Porsche 911 GT3 im Test

Geht noch mehr?

Verein für Rundstrecken-Hobbysport nennt Porsche seine GT-Straßenwagenabteilung zwar nicht, aber in Weissach sitzt die Truppe schon – und der ausgedachte Name benennt, worum es beim 911 GT3 immer ging und geht: um ein weitgehend kompromissloses Sportgerät.

Porsche 911 GT3 Foto: Rossen Gargolov 18 Bilder

Klarer könnte die Erwartungshaltung an einen Testwagen nicht ausfallen: fünf Sterne, alles andere käme einer groben Enttäuschung gleich. In den auto motor und sport-Ausgaben 16/1999, 11/2006 und 18/2013 haben das die 911 GT3 der Vorgängerbaureihen 996, 997 und 991 alle gepackt.

Der 179.500 DM teure 996 GT3 trat das Erbe der rundkurstauglichen Carrera-RS-Modelle mit einem wassergekühlten 360-PS-Saugmotor an, der bis 7.400 Touren dreht (Facelift: 7.800/min). Der 997 hob das Drehzahllimit auf 8.400/min an, führte Adaptivstoßdämpfer und weitere Leichtbaumaßnahmen ein: Alutüren und -fronthaube, einen Kunststoffheckdeckel sowie optional die PCCB-Bremsanlage mit Carbon-Keramik-Scheiben.

2013 zündete die GT-Abteilung für den 991 ein massives wie kontroverses Hightech-Feuerwerk. Die hydraulische Servolenkung wurde durch eine elektromechanische ersetzt, dazu kam die Hinterachslenkung aus den Turbo-Elfern. Bis zur Modellpflege 2017 war das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) alternativlos, das es für die handgeschalteten Vorgänger gar nicht gab. Hinzu kam mit Torque Vectoring Plus ein computergeregeltes Hinterachs-Sperrdifferenzial inklusive radselektiver Bremseingriffe. Dass der Boxer des Motorengurus Hans Mezger mit der Bezeichnung M97.77 dem 475 PS starken MA1.75 weichen musste, war nicht jedem recht, mit 9.000/min gab es jedoch hochdrehzahlfeste Pro-Argumente (ab 2017: 500 PS, 460 Nm).

Porsche 911 GT3 Foto: Rossen Gargolov
Porsche 911 GT3. Zweisitziges Coupé mit zwei Türen, 375 kW (510 PS) bei 8.400/min, Hubraum 3.996 cm3, 0–100 km/h 4,1 s, Höchstgeschwindigkeit 320 km/h, Verbrauch 13,7 l/100 km, 170.969 Euro.

Ein optimierter MA1/75 mit 510 PS und 470 Nm steckt auch im GT3 der aktuellen Baureihe 992, der im Farbton Shark Blue lackiert ist. Dieser ist neu, kostet 3.570 Euro und bestraft unvorbereitetes Schlaumeiern: Es gibt Haie, deren Rücken und Flossenoberseiten laut Wikipedia nicht grau, sondern "dunkelblau strahlen" – Blauhaie heißen die.

Meisterwerk mit 3.996 cm3

Vielleicht hilft die Info ja mal bei Trivial Pursuit, wobei das Spiel in der Wissenschaftskategorie ja auch mal wildes Fachwissen prüfen könnte: "Wieso bekam der Porsche 992 GT3 sechs Einzeldrosselklappen?" zum Beispiel. "Um ein ohnehin blitzartiges Ansprechverhalten über kürzere Luftwege noch weiter zu optimieren" wäre nur die halbe Wahrheit, denn eigentlich geht es um die vorgeschriebenen Abgaswerte, für die der Sechszylinderboxer die Technik braucht.

Beim Kaltstart klingt der Leerlauf für einige Sekunden herrlich unrund. Ohnehin sorgt der über Trockensumpfpumpen ölversorgte Boxer lange vor dem Ortsausgang für ein motorsportkulturelles Erlebnis, weil er schon bei niedrigen Drehzahlen facettenreiche Mechanikklänge komponiert. Dazu das Geklacke des Schaltgetriebes und die Fahrwerksgeräusche der mehrheitlich aus Metall gefertigten Lager (Uniball).

