Scottsdale-Auktionen 2014

Patina schlägt Concourszustand

Auch die Flügeltürer-Szene wandelt sich: Auf der Motorshow Essen offerierte der deutsche SL-Spezialist HK Engineering einen unrestaurierten Mercedes-Benz 300 SL Coupé. Beim ersten großen Auktionsspektakel des Jahres in Arizona stach jetzt ein nicht restaurierter Flügeltürer ein vergleichbares restauriertes Modell aus.

Mercedes-Benz 300 SL Foto: Pawel Litwinski ©2013 Courtesy of RM Auctions 35 Bilder

Wohl nie zuvor kam es zu so einem direkten Duell von zwei vergleichbaren Modellen: sowohl der patinierte wie auch der edel restaurierte Mercedes-Benz 300 SL stammen aus dem Baujahr 1956, beide sind in der seltenen Farbe Schwarz lackiert. Das unrestaurierte Exemplar erzielte entgegen der Erwartungen des Auktionators Gooding & Company den wesentlich höheren Preis: Mit 1,9 Millionen US-Dollar (umgerechnet 1,4 Millionen Euro) übertraf das Höchstgebot deutlich den Schätzwert um eine halbe Million US-Dollar.

Rarität in Patina

Der unrestaurierte, von Gooding angebotene 300 SL (Chassisnummer 198.040.6500299) ist einer von nur 108 Flügeltürern, die vom Werk in Schwarz (Interner Farbcode DB40) ausgeliefert wurden. Die Inneneinrichtung ist in rotem Leder ausgeführt. Auf umgerechnet rund eine Million Euro hatte das Auktionshaus den Wert dieses Flügeltürers geschätzt, welcher am 16. April 1956 seinen Weg von Stuttgart nach Los Angeles antrat. Fast sechs Jahrzehnte später nach der ursprünglichen Auslieferung an einen Ingenieur aus Inglewood im Großraum Los Angeles ist er aber dank seines Zustands 400.000 Euro mehr wert.

30 Jahre Dornröschenschlaf

Über den Zweitbesitzer gelangte der gebrauchte Sportwagen in den Besitz eines Gullwing-Enthusiasten, der den Mercedes 300 SL bis 1983 fuhr, ihn dann abmeldete und in einer Garage abstellte. Nach 30 Jahren Dornröschenschlaf rollte dieser Flügeltürer jetzt wieder ins Rampenlicht, einschließlich der originalen Werkzeugtasche, der Verpackungssäcke für die demontierbaren Seitenscheiben, den originalen Kennzeichen „G 300SL“ des US-Staats Kalifornien sowie einem Inspektionsaufkleber der California Highway Patrol.

Rekordpreis

In dieser Konstellation rückt der Preis für diesen unrestaurierten Mercedes-Benz 300 SL Coupé von 1956 sehr dicht an den Flügeltürer-Rekord: Den hält immer noch der silberne 300 SL mit der Chassisnummer  198.040.4500129: das ehemalige, nur wenig gefahrenen Auto von Hollywood-Schauspieler Clark Gable aus dem Erstbaujahr 1954. Dafür zahlte ein Sammler in Scottsdale 2012 umgerechnet mehr als 1,7 Millionen Euro ($ 2,2 Millionen). Neben dem Promiaufschlag sprach für dieses Angebot das Baujahr: Im Premierenjahr baute Mercedes nur 146 Flügeltürer.

1,25 Millionen Euro

Wie auf dem US-Markt üblich wurde dem restaurierten Flügeltürer im Concours-Zustand von Gooding der höhere Wert zugesprochen: Der Verkaufspreis von umgerechnet 1,04 Millionen Euro ($ 1.402.500) lag im Rahmen der Erwartungen (Estimate: 1,35 bis 1,7 Millionen Dollar). Es ist offenbar auch nur ein kleiner Schönheitsfehler, dass bei der Restaurierung 2007 die Wagenfarbe und die Inneneinrichtung geändert wurden. Statt der roten Außenlackierung und grünem Tartanstoff für die Inneneinrichtung erstrahlt der 1956 nach Toronto ausgelieferte Mercedes-Benz 300 SL heute im seltenen Schwarz mit rotem Lederinterieur.

Ausstellungswagen

Neben Gooding  versteigerten auch RM Auctions und Bonhams je einen Mercedes-Benz 300 SL Coupé im restaurierten Zustand. RM verkaufte den Ausstellungswagen vom Turiner Automobilsalon 1956 (Chassisnummer 198.040.6500052) für umgerechnet 956 500 Euro ($ 1 292 500)  und blieb damit ebenfalls im Rahmen des Schätzwerts. Das Auto wurde aufwändig restauriert. Es wurde zwar in der Originalfarbe Silbergrau  lackiert, hat aber jetzt eine blaue statt der originalen roten Inneneinrichtung. Dafür verfügte dieser Flügeltürer seit dem ersten Auftritt in Turin über die heute sehr begehrten Zentralmutterfelgen von Rudge. Der von Bonhams ebenfalls in Scottsdale versteigerte 300 SL aus dem Baujahr 1955 erreichte einen Preis von umgerechnet 794 633 Euro ($ 1 078 000).

Gradmesser

Die ersten wichtigen Auktionen des neuen Jahres dienen als erster Gradmesser für 2014. Spitzenexemplare des Mercedes-Benz 300 SL Coupé mit Stahlkarosserie können die Schallmauer von einer Million Euro knacken. Eine Trendwende scheint das recht hohe Ergebnis für den unrestaurierten Flügeltürer aus dem Baujahr 1956 zu markieren: Die wenigen unrestaurierten und mit Patina gut erhaltenen Exemplare scheinen bei Sammlern deutlich höher im Kurs zu stehen.

Weltrekorde 

Ein weiterer Trend: Coupés stehen so hoch im Kurs wie 300 SL Roadster. Für umgerechnet 1.058.200 Euro ($ 1.430.000) verkaufte Gooding in Scottsdale das teuerste Exemplar des offenen Supersportwagens: ein weißer Mercedes-Benz 300 SL Roadster aus dem Jahr 1959, welcher ursprünglich in Silbergrau an den Mercedes-Händler in Bahrain ausgeliefert wurde. Dieser Wagen wurde 2010 in den USA restauriert. Die weiteren in Scottsdale angebotenen Mercedes-Benz 300 SL Raodster erzielten Preise von umgerechnet 773.000 ($ 1.045.000) bis 912.000 Euro ($ 1.237.500).

Die kalifonischen Auktionatoren von Gooding sorgten im 2013 für den bislang höchsten Zuschlag für einen Mercedes-Benz 300 SL Roadster. Für ein Exemplar aus dem ersten Baujahr 1957 erzielten sie umgerechnet 1,19 Millionen Euro.

Vor 60 Jahren

Am 6. Februar 1954 feierte der Mercedes-Benz 300 SL Coupé auf der International Motor Sports Show in New York seine Weltpremiere. Ab August 1954 wurde der Supersportwagen mit den nach oben zu öffnenden Türen gebaut. Der Preis damals: 29.000 Mark.