BMW M3 E30 (1987) im Test

Der beste BMW jemals?

Wir feiern den 40. Geburtstag des BMW 3er, Generation E30, mit dem allergrandiosesten aller grandiosen 3er, dem Tourenwagen-Helden M3, als Altem im Test.

BMW M3, E30, Frontansicht Foto: Arturo Rivas 43 Bilder

Mut ist besser mit Vorsicht zu genießen. Wenn Sie – was wir hoffen – öfter hier bei uns und den "Alten im Test" vorbeischauen, mögen Sie erwarten, das sei eine dieser gedankenverlorenen Erkenntnisse, die wie Sternschnuppen bei der Fahrt zum Hockenheimring durch das Ende der Nacht in den Beginn des Tages aus morgengrauendem Himmel fallen. Guter Ansatz, aber dieses Mal: falsch. Es ist ein Abkommen, an das mich Otto gerade mit den Worten "M2", "ESP aus", "Leitplanke" und einem wissenden Blick erinnert. Doch wollen wir Sie nicht mit Details langweilen: Es handelt sich lediglich um eine einmalige Kapriole spätjugendlichen Übermuts (die sich, versichert Freund und Kollege Heinrich, an einem anderen Sommertag, aber in ganz ähnlichem Vor- wie Ablauf in Boxberg mit einem Porsche 911 S wiederholt haben soll, Anm. d. Red.).

Ähm … nun, wir wollen doch unerheblichen, kleinen Eskapaden hier keine Prominenz einräumen. Die haben vielmehr die erheblichen, großen Eskapaden verdient, welche wir BMWs Motorsportabteilung M in den vergangenen 50 Jahren verdankten. Die feiern wir mit dem Test des M3. Auch weil der E30 dieses Jahr eh 40 wird. Doch vor allem, weil der M3 in der an grandiosen Autos nun gewiss nicht armen M-Historie vielleicht der allergrandioseste ist. Der erste M3 mit 195 Vierzylinder-PS vielleicht der allergrandioseste, meinen Sie? Stimmt, das ist nicht korrekt. Er ist: gewiss der allergrandioseste. In ihm steckt alles, was M ausmacht, von M1 bis Formel 1. Und das kommt so:

14 Tage für die Ewigkeit

Es gibt Geschichten, die zu gut sind, um ihre Legendenhaftigkeit durch akkurate Nachrecherche zu gefährden. Daher halten wir uns hier an die unüberprüfte Überlieferung, wonach BMW-Chef Eberhard von Kuenheim in den frühen 1980ern seinen Motoren-Chefentwickler Paul Rosche darüber in Kenntnis setzt, dem Modell-ensemble der 3er-Reihe mangele es an einem sportlichen Topmodell. Einem, das zudem dem 635 CSi nachfolgen könne, um weiterhin siegesgewiss den Betrieb des internationalen Tourenwagensports aufzumischen. Sicher entstehen diese Ideen zufällig in dem Moment, als es gleiche Bestrebungen gibt bei der Daimler-Benz AG, D-7000 Stuttgart, Fernschreiber 72524-0 db d (das Epos des Mercedes 190 E 2.3-16V von der Cosworth-Mitentwicklung über den Senna-Sieg beim Eröffnungsrennen des Nürburgring-GP-Kurses 1984 bis zum Amerikaner-müssen-durchrutschen-können-Heckflügel des 2.5-16 Evo II beschwören wir ein andermal).

In der M GmbH geht es gleich so richtig los mit der Konstruktion des S14B23. So nennen sie den M3-Motor, der auf dem von Alexander von Falkenhausen für die Neue Klasse entwickelten M10-Triebwerk aufbaut und auf dem auch das 1,5-Liter-Vierzylinder-1430-PS-5,5-bar-Ladedruck-Formel-1-Turbomonster basiert. Weil a) das Tourenwagen-Reglement der Gruppe A keine Turbos erlaubt, wird es ein Sauger. Weil b) die lange Kurbelwelle des Reihensechszylinders zu schwingungsanfällig wäre, wird es ein Vierzylinder (bei dem aber treten Massenkräfte zweiter Ordnung auf, die um 4000/min für Vibrationen sorgen – sind es nicht gerade solche heiteren Details, deren Vortrag auch auf einer langen, staugeplagten Familien-Urlaubsfahrt eine ausgelassene Munterkeit garantiert?).

