Ford Mustang GT (2019) im Test

Immer noch ein rauer Bursche?

Waschen? Okay. Schneiden? Na gut. Aber bitte nicht föhnen. Möge sich der Ford Mustang GT mit 450 PS starkem Fünfliter-V8 auch nach der Modellpflege so strubbelig wie bislang geben. Der Test klärt es.

Ford Mustang GT, Exterieur Foto: Dino Eisele 15 Bilder

Zu Beginn: eine Zahl. 5.741. Kubikzentimeter Hubraum? Fahrzeuglänge in Millimetern? Nein. Stückzahl der verkauften Ford Mustang im Gesamtjahr 2017. Von insgesamt rund 6,6 Millionen gebauter Fahrzeuge weltweit. Angesichts des Emissionsrummels wären die Fans also kaum vor Verwunderung Sturm gelaufen, hätte Ford angekündigt, den Mustang in Europa zum Abdecker zu bringen. Haben sie aber nicht, schippern stattdessen die aufgefrischte Version über den großen Teich, wieder mit – wieder Zahlen – Fünfliter-V8-Saugmotor und Sechsgang-Schaltgetriebe. Allein dafür gibt’s in der Endabrechnung schon mal den ersten Stern. Und, nur fürs Protokoll, ein Benzinpartikelfilter reinigt nun die Abgase des modifizierten Triebwerks, das eine kombinierte Saugrohr- und Direkteinspritzung nutzt.

Na? Zieht da etwa die Angst in Ihren Pupillen die Rollläden krachend nach oben? Partikelfilter gleich gebremster Schaum, zumindest aber gedämpfter Klang? Nein. Startknopf drücken – und genießen: ein dampfender Außen-Whirlpool warmen Achtzylinder-Sounds. Einer, der bleibt. Immer tief, bassig, voll, unrund, bis ganz weit hinauf, denn das kann das Triebwerk auch: drehen. Bis etwa 7.400 Umdrehungen, wenngleich ab 7000/min jemand das Licht auf der Drehzahlparty anknipst. Sei’s drum, denn das nahezu quadratisch ausgelegte Aggregat zelebriert seine Leistung, lässt sie dich vom Leerlauf an auskosten, mit jeder weiteren Kurbelwellenumdrehung – die je nach Fahrmodus in Zehnerschritten als digitale Ziffern angezeigt wird. Kann einen kirre machen.

Ford Mustang GT, Motor Foto: Dino Eisele
Eine Schönheit die auffällt in dem Ganzen Emissions- und Turbowahnsinn. Und der Verbrauch geht trotz 5, in Worten fünf, Litern Hubraum in Ordnung.

Motor: Überraschend genügsam

Schön, dass du dir über die MyMode-Funktion sozusagen deinen Mustang konfigurieren kannst. Antriebs-charakteristik, Darstellung der Instrumente im neuen, serienmäßigen Zentraldisplay, Klappenstellung der Abgasanlage, Lenkungskennung. Was nicht variiert: die Taktfrequenz der roten Beleuchtung des Startknopfes vor dem Anlassen. 30-mal pro Minute, was dem Ruhepuls eines Ponys entspräche (weil der Mustang ja 1964 die Gattung der Pony-Cars begründete, nur zur Erinnerung). Nachfrage bei den Kollegen des Pferdefachmagazins „Cavallo“ (www.cavallo.de): Stimmt. Fast zumindest, denn die Frequenz kann zwischen 28 und 40 Schlägen betragen. Nach großer Anstrengung bis zu 100 Schläge pro Minute.Also gerade jetzt beispielsweise, nachdem der Mustang launchcontrolliert mit elektronisch eingepegelter Optimaldrehzahl aus dem Stand beschleunigt wurde, viermal insgesamt, viermal schweres Brüllen, viermal ein kurzer Gangwechsel bis zu 100 km/h-Marke, viermal die Freude, mal wieder arbeiten zu dürfen, Teil der Maschine zu sein. Der Ford verfehlt die Werksangabe, benötigt 5,3 statt 4,6 Sekunden für den Standardsprint, wütet in 16,4 Sekunden auf 200 km/h. Schlimm? Sicher nicht.