Die harte Federung passt dazu, die mit steigendem Tempo weicher anspricht. Auf der Autobahn etwa, wobei das zweitrangig wird, wenn der Fokus auf die 9.000-Touren-Ekstase schwenkt. Speziell im langen zweiten Gang steigt der Schub gleichmäßig und überwältigend, in den Gängen darüber spürt man den Kick im Bereich von 5.000 Touren deutlicher. Der Soundtrack des Saugmotors intensiviert sich dabei stetig und gipfelt ab 8.000/min im monumentalen GT3-Gekreische.

2017 beschleunigte ein Handschalter-GT3 im Test in 14,9 Sekunden von 100 auf 240 km/h, der Neue tut es in 15,2. Das zeigt: Trotz stark gesteigerten Abtriebs bleibt die Sprintstärke gleichermaßen hoch. Dazu trägt unter anderem die Schwanenhals-Aufhängung des Heckflügels bei: Mit der Halterung auf der Oberseite kann die Luft darunter störungsfreier strömen.

Emotional weit faszinierender: bei 9.000/min die mittelschwere und präzise dosierbare Kupplung treten, dann den Schalthebel durch die kurzen, engen Gassen in den fest definierten Endpunkt drücken. Ruckfreies Einkuppeln geht mit dem zügig abtourenden Boxer sofort. Der zweite Gang reicht laut Tacho bis circa 130 km/h (dritter bis 180, vierter bis 228, fünfter bis 286), kann auf Landstraßen also nicht legal ausgedreht werden. Anders als beim Cayman GT4 (420 PS) mit ähnlicher Übersetzung entsteht dabei aus Spitzkehren keine oder nur eine ganz kurze Kraftflaute.

Porsche 911 GT3 Foto: Rossen Gargolov
Motor: Sechszylinder-Boxermotor (Benzin-Direkteinspritzung), hinten längs, siebenfach gelagerte Kurbelwelle, zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderreihe (Kettenantrieb), vier Ventile pro Zylinder über Schlepphebel mit mechanischem Spielausgleich betätigt.

Auf dem Hockenheimring zwingt die Abstufung dazu, nach der 180-Grad-Sachskurve oder auf der Anfahrt zur Parabolika unter hohem Lenkeinschlag zu schalten. Beim Siebengang-PDK (zweiter bis 120 km/h, dritter bis 166) ist das egal, weil Zugkraftunterbrechungen oder Rucke ausbleiben. Im Handschalter-GT3 muss der Ablauf schnell gehen, denn beim Gangwechsel gilt es, die Lenkung einhändig sauber auf Kurs zu halten – trotz der hohen Kräfte, die auf Auto und Fahrer wirken.

Die Funktion für automatisches Zwischengas (Auto-Blip) entlastet den Fahrer hingegen, weil sie lastwechselfreies Herunterschalten per Drehzahlangleichung sicherstellt. Auto-Blip hebt die Drehzahl oft auch beim Hochschalten kurz um etwa 50 Touren an – kurios, aber unproblematisch. Die Funktion lässt sich unabhängig vom ESP-Set-up deaktivieren, aber nicht mehr ganz: Die Zwischengastechnik Spitze-Hacke, bei der Brems- und Gaspedal mit einem Fuß gleichzeitig bedient werden, funktioniert uneingeschränkt. Beim Gasstoß ohne Bremsdruck deckelt das Steuergerät jedoch die Drehzahl bei der optimalen Anschlussdrehzahl, was je nach Schalttechnik stört.