BMW M3 (1987) Foto: Hans-Dieter Seufert
Ein Grund für die Dynamik liegt im Motor. Der S14 mit seinen Einzeldrosselklappen reagiert feinnervig auf Gaspedalbewegungen und entwickelt seine Kraft linear.

Und weil c) der Zylinderabstand trotz des auf 2302 cm³ vergrößerten Hubraums mit dem des Reihensechsers übereinstimmt, können die Techniker den gekürzten Vierventil-Zylinderkopf des M1-Motors auf den Graugussblock stülpen. Über dem Loch in der Stirnseite zwirbeln sie eine Metallplatte fest. Den Kurbeltrieb senken sie so tief, dass die fünffach gelagerte Welle selbst bei 10 000/min noch locker am Rotieren ist. Dazu bekommt der Motor Einzeldrosselklappen, die Gemischaufbereitung obliegt der Bosch ML-Jetronic.

An einem Sonntag, zwei Wochen nach Entwicklungsstart, fährt Rosche in einem 3er mit dem neuen Motor bei von Kuenheim zu Hause vor. Der dreht eine Runde, nach der ihm – wie es allen großen Entscheidungen wirklich mächtiger Firmen-/Staats-/Parteichefs zu eigen ist – ein einzelner, selbstbezogener Satz genügt, um alles Weitere in die Wege geleitet zu haben: "Gut, der gefällt mir."

5000 in zwölf

Dieses "alles Weitere" ist die Fertigung von 5000 Exemplaren innerhalb eines Jahres, wie es die Homologation vorschreibt (wenngleich sich nicht alle Hersteller mit derselben unbedingten Akkuratesse an die Vorschriften halten, doch auch dazu kommen wir bei einem anderen Wagen). Und klar, wenn man schon den Aufwand betreibt, dann gleich in allen Bereichen. So formen die Aerodynamiker ein Schweller-/Schürzen-/Flügelkit, das den Auftrieb an der Vorderachse um 50, an der Hinterachse um 65 Prozent reduziert und dennoch den cW-Wert von 0,38 auf 0,33 verbessert. Wobei dazu auch die flacher gestellte Heckscheibe beiträgt, über welche die Luft so zielgenau den Flügel auf dem vier Zentimeter erhöhten Kunststoff-Kofferraumdeckel anströmen kann. Die Frontscheibe kleben sie bündig ein, statt sie zu kedern. Die ausgestellten Radkästen ermöglichen eine breitere Spur, dazu können die Fahrwerker die Anlenkpunkte der hinteren Aufhängung besser platzieren. An der Vorderachsgeometrie verdreifachen sie den Nachlaufwert, um die Lenkung bei mehr Rückmeldung auf geringere Anfälligkeit für Unebenheiten zu trimmen. An die Hinterachse schrauben sie ein 25-Prozent-Sperrdiff und rundum größere Bremsen mit den Festsätteln des M5.

Auf der IAA 1985 stellt BMW den M3 vor, ab Februar 1986 wird er bei der M GmbH gefertigt. Übrigens unter der Bezeichnung "Zweitürer", nicht "Coupé" – damals gilt in München der Grundsatz, wonach etwas, was sich Coupé nennt, ausschließlich zweitürig sein und über keine Fensterrahmen an den Türen verfügen darf (könnte das mal einer BMW X6 und Mercedes GLE Coupé verklickern, so als Denkanstoß zur Selbstreflexion?).

BMW M3 (1987) Foto: Hans-Dieter Seufert
Auch nach 40 Jahren wird den M3 noch genau durchgetestet. Die nach vorne aufklappende Motorhaube und die Vielspeichenfelgen machen den E30 aus.