Denn: Da vorne, unter der langen Haube, von der du als optimal hinter dem großen, völlig überbeknopften Lenkrad sitzender Fahrer arg viel Blech siehst, passiert Leistung, Schub, Druck. Immer. Eine erhebliche Menge, aber nicht mit jener überheblichen Selbstverständlichkeit moderner Turbomotoren. Sie will abgerufen werden, von dir, mittels Gangwechsel und Drehzahlband.

Dabei fällt dir die längere Getriebeübersetzung auf, die das Coupé im sechsten Gang theoretisch 412 km/h schnell laufen lassen würde. Die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h nun im vierten Gang, vor der Modellpflege ging das nur im Fünften. Die Achsübersetzung bleibt unverändert. Ein zäher Hund, pardon, lahmer Gaul? Nein, sie haben das schon gut im Griff, die beiden Nachbarn im ewigen Dauerclinch, Performance und Effizienz. Tatsächlich kannst du entspannt vor dich hin bummeln, dabei unter zehn Liter durch die Benzinleitungen spülen. Im Durchschnitt übrigens: 11,7 l/100 km. Ganz okay für ein solches 1,8 Tonnen-Kaliber, oder?

Ford Mustang GT, Interieur Foto: Dino Eisele
Im Innenraum hat sich nicht viel getan, aber die neuen und sogar serienmäßigen Digitalanzeigen fallen direkt ins Auge.

Innenraum: Bedienbarkeit? Er hat andere Stärken

Aber bei aller Entspannung: Bitte auch jetzt nicht versuchen, die Bedienung des Mustang zu erlernen. Dann fährst du blind. Ja, selbst das neue Infotainment gefällt sich darin, Menüpunkte vor dem Fahrer zu verstecken, zelebriert zudem die Redundanz der Bedienung, wobei weder die Tasten und der berührungsempfindliche Bildschirm noch das Sprachverständnis mit überdurchschnittlichem Entgegenkommen auffallen. Bestenfalls mit durchschnittlichem. Immerhin: Lenkrad, Tacho, Drehzahlmesser und Schalthebel erklären sich von selbst, verteilt in ergonomisch korrekter Anordnung.

Vor dem Schalthebel: große Kippschalter, unter anderem für die Fahrmodi und Regelelektronik. Nässe und Schnee passieren gerade in den Alpen, Dragsterrennen in den USA (ja, es gibt nun einen Drag-Race-Modus). Bleiben noch Normal, Sport und Rennstrecke. Letzterer hilft bei den Fahrdynamikmessungen, lässt den Mustang mit immerhin 140,9 km/h durch den doppelten Spurwechsel fegen. Die quirlige, deutlich leichtere Alpine A110 schaffte 138,9 km/h. Flott? Flott.

Fahrverhalten: Mehr Kampfsportler als Kunstturner

Aber auch: ein leidenschaftlicher Liebhaber erlesensten Straßenbaus. Die Spreizung der adaptiven Dämpfer, ein 2.000 Euro teures Extra, bildet unterschiedliche Härtegrade ab, deren gemäßigtester Federungskomfort immerhin erahnen lässt und den Mustang mit seinen serienmäßigen, relativ hochflankigen Rädern noch für den Alltag qualifiziert. Darüber wird’s halt noch ein bisschen härter, ohne dass eine allzu große Varianz erkennbar wäre, die von den Dämpfern und ihrer auf dem magnetischen Prinzip basierenden Technik umgesetzt würde.

Ford Mustang GT, Exterieur Foto: Dino Eisele
Auch wenn ein Mustang heute nicht mehr ganz so schwammig fährt wie einst gewohnt, bleibt er sich treu.