Balanceakt: So bewegt sich der GT3

Die letzten Zeilen sind an eine kleine Gruppe gerichtet, aber einer der wenigen Makel gehört erwähnt. Um das Fahrverhalten zu beschreiben: Man stelle sich einige Runden im Gokart vor und dann den Umstieg ins eigene Auto – die Lenkung fühlt sich nach ausgelutschten Spurstangen an. Was das mit dem GT3 zu tun hat? Selbst wenn du nach dem Ultradirekt-Elfer eine kurvenkompetente Trackday-Limousine fährst, stellt sich ein ähnliches Gefühl ein – wenngleich der Unterschied längst nicht so krass ausfällt.

Auch das GT3-Einlenkverhalten ist ein spezifisches: Wenn du etwa ein Frontmotor-Sportcoupé mit Rundkursanspruch (z. B. AMG GT R, Corvette C7 Z06) in eine spitze Kurve lenkst, spürst du den enormen Reifenhaftungsaufbau abrupter und deswegen noch radikaler, obwohl die Semislicks auf dem Porsche eine vergleichbare Gripgewalt entwickeln. Das liegt an der grazileren Herangehensweise des GT3. So scheint bei ihm schon mit dem Lenkimpuls der gesamte fahrdynamische Ablauf gleichzeitig statt minimal verzögert zu erfolgen: Sobald sich die Front bewegt, drängt das Heck simultan im exakt passenden Maß nach außen. Dennoch bleibt der Porsche im Kurvenverlauf auch bei immensem Tempo auffällig stabil, und selbst wenn du in Scheitelpunktnähe gefühlt viel zu früh viel zu stark Gas gibst, klebt die Hinterachse meist ohne Gegenlenken auf der Linie.

Der 1.424 kg schwere Heckmotor-Elfer münzt seine Gewichtsverteilung (60,9 Prozent hinten) in vehemente Traktion um, schwingt aber mit feinfühliger Balance in und durch die Kurven. Das beim Handschalter rein mechanische Differenzial (PDK: elektronisch geregelt) sperrt unter Zug zu 30 und im Schub zu 37 Prozent, zudem wird das kurveninnere Rad beim Einlenken abgebremst, um den Eindrehimpuls zu verstärken. Die Hinterachslenkung, die per Einschlagrichtung je nach Tempo die Agilität oder Stabilität erhöht, fördert dieses leichtfüßige Fahrverhalten maßgeblich.

Als erster Straßen-Elfer überhaupt trägt der neue GT3 zudem eine Doppelquerlenker-Vorderachse statt der MacPherson-Federbeine bei Carrera und Co. Die neue Konstruktion leitet seitlich wirkende Kräfte über die Montagepunkte der Querlenker vollständig auf die Karosserie und nicht mehr teilweise auf die Feder-Dämpfer-Einheiten, die sich jetzt uneingeschränkt auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können. Gleiches gilt für die Aufhängung, wodurch die Präzision der Radführung steigt. So bleibt beispielsweise der Radsturz über den gesamten Federweg konstanter.

An den mit Helper-Federn ausgerüsteten Feder-Dämpfer-Einheiten kann die Fahrzeughöhe per Gewinde verändert werden. Wobei die Idee dahinter keine weitere Tieferlegung ist, sondern die Anpassung der Radlasten an das Gewicht des Fahrers. Neben dem Sturz gehören am Fahrwerk auch die Vorspur und die Stabilisatorsteifigkeit zu den einstellbaren Parametern.

Zurück auf der jetzt nassen Piste, rutscht das Heck im Kurvenverlauf auch mal leicht aus der Spur, oder die Vorderachse lässt den GT3 untersteuern. Warum auch das kein Problem ist? Weil es zunächst viel später passiert, als die auf Trockengrip optimierten Michelin Pilot Sport Cup 2 vermuten lassen, zudem regelt das ESP im Sinne des Sports. Vor allem kommuniziert die erstklassige Lenkung die reduzierte Haftung punktgenau mit nachlassenden Haltekräften, ebenso präzise steigen sie mit den Seitenführungskräften. Auch Fahrbahnunebenheiten schaffen es in sinnvollem Maß ins nicht mehr tastenfreie Lenkrad.

Porsche 911 GT3 Foto: Rossen Gargolov
Fahrwerk: Einzelradaufhängung vorn und hinten, vorn mit Doppelquerlenkern und Federbeinen.