Wobei Sie sich die ganze Zeit gewiss etwas anderes fragen: Wie kann der Otto dem Seb einen wissenden Blick zuwerfen, wenn beide sich doch immer erst in Hockenheim an der Tanke treffen, wohin sie mit zwei Autos anreisen? Ach, was wären wir ohne Sie, verehrte Stammleserin, geschätzter Traditionsleser. Aber heute ist es anders, der M3 kommt auf dem Transporter direkt ins Fahrerlager. Deswegen entfallen erneut die beliebten Tankstellenszenen "Schmeicheleiversuch" und "Baguettediskurs". Stattdessen öffnet sich nun das Heckportal des Lasters, erste Strahlen der allerfrühesten Morgensonne reflektieren sich im hennaroten Lack des M3. Was. Für. Ein. Grandioser. Wagen!

Dabei rollt er nur die Rampe runter, um sich dann im Leerlauf warm zu laufen. Aber das ist nicht irgendein Auto – es ist ein Held unserer Vergangenheit. Der kommt echt zu uns, anstatt in Diepholz, Wunstorf, auf der Avus oder dem Nürburgring mit einem Rudel 190er herumzuraufen, mit Soper, Cecotto oder Prinz Poldi am Steuer (Leopold Prinz von Bayern ist das Oberhaupt der adalbertinischen Linie des Hauses Wittelsbach, Ur-Ur-Urenkel König Ludwigs I., dem mit Neuschwanstein samt elektrischer Klingel, und mit dem schwedischen Königshaus verwandt – so viel "Gala"-Klatsch muss sein und wäre eine Alternative, sollte das mit den Massenkräften nicht zünden).

Wenn ein Auto auf einer Rennstrecke daheim ist, dann der M3, erfolgreichster Tourenwagen aller bisherigen Zeiten. Also schnell wiegen, Messgeräte anbauen, raus auf den Ring. Da spürst du sofort zweierlei: erstens das perfekte Format des E30 – so kompakt wie möglich, ohne einzuengen, so übersichtlich, wie es geht, doch integriert er dich ganz tief und eng. Schließlich – wenngleich Eleganzbelange hier an sich ja keine Relevanz haben dürften: Freunde, schaut euch diese endgültige Form an, die auch dann noch nach Moderne aussehen wird, wenn ein gnädiges Vergessen unsere Erinnerung an das aktuelle Zweier Gran Coupé oder den neuen Siebener hat verblassen lassen.

Ach, auch fast schon vergessen, das Zweitens: dass es im M3 nie um nichts geht, auch wenn es nur die Feststellung der Tachoabweichung zum Aufwärmen ist, bei welcher die Klangkraft des Motors uns schon auf die imposanten Dezibelwerte einstimmt, welche es bei der folgenden Geräuschmessung zu notieren gilt. Ab 1500 Touren drängt es den Motor, in großem Crescendo die Drehzahltausender emporzuklimmen, hoch, ganz knapp an die 7000 ran. Das kann ja heiter werden. Wird es auch.

Daheim in Hockenheim

Auslaufzone der Spitzkehre. Drehzahl auf 3000. Kupplung schnappt. Nach ganz kurzem Scharren nur sperrt das Differenzial, stemmt sich der M3 voran. Und dieser Ton dabei, das klingt, als säßest du neben Joachim Winkelhock, wie er am 28. Juni 1992 auf dem Norisring die Dutzendteich-Kehre rausbeschleunigt. Aber das ist ja Otto neben mir, der mit rasanter Vorsicht durch das Fünfgang-Sportgetriebe (erster unten links) schaltet. Rührst du da so nebenher drin rum, verhedderst du dich in den Ebenen. Aber mit Konzentration ausgeführt gelingen die Gangwechsel in einer sachten Schwergängigkeit, die dir erst das rechte Gefühl für die feinmechanische Präzision der knapp gestaffelten Box in die Hand drückt. Der dritte Gang reicht bis 106 km/h, 100 hat der M3 nach 7,2 s drauf. Wir wollen uns ja nicht selbst loben, aber doch diskret darauf hinweisen: Das ist 0,6 s schneller, als es unseren verdienten Vorgängern mit dem fünf PS stärkeren M3 ohne Kat gelang, den sie für ams Heft 15/1986 testeten.

BMW M3 (1987) Foto: Hans-Dieter Seufert
66,2 Meter benötigt der M3 um bei warmer Bremse von 130 km/h zum Stillstand. Mit 9,9 m/s² verzögert er stärker als im Test 1986. Da bremste er mit 9,6 m/s² - macht 72,4 Meter.

