Ford Mustang GT im Supertest

V8-Sofa mit Charakter

Euer Wunsch ist uns Befehl: Viele Leser haben sich einen Supertest mit dem Ford Mustang GT gewünscht. Heute klärt sich, ob der V8-Sauger nur im Alltag brilliert oder auch Nordschleife kann.

Ford Mustang GT, Exterieur Foto: Hans-Dieter Seufert 23 Bilder

Er hat das, was vielen anderen heute immer mehr fehlt: Charakter! Muskulöse Karosserie, kerniger V8-Klang – der Ford Mustang GT ist einer, der aus Ottonormalos coole Jungs macht. Aus Hintertupfingen wird Wilder Westen. Doch was passiert, wenn man dieses Achtzylinder-Pony zum Supertest einlädt? Mehr Schein als Sein – oder hat der Ami auch querdynamisch etwas drauf?

Der Supertest beginnt heute in unserem Redaktionsparkhaus in Stuttgart-Mitte auf Parkplatz 221. Magnetic-Grau metallic: Die dezente Lackierung trifft eine auffällige Linienführung. Modern, aber irgendwie historisch zugleich. Auch das Interieur schlägt mit seiner Armaturenbrettgestaltung, den historisch anmutenden Kippschaltern sowie der Grafik der digitalisierten Rundinstrumente einen gelungenen Bogen zur Vergangenheit. Bei Ford haben sie es auf eine sympathische Art und Weise geschafft, den Geist der Ur-Mustang-Generation (ab 1964) in die Gegenwart zu transferieren.

Tür öffnen, anschließend weich fallen. Der "Recaro"-Schriftzug soll zwar Sport implizieren, doch die Mustang-Sitze sind mehr Sofa denn Sportsitz. Optisch sehen die Sitze zwar sportiv aus, die weiche Polsterung von Sitzfläche, Lehne und Seitenwangen laden jedoch eher zum gemütlichen Cruisen als zum Ritt durch den Grenzbereich ein. Mein erster Gedanke in der Tiefgarage: "O Gott, und damit soll ich volles Rohr über die Nordschleife fahren?"

V8-Sauger: Meister der Herzen

Ford Mustang GT, Motor Foto: Hans-Dieter Seufert
Anders als bei vielen anderen ist dem GT trotz Einzugs eines Ottopartikelfilters (OPF) mit dem Facelift im Modelljahr 2018 nicht die Stimme abhandengekommen. Dank Klappenabgasanlage gibt es einen bezaubernden Achtzylinder-Beat auf die Ohren.

Startknopf drücken – die Motivation zum Nordschleifen-Ritt ist schlagartig zurück. Motorstart. Fünfliter-V8-Sauger. Aus Pony wird Wildpferd. Achtzylinder-Gewitter in der Tiefgarage. Meister der Herzen. Wer hier beim ersten Gasstoß keine gute Laune hat, der ist kein echter Autoliebhaber. Anders als bei vielen anderen ist dem GT trotz Einzugs eines Ottopartikelfilters (OPF) mit dem Facelift im Modelljahr 2018 nicht die Stimme abhandengekommen.

Einen Tag später steht der GT morgens um 7:17 Uhr für die ersten Fotos im gleißenden Morgenlicht auf der Nordschleife. Ein schneller Instagram-Post aus dem Streckenabschnitt Hatzenbach. Antwort von sport auto-Leser und Mustang-Besitzer Philipp Lerner: "Sehr cool! Bin gespannt, was die Temperatur macht, bei mir regelt er spätestens bei 120 Grad Zylinderkopftemperatur die Leistung weg."

Bereits im April hatte Philipp, der mit seinem Mustang aktiv im Touristenverkehr auf der Nordschleife unterwegs ist, mir geschrieben und seine Probleme mit dem GT geschildert: "Mich bremsen vor allem Kühlprobleme des Motors aus. Da bin ich echt mal gespannt, wie das Ford beim Supertest löst."

Mit diesem Vorwissen beginnt um acht Uhr morgens der Testbetrieb für den Supertest auf der Nordschleife. Die äußeren Randbedingungen sind am Testtag für einen 18. August mehr als ideal. In der Aufwärmrunde verhält sich der V8 noch unauffällig.

Kurzer Boxenstopp in der T13-Boxengasse, Reifenfülldruck absenken, und los geht’s auf die zweite Mustang-Runde, die dann zum ersten Mal zügiger angegangen wird. Und der Ami überrascht auf den ersten Nordschleifen-Metern. Ehrlich gesagt: Eigentlich habe ich von dem 1.764 Kilo schweren US-Cruiser im Grenzbereich auf der Nordschleife gar nichts erwartet.

