Audi-Entwicklungsvorstand Peter Mertens

Brauchen e-tron GT mit Porsche Mission-E-Technik

Der Entwicklungsvorstand von Audi, Peter Mertens, spricht über Geld, Organisation, die richtige Strategie bei Antrieben, hinterfragt das Streben nach Perfektion und einen Elektrosportwagen mit Technik von Porsches Mission E sowie elektrifizierte RS-Modelle.

Audi e-tron GT Foto: Schulte 38 Bilder
Peter Mertens Foto: Volvo
Peter Mertens, Entwicklungsvorstand von Audi.

Audi plant einen starken Elektro-Sportler, der auf dem spektakulären Porsche-Modell Mission E basiert. Das hat Audis Entwicklungsvorstand Peter Mertens gegenüber auto motor und sport angekündigt. Nach Informationen von auto motor und sport wird der e-tron GT (arbeitstitel) das Unterflur-Batteriepaket des fast serienreifen Mission E mit einer Kapazität von mindestens 100 Kilowattstunden nutzen.

Damit wird der e-tron GT sogar die Fahrleistungen des RS 7 übertreffen. Audi will den e-tron GT als Modell der sportlichen Tochtermarke Audi Sport anbieten, deren Modellpalette weiter ausgebaut wird.

Hier das ganze Interview:

Wie geht es Ihnen nach sechs Monaten Audi?

Mertens: Zunächst einmal fühlt es sich schon wesentlich länger an. Es macht Spaß, ist aber auch enorm anstrengend aufgrund der Komplexität sowie der Situation, in der wir uns befinden und aus der wir nun allmählich herauskommen. Audi befindet sich in einem Umbruch, und da bin ich natürlich stark gefordert. Dabei ist es nicht immer ganz so einfach, die Mannschaft von Änderungen zu überzeugen. Wenn sie dann allerdings losmarschiert, beeindruckt mich immer wieder die Wucht, mit der das passiert. Jetzt, nach sechs Monaten, verstehen mich meine Mitarbeiter immer besser und wissen, dass wir Dinge dramatisch verändern müssen. Ich versuche, Entscheidungen an die Kollegen zu delegieren, die in den jeweiligen Bereichen die Kompetenz haben. Und sie warten nicht mehr auf einen Entscheider, packen vieles selbstständig an. Eine tolle Truppe, wirklich.

Audi lernt von Ihnen also Organisation. Und was haben Sie von Audi gelernt?

Mertens: Ich lerne viel Neues über Technologien, mit denen ich mich bislang nicht im Detail auseinandergesetzt habe. Was beispielsweise mit Erdgas möglich ist, fasziniert mich. Ich fange auch an, mich deutlich mehr mit der Brennstoffzelle zu beschäftigen als früher. Dann ist da noch die Art, wie hier Probleme angegangen werden. Als ich zu Volvo kam, war das Unternehmen extrem prozessorientiert, bei Audi steht klar das Produkt im Vordergrund. Ich versuche nun, Strukturen zu etablieren, dadurch Audi zu helfen, schneller, effizienter, qualitativ besser und transparenter zu werden.

Stichwort Antriebe: Nächstes Jahr kommt der e-tron Quattro. Kann ein zwei Tonnen schwerer Elektro-SUV die Lösung aller Probleme sein?
Audi E-Tron Quattro Concept Foto: Newspress
Audi E-Tron Quattro: Großer SUV mit reinem Elektroantrieb.

Mertens: Es ist natürlich nicht die Lösung aller Probleme, sondern ein Teil der Lösung. Wir glauben, damit eine Klientel anzusprechen, die eher bereit ist, den Schritt zur Elektromobilität zu gehen, als das derzeit in anderen Segmenten der Fall ist. Mit der aktuell verfügbaren Batterietechnologie gibt es eben einfach Grenzen bei Gewicht und Kosten. Dennoch glauben wir an die Elektrifizierung. Der Konzern investiert massiv in zwei Architekturen. Wir glauben aber nach wie vor auch an Diesel und Benzin. Zudem nehmen wir – wie der ganze Konzern – Gas sehr ernst. Und wir glauben auch an die Brennstoffzelle. Das ist ein sehr breites Portfolio, daher sind die angesprochenen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung dringend nötig. Da sind 30 Prozent drin, das garantiere ich.

