Porsche 911 Turbo S im Supertest

Regenmeister im Trockenen

Vermutlich hätten wir den Porsche 911 Turbo S einfach auf der Nordschleife bei Regen messen sollen, denn Nässe kann er herausragend. Bei Trockenheit ist der Über-Elfer nicht schneller als sein Vorgänger. Die Hintergründe.

Porsche 911 Turbo S, Exterieur Foto: Achim Hartmann 22 Bilder

WET – diese drei Buchstaben leuchten im Digitaldisplay auf, während nebenan die analoge Drehzahlnadel im herrlich historisch anmuten­den Drehzahlmesser tanzt und hinten die Gischtwolke tobt. Wenn alle Semislick-Helden zitternd auf der rech­ten Spur dahinkriechen, wird der Porsche 911 Turbo S der aktu­el­len 992-Baureihe zum Regen­könig auf der linken Spur. Spezielle Regenabstimmung im Wet-Mode, Pirelli-Schlappen mit ganz herausragenden Nasshandling-Eigenschaften – vermut­lich hätten wir diesmal den Supertest einfach bei Regen produzieren sollen, und alles wäre gut.

Kein Sportwagen strahlt aktuell so eine Fahrbarkeit, Fahrstabilität und Dominanz bei Nässe aus wie der Porsche 911 Turbo S. Wie bereits die 911-Carrera-Modelle der 992-Gene­ra­ti­on verfügt auch der Turbo S über das Fahrprogramm namens Wet, das, dank akustischer Sensoren in den vorderen Radhäusern, aufgewirbeltes Spritzwasser erkennt.

Wird ein nasser Fahrbahnzustand erkannt, schlägt das System dem Fahrer über eine Info im Display vor, in den Wet-Mode zu wechseln. Aktiviert man dann besagten Modus, werden sämtliche Systeme auf den Einsatz bei Nässe justiert. Die Gaspedal-Kennlinie wird flacher, das variable Allradsystem weist der Vorderachse mehr Allradmoment zu, und der Heckflügel fährt in eine steilere Stellung, während gleichzeitig der Bugspoiler eingefahren wird. Die Aero-Balance verschiebt sich nach hinten – mehr Anpressdruck auf der Hinterachse gleich noch sicherere Fahrbarkeit.

Regenkönig oder Trockenheld?

Porsche 911 Turbo S, Exterieur Foto: Achim Hartmann
Kein Sportwagen strahlt aktuell so eine Fahrbarkeit, Fahrstabilität und Dominanz bei Nässe aus wie der Porsche 911 Turbo S.

Großen Anteil an der hervorragenden Nässe-Performance hat auch die Pi­relli-P-Zero-Bereifung mit der Por­sche-­Kennung NA1. Eine Verbesserung des Nassgripverhaltens war ein zentraler Punkt im Lastenheft bei der 992-Entwicklung insgesamt. Ein Anhaltspunkt, was der NA1 bei Nässe kann: Im direkten Vergleich zum Pirelli-Vorgängerpneu mit N1-Kennung ist der NA1 auf der 1,8 Kilometer langen Nasshandlingstrecke des Conti­drom laut Porsche circa sechs Sekunden schneller geworden.

Das Arbeitstemperaturfenster des Pirelli P Zero NA1 ist jetzt wesentlich größer. Während der beim 991.2-Vorgänger serienmäßig aufgezogene N1-Pneu fast wie ein waschechter Sportreifen Temperatur brauchte, bevor er seinen idealen Grip entfaltete, erreicht der NA1 auch bei kühlen Außentemperaturen sehr schnell ein sicheres Gripniveau.

Neben der signifikanten Verbesserung des Nassgripniveaus wurde auch diese Verbesserung der Kaltlaufeigenschaften bei der Reifenentwicklung gefordert: Lenkrad bei kalten Rei­fen bis zum Anschlag einschlagen und wenden – bei der 991.2-Baureihe störten sich einige Kunden an dem Trampeln der Vorderachsreifen beim Wendemanöver. GT3- und GT2-­Kun­den kennen das von ihren kalten ­Semis – sie akzeptieren diese Komfort­einbu­ßen für die herausragende Trockenperformance ihrer Reifen.

Das Anforderungsprofil eines Turbo-Kunden hat sich über die Jahre immer mehr verändert. Während die Turbo-Kunden früher mit ihren Fahrzeugen auch mal schnelle Runden in der Porsche-Sportfahrschule oder bei den Clubsportveranstaltungen des Porsche Sports Cup drehten, leben heute gefühlt 99 Prozent aller ak­tu­ellen Turbo-Modelle durchweg ein All­tagsdasein. Dementsprechend brin­gen die heutigen Turbo-Besitzer im­mer weniger Rennstreckenerfahrung mit. Und bevor Kunden bei Nässe oder kalten Außentemperaturen in der Planke landen, stimmt Porsche den 911 Turbo S heute auf das dominierende Kundenprofil ab. Irgendwie auch verständlich.