Nickende und rollende Karosseriebewegungen kann der Mustang im Grenzbereich zwar nicht ganz verheimlichen, doch ich hätte auf der Eifel-Topografie einen noch stärker schaukelnden V8-Dampfer vermutet. Seit der erwähnten Modellpflege kann der GT optional mit einem neu entwickelten MagneRide-Dämpfersystem geordert werden, das unser Testwagen auch an Bord hat. Seit der Modellpflege trägt der GT außerdem Stabis mit größerem Querschnitt.

Die härteste Stufe der Adaptivdämpfer (Modus Rennstrecke) hält den Mustang erstaunlich gut auf Kurs. Curbs, wie beispielsweise im Hatzenbach oder in der Fuchsröhre, bügelt er unbeeindruckt weg, ohne mit Bocksprüngen Nervosität am Limit aufkommen zu lassen.

Wer hinter dem Mustang ein wild übersteuerndes Biest vermutet, der irrt. Das Fahrverhalten ist erstaunlich neutral. Zunächst lenkt der Mustang überraschend gut ein und punktet dann beim Herausbeschleunigen mit Traktion. Bevor das Heck unter Last zu drücken beginnt, schiebt der GT sachte über die Vorderachse.

Ein Lob gibt es für die Bereifung vom Typ Michelin Pilot Sport 4S, die mit ihrem Grip punktet. Ein Bremswunder ist der Mustang hingegen nicht. Die 34-Komma-Werte aus den vorherigen Tests wollen ihm im Supertest nicht gelingen. Trotz etwas stumpfem Pedalgefühl überzeugt die Brembo-Bremsanlage aber mit ihrer Standfestigkeit. Späte Bremspunkte vermeidet man ob des Gewichts lieber und bringt dadurch das ABS auf den Nordschleifen-Bodenwellen erst gar nicht in Verlegenheit.

Und die Lenkung? Verhält sich im Grenzbereich unauffällig. Soll heißen: Sie ist zwar keine Präzisionswaffe, aber auch keine Ausgeburt der Indirektheit. Drei Lenkungskennlinien stehen in puncto Handmoment zur Wahl: Comfort, Normal und Sport. Auf der Nordschleife und in Hockenheim fällt die Wahl auf die straffeste Ausprägung des Sport-Modus, weil er im Grenzbereich die mitteilungsfreudigste Rückmeldung gibt.

Oldschool: knackiger Schalter

Ford Mustang GT, Nürburgring Foto: Hans-Dieter Seufert
Auf der Nordschleife braucht man angesichts der XXL-Übersetzung nur die Gänge zwei, drei und vier. So oft wie im Mustang bin ich am Ring noch nie im zweiten Gang gefahren.

Dass der GT mit 450 Saugmotor-PS kein Überflieger sein würde, war klar. Warum sich die Nordschleifen-Runde jedoch besonders wie in Zeitlupe anfühlt? Hauptverantwortlich hierfür sind die monsterlangen Gangübersetzungen, die deutlich länger als beim Vorfacelift geworden sind. Der dritte Gang geht bis 190 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h wird im vierten Gang erreicht. Die sechste Fahrstufe könnte den Mustang laut Getriebeübersetzung bis zu 412 km/h rennen lassen – rein theoretisch natürlich, bevor Bugatti-Fahrer jetzt nervös werden.

Auf der Nordschleife braucht man angesichts der XXL-Übersetzung nur die Gänge zwei, drei und vier. So oft wie im Mustang bin ich am Ring noch nie im zweiten Gang gefahren. Der Ami giert nach Drehzahl. Feuer entzündet der Fünfliter-V8 erst ab 4.000 Touren. Lichterloh brennt’s nie so richtig, auch wenn man bis zum Begrenzer bei 7.400/min dreht.

Was aber nicht heißen soll, dass der Kerl nicht gut geht. Moderne Turbomotoren versauen halt nur die Wahrnehmung im Bezug auf so ein "Oldschool-Konzept". Obwohl: Ganz so gut wie vorherige Testwagen in Einzel- und Vergleichstest geht der aktuelle nicht. 0–200 km/h in 17,5 Sekunden? Uns hat bereits ein GT besucht, der diese Disziplin in 16,4 Sekunden absolviert hat. Besagter Testwagen legte auch deutlich bessere Elastizitätswerte hin (80–160 km/h: fünfter Gang in 13,2 s, fünfter Gang in 19,9 s) als der Testwagen für den Supertest.

