Ausstellung, angefangen natürlich bei der Rekonstruktion eines Dreirads. Dann geht es durch die Jahrzehnte - jeweils mit Autos, Motorrädern sowie viel liebevoll ausgesuchtem Zeitkolorit wie Gotschke-Bildern, Fahrer-Anzügen oder Spielzeug. Irgendwann landet man auch beim 1934 in Zahlung genommenen Dodge; in der Nähe stehen die Elektround Hybridfahrzeuge mit einem Woods Dual Power von 1917 und einem Toyota Prius von 2004 - schließlich verdient Evert Louwman sein Geld unter anderem als Toyota- und Lexus-Importeur.


Zu jedem Exponat weiß der Hausherr eine interessante Geschichte zu erzählen. Und wenn ihn ein Fahrzeug wirklich begeistert, dann sprudelt es nur so aus dem elegant gekleideten 70-Jährigen heraus: "Dieser Briggs & Stratton Flyer von 1920 etwa hat ein fünftes Antriebsrad hinten, das lässt man einfach ab, und dann macht es puputputput. Auch die Bremse ist toll - das hintere Schutzblech wird einfach aufs Rad gerückt."

Leicht entflammbar ist Louwman auch in der großen Kunstsammlung mit Gemälden und Plastiken zum Thema Automobil und Geschwindigkeit. "Schauen Sie, das ist wunderbar gemacht", sagt er zum Bild eines Bentley in haariger Situation, "da fühlt man mit, aargh, die alte Bremse!" Auch bei den Skulpturen bleibt er alle paar Meter begeistert stehen: "Schauen Sie, durch das Automobil hatten die Künstler erstmals Geschwindigkeit gesehen und wollten sie darstellen“, meint er.

Und immer wieder die Autos, etwa der Napier 100 HP vom Gordon Bennet-Rennen 1903, das erste Auto in British Racing Green. „1903 so weit zu fahren, fast ohne Bremse, und der 13-Liter-Vierzylinder macht puffpuffpuff, das ist volle Kraft“, schwärmt Louwman. Oder der blaue Alfa 8C 2300 LM von 1933 - „fährt wahnsinnig, und der Motor klingt wie Tschaikowski, so schön.“ Louwmans Lieblingsauto aber ist der rote Mercedes-Benz SSK, den er vor kurzem aus der Milligen-Sammlung erwerben konnte, und mit dem er dieses Jahr die Mille Miglia gefahren ist. „Das ist der originalste seiner Art, er klingt wie eine Trompete, das Auto ist der Wahnsinn“, sagt er mit leuchtenden Augen.

Leuchtende Augen hat auch der Besucher, wenn er nach dem Rundgang über die drei Ebenen, nach den Rennwagen, den Luxusautos, den französischen Carossieres, den holländischen Spykern oder etwa dem exzentrischen Schwan-Auto (eines nicht minder exzentrischen Engländers aus Kalkutta) schließlich wieder auf dem historischen Platz mit der Cafeteria landet: Die Louwman Sammlung ist einmalig, und noch nie wurden Autos in dieser Form präsentiert. Auf nach Den Haag also. Und nicht wundern, wenn Sie im Museum auf einmal einer sehr elegant gekleideten Dame begegnen: Es ist vermutlich nur die Nachbarin, die mal wieder vorbeischaut.