Deutlicher spürbar, allerdings ebenfalls ohne entscheidenden Erkenntnisgewinn: die anderen Lenkungskennlinien. Eigentlich passt im Normalmodus alles am besten, auch das Handling. Ja, das bewahrt sich der Mustang, schließlich bekam er es ja erst mit dieser Modellgeneration. Ein 4,79 Meter langer und 1,91 Meter breiter Kunstturner also? Eher nicht. Besser: ein Kampfsportler, der Technik um etwas Brutalität ergänzen muss. Im Gegensatz zu schnellen Autobahnpassagen, bei denen der Mustang immer ein wenig in seinen Fahrwerkslagern und -buchsen gelatiniert, bleibt er in Kurven mehr bei sich, stabiler, ohne aber der Präzision zu sehr anheim zu fallen. Die Lenkung vermittelt zwar durchaus eine gute Anbindung zur Fahrbahn, kommuniziert aber mit dir in einem Dialekt, den du nicht immer verstehst.

Was du verstehst: den Willen des Ford, lange neutral zu bleiben, um mit differenzialgesperrter Hinterachse gen Fahrbahnrand abzubiegen. Da ja die Stabilitätskontrolle aktiviert ist (was dachten Sie denn, hm?), fällt deren sensible Arbeitsweise auf, speziell im Sport-Modus. Pausiert die Elektronik, fällt auf, dass die Lenkung kurz vorm Anschlag unangenehm verhärtet. Viel besser: die exakt dosierbare, heftig verzögernde Bremsanlage. Der Mustang lebt also nicht nur von seinem Motor allein, er weiß auch mit Leistung und seinem maximalen Drehmoment von 529 Newtonmetern umzugehen, sie umzusetzen, nicht nur in Rauch, sondern in kontrollierte Fortbewegung. Ein sehr emotionale Art der Fortbewegung – authentisch, ungekünstelt, tolerierbar nachlässig.

Deshalb folgen auf den ersten Stern noch drei weitere, weil der Mustang liefert, zu einem überschaubaren Grundpreis. Selbst mit der Materialqualität im Interieur kommst du klar. Nur mit den Sitzen nicht. Faltiger Bezug, labberige Polsterung, mäßiger Seitenhalt – selten drängt ein Hersteller seinen Kunden offensichtlicher eine Sonderausstattung auf. Also beginnt dieser Test nicht nur mit einer Zahl, er endet auch mit einer: 1.800. So viele Euro kosten die Recaro-Sportsitze. Und dann ist alles gut.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • viel Platz für Fahrer und Beifahrer, die gerne mal einen Burger essen
  • die Ergonomie erleichtert es, Teil des Mustang zu werden
  • so verarbeitet, dass keine Geräusche den V8 übertönen
  • alles, was nicht fürs Fahren nötig ist, versteckt sich eh in vertrackter Bedienung
  • Notsitze zur Rechtfertigung als Familienwagen
Fahrkomfort
  • Federungskomfort? Vorhanden. Das reicht
  • Sitze mit dem Seitenhalt einer Plastiktüte – und deren Qualitätsanmutung
Antrieb
  • ein V8-Saugmotor mit allem: Durchzug, Drehfreude, Klang
  • Jubel über Gangwechsel ...
  • ... weniger über die lange Übersetzung des Getriebes
Fahreigenschaften
  • bemerkenswert, wie schnell die riesige Motorhaube die Richtung ändert ... und sich das Heck dafür etwas mehr Zeit lässt
  • nicht optimale Lenkpräzision
Sicherheit
  • zeitgemäßes Angebot an Assistenzsystemen
  • viel wichtiger: er bremst – und wie!
Umwelt
  • kann sparsam gefahren werden – ehrlich
  • hohe CO2-Emissionen kein Start-Stopp-System
Kosten
  • verlockender Grundpreis ...
  • ... den die deftige Kasko- Einstufung arg relativiert
  • jährliche Wartung

Fazit

Auf neueste Emissions- und Sicherheitsstandards optimiert, kultiviert der Mustang weiter die Freude am archaischen Fahren mit großem Engagement – und furchtbaren Sitzen. Vorsicht: teurer Unterhalt.