Und, na so was, nur der Vollständigkeit halber: Beim Bremsen bekommen wir heute auch bessere Verzögerungswerte zusammen. Das frühe ABS regelt zwar etwas ruppig, aber aus 130 km/h steht der M3 schon nach 66,2 m. Jetzt aber hinüber zum Slalom. Lichtschranken einschalten, Anlauf abschätzen, auf die Plätze, fertig und … Moohohoohhment!

Bevor es losgeht, noch ein kleiner Einschub: Wir haben viele wunderbare, großartige Autos hier gehabt, als neue wie alte im Test. Von denen möge sich keiner zurückgesetzt fühlen, wenn wir nun feststellen: Was der M3 jetzt gleich beim Slalom draufhat, ist schlicht überragend.

Nicht mal was das schiere Tempo angeht, sondern wie grandios der BMW fährt. Mit seiner hochpräzisen, aber nicht spitzfindigen Lenkung und wegen der perfekten Rundumsicht lässt er sich zentimeterexakt an den Pylonen entlangsteuern. Untersteuern, Lastwechsel, Heckgezappel? Nichts davon, er bleibt einfach neutral, so heiter, leichtfertig, beschwingt. Liegt auch daran, dass er exakt so viel Leistung und Kraft hat, wie er in Tempo umsetzen kann – er braucht keine Elektronik, die sie ihm passend portioniert daherserviert. Er hat nur 195 PS, aber er lässt dich die Leistung jedes einzelnen PS und das Tempo jedes km/h erleben. In einem 510-PS-M4-Competition-xDrive hast du bei Tempo 100 das Gefühl, auf der Landstraße herumzustehen. Genau deshalb erlangt der M3 im Handlingerlebnis eine mitreißende, nicht mehr erreichte Perfektion – da immer mehr Leistung, Elektronik, Gewicht und Allrad sie aus der Balance gebracht haben.

Ist es wohl, fragen wir uns, als wir den Innenraum vermessen, Glück oder Hemmnis für eine lange Karriere, gleich zu Beginn einen Erfolg wie den M3 erzielt zu haben, an dem sich alles danach messen und gegen den vieles verblassen wird? Ist vielleicht auch Erfolg und nicht nur Mut besser mit Vorsicht zu genießen? Aber dann denken wir uns: Was stehen wir hier rum und quatschen Opern? Wir sind in Hockenheim. Mit dem M3, der erst in einer Stunde auf dem Laster sein muss. Nutzen wir die Gunst der Runde. Die Einfahrt Parabolika, Otto, die bekomme ich noch schneller hin. Wird schon mutgeh’n.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • Ein kompaktes Auto von grandiosem Format.
  • Bietet genau das Maß an Raum, um sich gleichermaßen uneingeengt und doch tief im Mittendrin integriert zu fühlen.
  • Brillante Rundumsicht.
  • Mit solch stilvoller Selbstverständlichkeit muss man Pausbacken, Schweller, hochgesetzten Heckdeckel samt Flügel drauf mal tragen können.
Fahrkomfort
  • Die gelegentlichen Härten des Fahrwerks mindern das komfortable Gefühl nicht, ein Set- up zu fahren, das es mit der Nordschleife aufnimmt.
  • Schult das Können, aus großer Geräuschkulisse das Wesentliche herauszuhören
Antrieb
  • Allerbester Vierzylinder aller Zeiten, vergangener wie kommender, mit F1- und M1- Brillanz.
  • Grandioses Getriebe.
Fahreigenschaften
  • ... des Serien-M3 machen dem erfolgreichsten Renn-Tourenwagen der Welt alle Ehre.
Sicherheit
  • Für die sind bei einem Auto wie dem M3 doch Kiesbetten, Leitplanken, feuerfeste Buxen und Helm verantwortlich.
  • Wir schwören zudem auf die Schutzkraft verschiedenfarbiger Rennfahrerschuhe.
Umwelt
  • ... hat selten ein größeres Spektakel erlebt als die DTM der späten 80er/frühen 90er.
Kostet ...
  • ... es uns nicht alle Selbstbeherrschung, uns für einen M3 nicht finanziell zu ruinieren?