Ein Audi-Manager sagte mal, dass das Unternehmen nun lernen muss, nicht mehr nur deshalb besondere technische Lösungen zu entwickeln, weil man es kann. Schluss damit?

Mertens: Ja, das ist perfekt auf den Punkt gebracht. Wir müssen nicht in allen Kriterien die Besten sein, sondern in den für uns wichtigen. Damit müssen wir unseren Produkten wieder mehr Charakter geben. Beispielsweise beim Design. Da wollen wir nicht mehr so zurückhaltend sein. Darüber hinaus wollen wir uns auf Themen konzentrieren wie nachhaltige Sportlichkeit, also Sportlichkeit bei der Elektromobilität und dem autonomen Fahren. Das Thema Interieur müssen wir wieder stärker in den Fokus rücken, der A8 macht da den Anfang. Das müssen wir auf die gesamte Palette ausdehnen. Auch bei der Konnektivität und der Bedienung sehe ich noch Verbesserungspotenzial.

Was ist denn „nachhaltige Sportlichkeit“?

Mertens: Es ist ein Fahrwerks- und Antriebsthema, und das eben in Verbindung mit Elektromobilität als ersten Schritt. Wir fangen mit Mildhybrid an, das werden alle unsere Baureihen haben. Die helfen ein bisschen bei der Fahrdynamik, vor allem aber bei den Emissionen. Welche Rolle in Zukunft die Querbeschleunigung spielt, muss man sehen. Vielleicht ist Längsbeschleunigung wichtiger, wobei das in den einzelnen Märkten variiert.

Nun, der RS 5 kommt dieser Ausrichtung ziemlich nahe …
Audi Aicon Foto: Stefan Baldauf / Guido ten Brink
Audi Aicon Studie.

Mertens: Na ja, der kann schon ganz gut Kurven nehmen. Aber bei diesem skizzierten Spagat haben wir aktuell auch noch nicht jedes einzelne Attribut klar definiert. Klar allerdings ist, dass unser großes Ziel ist, ein Fahrzeug wie den auf der IAA gezeigten Aicon in Serie zu bauen – und zwar nicht erst 2028, sondern mittelfristig.

Das heißt 2024?

Mertens: Ja.

Bis dahin müssen Sie ja auch noch mit unzähligen Regierungen verhandeln, um autonom fahrende Autos auch verkaufen zu dürfen …

Mertens: Das sind hoffentlich nicht einzelne Regierungen. In den USA gibt es eine gute Initiative. Ich hoffe, dass in Europa auch was geht. Und in China tut es irgendwann mal einen Schlag, dann sind die Weichen gestellt. Der Aicon wird sich auch stufenweise entwickeln. Das Konzept kann ja derart modular aufgebaut sein, dass er zunächst mal mit Pedalerie und Lenkrad anfängt und sich dann zum Level 5 weiterentwickelt.

Bedeutet das für den Aicon, dass er zunächst mit einem Verbrennungsmotor kommt?

Mertens: Nein, ganz sicher nicht. Den gibt es dann mit einer Feststoffbatterie, er fährt autonom und vollelektrisch mit einer Reichweite von 800 Kilometern.

Müssen Sie in jedem Auto alles anbieten?