Diese intensive Fahrer-Maschine-Verbindung prägt das Fahrerlebnis und erfolgt auch über den Sitz sowie das Bremspedal. Anders als die anderen Elfer nutzt der GT3 weiterhin einen Vakuum-Bremskraftverstärker statt eines elektrischen. Damit lässt sich die Bremse besser dosieren, zudem überträgt sie Rückmeldungen erheblich detailreicher ans Pedal – und du spürst jeden noch so kurzen Eingriff des fein abgestimmten ABS.

14.380 Euro für zwei Bremsscheiben

Der montierten PCCB-Bremse genügen 32,3 Meter für 100 auf 0 km/h, aus 200 km/h beträgt der Wert 130 Meter. Trotz der heftigen Verzögerungsleistung rutschst du auch ohne den Sechspunktgurt des Clubsport-Pakets nicht auf der Sitzfläche der komfortablen und haltstarken Sportschalen.

Die PCCB-Bremsanlage kostet 9.186 Euro Aufpreis, die Ersatzteile mehr: Zwei Scheiben für vorne liegen bei 14.380, vier Beläge bei 798 Euro (Stahlscheiben: 1.804 Euro, Beläge: 645). Muss es also Carbon-Keramik sein? Porsche will nicht verraten, wie viele GT3-Fahrer die Optionsbremse bestellen. Laut den Erfahrungen eines Trackday-Betreibers verzichtet dessen großer GT3-Kundenkreis überwiegend darauf, auch weil die länger, aber nicht ewig haltenden Scheiben sensibel auf Steinschläge reagieren können. Zudem sind die Graugussscheiben im 992 vorne von 380 auf 408 Millimeter gewachsen.

Klar, der GT3 ist ein enorm teures, bisher aber immer wertstabiles und vor allem faszinierendes Sportgerät. In den für Bergpisten und Rundkursen relevanten Kategorien löst der wilde Elfer sportliche Komplettbegeisterung aus, die er in allen Fahrdynamiktests bestätigt. Er knüpft damit nahtlos an 996, 997 und 991 an: fünf Sterne.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • Nicht schwerer als das Vorgängermodell
  • Exzellent positionierte, langstreckentaugliche Schalensitze
  • Kleiner Wendekreis
  • Hochwertige Verarbeitung
  • Im Testwagen vibriert ab 7.500/min vereinzelt das Armaturenbrett
  • Breite Karosserie
  • Kaum Ablagen
Fahrkomfort
  • Federt ab Landstraßentempo gar nicht so unbequem
  • Bei langsamer Fahrt hoppelig
Antrieb
  • Extrem reaktionsstarker Motor, der 9.000/min dreht
  • Präzise Kupplungsbedienung
  • Sauber geführte Schaltung
  • Hilfreiche Auto-Blip-Funktion
  • Teilweise Drehzahldeckelung bei manuellem Zwischengas
Fahreigenschaften
  • Lenkung auf Topniveau Enorm präzises Handling
  • Feinfühliges ESP
  • Bremspedalgefühl top, jeder kleine ABS-Eingriff spürbar
Sicherheit
  • Extrem gute Bremswerte
  • Käfig plus Hosenträgergurte erhältlich (Clubsport-Paket)
  • Eingeschränkte Nasseigenschaften der Cup-2-Reifen
Umwelt
  • Nachhaltig: bleibt normalerweise lange erhalten
  • Hoher Reifen- und Bremsenverschleiß auf Rundkurs
Kosten
  • Teuer, aber top in Preis-Leistung
  • Vermutlich enorm wertstabil
  • Lange Kundenwartelisten
  • Horrende Ersatzteilpreise für PCCB-Bremsanlage

Fazit

Der 9.000/min-Boxer komponiert den spektakulären Soundtrack zum irren Handling und zu der erstklassigen Kommunikation, die speziell an Lenkrad und Bremspedal mitreißt: ein teurer Traumsportwagen.