Unterwegs auf der B66

Get Your Kicks on B66

Wer über die Route 66 reist, weiß am Ende einiges mehr über die USA. Aber was erfahren wir auf der deutschen Bundesstraße unter dieser Nummer? Ein Jeep-Reise entlang der B 66 von Bielefeld nach Barntrup.

Jeep Wrangler, Frontansicht Foto: Arturo Rivas 15 Bilder

Sie beginnt in Bielefeld-City an einer Kreuzung zwischen mausgrauen Bürohäusern und tristen Wohnzeilen. Nach nur einem Knick hat sie sich bereits für ihren endgültigen Kurs in Richtung Osten entschieden, lässt sich für eine Weile durch die Vororte treiben, bis schließlich zwei Tankstellen, Aldi, Edeka und Lidl sowie eine Handvoll Gebrauchtwagenhändler das Ende der Stadt markieren. Gleich darauf wird es ländlicher, schließlich Land, das auf den Namen Ostwestfalen hört. Ab jetzt sind der Jeep und ich auf uns allein gestellt, doch ich fühle mich in diesem Auto gut aufgehoben. Die Gefahren der Fremde, sie haben keine Chance gegen das armdicke Rohrgeflecht vor dem Kühler und bullige 33 Zoll breite All-Terrain-Reifen. Das Abenteuer kann beginnen.

Von Bielefeld nach Barntrup auf der Sixty-Six

Wir befinden uns auf der Bundestraße 66, die von Bielefeld bis ins 40,3 Kilometer entfernte Barntrup führt. Doch ein bisschen tun Fotograf Arturo und ich heute so, als würden wir über die legendäre Route Sixty Six von Chicago nach Santa Monica bei Los Angeles cruisen, immerhin eine 2.448 Meilen weite Kontinentaldurchquerung. Wir sind es diesem Jeep Wrangler, der aus dem Fuhrpark des Bielefelder Jeep-Spezialisten Ottensmeier Offroad stammt, einfach schuldig, eine Verbindung zu seiner US-Heimat mit in die Ausfahrt einzubauen.

"Route Sixty Six? Noch nie gehört. Aber frag mal den da hinten, der kennt sich besser aus." Nun gut. Bei dem Mann, auf den der Tankstellenbetreiber zeigt, handelt es sich um einen offensichtlich ortskundigen Taxifahrer, aber wir verkneifen uns weitere Fragen nach der "Mother Road", der Mutter aller modernen Fernstraßen. Zigtausend Farmer aus dem dürregeplagten Oklahoma und Texas zogen in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf ihr in den vermeintlich goldenen Westen, nachzulesen in John Steinbecks 500 Seiten starkem Wälzer "Früchte des Zorns".

Die Sixty Six war die erste und lange Zeit wichtigste West-Ost-Verbindung in den Staaten, verewigt und verherrlicht in unzähligen Filmen und Reportagen. Die Stones haben über sie gesungen, ebenso Chuck Berry und Nat King Cole. "Get Your Kicks On Route 66": ein Song von Bobby Troup, einst auf dem hoffnungsvollen Weg in den Westen am Lenkrad komponiert.

Jeep Wrangler für den Export gebaut

Wir ziehen hingegen in östliche Richtung. Die B 66 hat sich nach etwa sechs Kilometern von vier auf zwei Spuren verengt, ist von nun an mehr Land- als Schnellstraße und in Ortschaften wie Helpup vom modernen Verkehr längst überfordert. Schnellfahren entpuppt sich allerdings auch nicht gerade als Paradedisziplin des Wrangler, der auf gerader Strecke immer ein wenig hin und her schlingert, in Kurven dafür viel lieber geradeaus laufen würde. Egal. Soundmäßig ist dem 178 PS starken Vierliter-Sechszylinder vom Jeep Wrangler hingegen nichts vorzuwerfen.

Noch 13 Kilometer bis Lage. Wir nutzten die Zeit, um dem Jeep ein wenig von seiner Heimat zu erzählen, wo er 1993 zwar zusammengebaut wurde (in Toledo, Ohio), die er aber nie richtig kennenlernen durfte, weil für ihn ein Leben als Exportmodell bestimmt war. Doch es fällt schwer, ihm angesichts der schachbrettartig angelegten Minifelder rechts und links der Bundesstraße 66 die Weite des nordamerikanischen Kontinents zu beschreiben. Oder die Anmut der Rocky Mountains, wenn sich vor einem nur die zarten Hügel der Lipper Berge auftun. Armer Kerl.

Nicht einmal ein ordentliches Hindernis gibt es hier für ihn zu überqueren. Mit seinem nachträglich höhergelegten Trialmaster-Fahrwerk und dem zum Umfang der Broadway Edition gehörenden Ramm- und Flankenschutz sehnt er sich förmlich nach einer Welt ohne Asphalt. Er weiß genau, dass er bereits ab Werk mit sämtlichen nur denkbaren Offroad-Talenten versehen wurde, die einen in der Wildnis quasi unantastbar machen.
Jeder Jeep müsse den Rubicon Trail schaffen, hatte der damalige Chrysler-Chef Bob Lutz von der Marke gefordert, was natürlich auch für den 1986 präsentierten Wrangler galt, dem Nachfolger des legendären Alleskönners Jeep CJ. Vermutlich sind diese beiden Modelle auch die einzigen Autos, die diese etwa 70 Meilen lange Schlucht voller Felsen und Geröll in der kalifornischen Sierra Nevada überhaupt heil überstehen.