Anbremsen und zu rabiat den zweiten Gang einkuppeln? Quittiert die mechanisch gesperrte GT-Hinterachse gerne mal mit einem leichten Quersteher – dabei hilft auch nicht der automatisch eingestreute Zwischengasstoß. So geschehen auf der Anfahrt zur Bergauf-Rechts im Streckenabschnitt Ex-Mühle. Der GT ist eben kein Filigrantechniker, sondern ein liebenswürdiger, aber teils auch raubeiniger Knochen.

Ford Mustang GT, Nürburgring Foto: Hans-Dieter Seufert
Leistungskiller ist die Bergwerks-Rechtskurve. Anbremsen, runterschalten in den Zweiten, Schwung holen für die Steigung im Kesselchen – zack, plötzlich sind Leistung und Vortrieb weg. Kein unbekanntes Problem.

Und während man da vergnügt wie in alten Zeiten auf der Fahndung nach Drehzahl den Schaltstock durch die knackigen Gassen schwingt, kommt schon die Bergwerks-Rechtskurve. Anbremsen, runterschalten in den Zweiten, Schwung holen für die Steigung im Kesselchen – zack, plötzlich sind Leistung und Vortrieb weg.

Von Kesselchen bis Galgenkopf trabt der Mustang mit 80 bis 120 km/h – mehr geht nicht mehr. Auf der Döttinger Höhe überlegt er es sich wieder anders – die volle Leistung ist plötzlich wieder an Bord. Die Kühlphase bei Schleichfahrt scheint geholfen zu haben.

Neuer Versuch, neue Runde, gleiches Ergebnis: Von Streckenabschnitt T13 bis Ausgang Bergwerk galoppiert der Mustang engagiert, im Kesselchen ist dann wieder die Leistung weg. Um 9:31 Uhr sende ich Philipp via Instagram meine Telefonnummer. Nach einem kurzen Telefonat mit dem leiderprobten Mustang-Fahrer geht es nach einer längeren Abkühlpause mit zwei Ideen wieder auf die Schleife.

Motor mit Kühlproblemen

Idee Nummer 1, um die thermischen Probleme zu lösen: Heizung auf die höchste Stufe stellen, um die Motortemperatur zu senken. Tricks, die früher in der Markenpokalserie Mini Challenge die letzten PS rauskitzeln sollten. Und hilft es auch dem Mustang? Ja und nein! Bei saunaähnlichen Innenraumtemperaturen ist die Leistung jetzt immerhin bis zur Mutkurve voll da, bevor erneut der Leistungseinbruch erfolgt.

Ford Mustang GT, Nürburgring Foto: Hans-Dieter Seufert
Die Idee: Bereits bei 6.000/min hochschalten und kaum in den zweiten Gang zurückschalten. Diese Idee hilft, beraubt den Mustang aber jeglicher Performance. Im Bummeltempo geht’s nicht schneller als 8.18 Minuten.

Idee Nummer 2: Bereits bei 6.000/min hochschalten und kaum in den zweiten Gang zurückschalten. Diese Idee hilft, beraubt den Mustang aber jeglicher Performance. Speziell in die Bergauf-Passagen trabt er jetzt untertourig wie ein lahmender Gaul im dritten Gang. Im Bummeltempo geht’s nicht schneller als 8.18 Minuten. Mit vollen Kräften auf der gesamten Runde könnte sich der Mustang GT sicherlich in Richtung der 8-Minuten-Marke bewegen.

Die Schlussworte überlasse ich Leidensgenosse Philipp: "Das Vorfacelift mit 421 PS hatte definitiv weniger Motorprobleme. Vermutlich liegt es beim Facelift unter anderem am OPF und dem höheren Staudruck. Ich habe bei meinem GT größere Wasserkühler, zwei zusätzliche Ölkühler und einen Kühlergrill ohne Waben verbaut. Und selbst mit diesem Umbau bremsen mich die Kühlprobleme bei den Tourifahrten auf der Nordschleife immer wieder aus. Nach zwei bis drei Runden mache ich dann immer wieder längere Zeit Pause."

Übrigens: Philipp betreibt eine Fahrschule in Aschaffenburg. Dreimal dürft ihr raten, welches Auto samt zweiter Pedalerie auch durch den Fahrschulbetrieb achtzylinderblubbert – coole Sache!

Fazit

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In meinen sechs Supertest-Jahren ist der Mustang GT das erste Testfahrzeug, das nicht mal eine Runde mit "Vollgas" auf der Nordschleife geschafft hat. Die Kühlprobleme des V8, die im Supertest aufgetreten sind, scheinen keine Ausnahme zu sein, wie die Kundenerfahrung zeigt. Ungeachtet dessen: Im Alltag ist der Ami derart sympathisch, weil er das hat, was vielen modernen Fahrzeugen heute fehlt: Charakter!