Mertens: Die höchste Intensität kommt derzeit natürlich der Entwicklung der Elektromobilität zu. Und langfristig glauben wir durchaus ernsthaft, dass die Brennstoffzelle eine Lösung ist. Da müssen wir aufholen, da sind uns andere voraus. Es ist sehr verlockend, beide Konzepte zu verbinden. Nehme ich die Brennstoffzelle sozusagen als Range Extender, reicht eine kleinere Batterie. Die Batterie ist derzeit der größte Kostenfaktor.

Toyota will bereits Anfang des nächsten Jahrzehnts Brennstoffzellenfahrzeuge am Fließband produzieren. Kann Audi das ebenfalls?

Mertens: Nein, das wird zunächst eine Kleinserie sein, die in Handarbeit entsteht. Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass wir in den nächsten fünf Jahren 100.000 Brennstoffzellenfahrzeuge produzieren. Ich bin seit 30 Jahren in der Branche und höre seither, dass die Brennstoffzelle in zehn Jahren kommt. Das ist nicht passiert. Und das passiert in großen Stückzahlen auch nicht bis 2023. Auf lange Sicht aber schon. Die Stärke des Konzerns ist, dass wir uns die Arbeit an den einzelnen Technologien aufteilen können. Das bezieht sich nicht nur auf Antriebe, sondern auch auf einzelne Komponenten. Bei der PPE (Premium Platform Electric) beispielsweise ist Porsche für die Hinterachse verantwortlich. Die zuständigen Ingenieure berichten aber für bestimmte Projekte an meine Organisation. So etwas hat es im Konzern noch nie gegeben.

Wäre das dann der nächste RS 6 oder R8?

Mertens: Weder noch. Eher ein sehr eigenständiges viersitziges und leistungsstarkes Elektromobil mit einer atemberaubenden Formensprache.

Wenn das schon der Knaller ist, braucht dann Audi noch einen R8 als Imageträger?

Mertens: Den finde ich generell schon wichtig. Wir definieren uns stark über Sportlichkeit, Motorsport, aber auch über Fahrzeuge wie einen angedachten – nennen wir ihn mal – e-tron GT. Und in Zukunft wird es auch elektrifizierte RS-Modelle geben. Der R8 ist auf meiner Prioritätenliste daher nicht ganz oben. Allein im nächsten Jahr erneuern wir sechs Hauptbaureihen, haben in den nächsten zwei Jahren insgesamt 50 Produktneuheiten, stehen also alle drei Wochen in irgendeinem Werk und geben ein Fahrzeug frei.

Welcher Audi soll denn einmal als Mertens-Audi bekannt werden?

Mertens: Das wäre wohl der Aicon, denn der repräsentiert den neuen Audi. Ein Fahrzeug, das konsequent auf einen sehr spitzen Anwendungsbereich konzipiert ist, nämlich das Pendeln mit einem autonom und elektrisch fahrenden Premium-Produkt.

Wirklich ein sehr spitzer Anwendungsbereich …

Mertens: Natürlich. Davon wird es künftig sogar noch mehr geben – neben den klassischen, die beispielsweise durch einen A6 abgedeckt werden. Der Grund dafür sind die neuen Mobilitätskonzepte, Carsharing und so weiter.

Würden Sie Ihren Aicon wildfremden Menschen überlassen?

Mertens: Klar, die können ja nichts kaputt machen, der fährt ja autonom.

Aber sie krümeln ins Premium-Interieur.

Mertens: Das stimmt allerdings. Aber der Aicon soll ja auch kein Robotaxi werden. Da gibt es dann sicher andere Angebote.

Vita Peter Mertens

Geboren 31. März 1961
1985–90 Abteilungsleiter Technologietransfer, Uni Kaiserslautern, Promotion zum Dr.-Ing.
1990–2002 Diverse Positionen innerhalb der heutigen Daimler AG
2002–2010 Diverse Positionen bei Opel und General Motors Europe
2010–2011 Leitung Corporate Quality Tata Motors Group
2011–2017 Senior Vice President R & D Volvo Car Group
seit Mai 2017 Entwicklungsvorstand der Audi AG