Der kurzen Feldweg zu einer Pferdekoppel, den wir unserem Jeep Wrangler zur Abwechslung anbieten, wird von ihm dann auch erwartungsgemäß mit größtmöglicher Verachtung gestraft. Mangels ernsthafter Hürden hätten nicht einmal die Vorderräder zusätzlich angetrieben werden müssen. Wir überlegen trotzdem, ob wir nur so zum Spaß kurz noch die Geländereduktion aktivieren. Doch damit würden wir diesen amerikanischen Survival-Helden wohl doch zu sehr in seiner Ehre kränken.

Komfortabler als der Ur-Wrangler von 1941

Nach insgesamt 27 Kilometern endlich in Lage, Sitz der Zuckerfabrik Pfeifer & Langen. Ein schwerer, süßlicher Duft hat sich wie eine durchsichtige Haube über die Stadt gestülpt. Bis zu 7.500 Tonnen Rüben pro Tag, um Großkunde Coca-Cola mit Raffinade und Weißzucker zu versorgen. Und die B 66 als eine der Hauptzufahrtsrouten für Zugmaschinen mit schwer beladenen Hängern. Es dauert, bis wir die Stadt im Schritttempo passiert haben.

Immerhin reisen wir ziemlich bequem. Ledersessel, dazu ein mit Wurzelholz verziertes Armaturenbrett und das Faltschiebdach gehören zum weiteren Umfang der eingangs erwähnten Broadway Edition. Während selbst jede Schubkarre mehr Komfort bietet als das seit 1941 gebaute Ur-Modell, konnten Jeep Wrangler-Besitzer nun endlich auch längere Strecken schmerzfrei überstehen. Allerdings nicht ohne von gusseisernen CJ-Fans schon mal als Weicheier beschimpft zu werden.

Felder, Wald und Wiesen, ein paar zaghafte Kurven, ein Schild mit "Täglich frische Eier!". Bis Lemgo wenig Aufregendes, dafür entpuppt sich die Stadt als Perle. Pure Hanse-Herrlichkeit. 500 Jahre alter Reichtum durch Garne, Leinen und Tücher. Dem Jeep fällt es schwer zu glauben, dass in seiner Heimat bereits 50 Jahre alte Gebäude als historisch gelten. Noch acht Kilometer bis zum Ende der Bundesstraße 66.

Pause bei "Ronny's Schlemmergrill"

Dörentrup. Auf Höhe der Autoverwertung ein Imbiss im Western- Look. Trucker, Vertreter, Handwerker. "Ronny's Schlemmergrill" brummt, verdankt seine Existenz dem gewachsenen Verkehrsaufkommen auf der B 66. Fast Food. Schnelles Essen. Ein Konzept, dass zusammen mit der Route 66 gewachsen ist: 1921 dort das erste Drive-in-Restaurant, 1940 an ihrer Seite der erste McDonald's. Wenn mal seine geplante Spielhalle läuft, erklärt Chef Ronny, will er auch endlich mal durch die USA reisen. Auf einer Harley über die Sixty Six.

"Reparaturen aller Fabrikate": eine weiß gekachelte freie Tanke mit Werkstatt in Bega, seit 1968 im Besitz von Günther Zeisberg und Sohn Arno. Zwei Männer mit freundlichen Gesichtern und ölverschmierten Arbeiterhänden, die ihr Reich über die Jahrzehnte mit Erfolg gegen die Moderne verteidigt haben. Unter dem Vordach parkt ein Opel Kapitän Jahrgang 1952, in der Halle eine Zündapp KS 601 und eine BSA Golden Flash, beide ebenfalls aus den Fünfzigern. Man sieht es den Fahrzeugen an, dass hier mit Herz gearbeitet wird. Wir verabschieden uns, ohne getankt zu haben. Nach 37 Kilometern verlangt nicht einmal so ein Säufer wie der Jeep Wrangler nach Nachschub.

Dreikommazwei Kilometer später endet die B 66 in Barntrup so unromantisch, wie sie begonnen hat. Eine Kreuzung, von der es von nun an über die B1 entweder nach Hameln oder Paderborn geht, während die echte Route 66 am Pazifik endet. Aber das verraten wir dem Jeep besser nicht.

Tipps zur B 66

  • Die Route: Die Bundesstraße 66 führt von Bielefeld über Lage und Lemgo bis ins 40 Kilometer entfernte Barntrup. Dabei überquert sie die Gewässer Werre und Bega.
  • Sehenswürdigkeiten: Die alte Hansestadt Lemgo lockt mit einer fein restaurierten Innenstadt. In Bega lohnt sich ein Stopp an der Tanke der Zeisbergs.
  • Lemgoer Auto-Museum: Im privat geführten Automuseum "d. kleine Lemgoer" werden etwa 40 klassische Sport- und Rennwagen ausgestellt. Nur sonntags von 12 bis 16 Uhr geöffnet. Weitere Infos: www.automuseumlemgo. de.