Porsche 911 Turbo S, Exterieur Foto: Achim Hartmann
Die Verkaufszahlen eines Sportreifens seien beim 911 Turbo S viel zu gering. Daher steht unser Testwagen auf Pirelli P Zero NA1, welche besonders die Alltagstauglichkeit weiter unterstützen.

Jetzt existiert aber noch dieses eine Prozent, nämlich die waschechten Sportfahrer unter den Turbo-Kunden, die gerne auch mal auf der Rennstrecke Gas geben. Und jene Turbo-­Fahrer werden sich die gleiche Frage stellen wie wir hier im Supertest: Warum gibt es für den 992 Turbo S keinen optionalen Sportreifen mehr?

Während sowohl der 991.1 Turbo S auf Dunlop Sport Maxx Race als auch der 991.2 Turbo S auf Pirelli P Zero Corsa N0 mit optionalen UHP-Sportreifen erhältlich waren und damit auch einst im Supertest angetreten sind, wurde der Sportpneu für die aktuelle Turbo-Generation gestrichen.

Die Begründung von Porsche-Seite: Die Verkaufszahlen eines Sportreifens seien beim 911 Turbo S viel zu gering. Warum gibt es dann aber für einen Cayenne Turbo genauso optionale Pirelli-P-Zero-Corsa-Reifen wie für den Panamera Turbo S, der optional mit Michelin Pilot Sport Cup 2 ND0 erhältlich ist? Ganz einfach – zugespitzte Sportreifen werden für SUV- und Oberklassemodelle hauptsächlich aus zwei Gründen entwickelt: um Pressevergleichstests zu gewinnen und Rundenrekorde möglich zu machen. Die Kundenorientierung stand hier nicht im Fokus.

Vielleicht benötigt der 992 Turbo S auch einfach keine Sportreifen, weil Porsche als erstem Hersteller eine ­Eier legende Wollmilchsau beim Thema Bereifung geglückt ist. Ist der Pirelli P Zero NA1 nicht nur beim Nassgripverhalten besser als ein Sport­reifen, sondern auch beim Trockengrip?

Diffuses Trockengripniveau

Porsche 911 Turbo S, Exterieur Foto: Achim Hartmann
Dem 992 Turbo S gelingen mit Standardreifen UHP-ähnliche Warmbremswerte. Großen Anteil an der Bremsperformance haben dabei die beeindruckende PCCB-Keramikbremsanlage und die sehr gute ABS-Abstimmung.

Bei der standardisierten Bremsmessung aus 100 km/h scheint das fast so. Dem 992 Turbo S gelingen mit Standardreifen UHP-ähnliche Warmbremswerte. Zum Vergleich: 31,3 Meter Bremsweg für den 991.2 Turbo S auf Pirelli P Zero Corsa N0, 31,5 Meter Bremsweg für das aktuelle Modell auf Pirelli P Zero NA1.

Normalerweise hat ein Sportreifen im Warmzustand bei der Verzögerung deutlich Vorteile, während er im Kaltzustand spürbare Nachteile offenbart. Mit 32,9 Metern glänzt der NA1 auch mit einem hervorragenden Kaltbremsweg (Kaltbremsweg des 991.2 Turbo S auf Pirelli P Zero Corsa N0: 35,5 m) – Respekt auch an dieser Stelle an die Reifenentwickler, die damit den Anforderungen im Lastenheft mehr als gerecht geworden sind.

Großen Anteil an der Bremsper­formance haben natürlich die beein­druckende PCCB-Keramikbremsanlage (erstmals in einem 911 mit Zehn-Kolben-Bremssätteln an der Vor­der­ach­se) und die sehr gute ABS-Abstimmung. Im Grenzbereich auf der Rennstrecke lässt sich die Bremsanlage des 992 Turbo S übrigens gut dosieren – besser als noch beim 992 Carrera S. Beide Modelle sind ja mit dem erstmals in einer 911-Genera­ti­on verbauten elektrischen Brems­kraft­verstärker (eBKV) ausgestattet.

Auch in Hockenheim scheint der Pirelli P Zero NA1 uns Sportreifenverfechter zunächst eines Besseren zu belehren. Mit einer Rundenzeit von 1.47,8 Minuten schlägt der 992 Turbo S hier waschechte Semislick-Helden à la Mercedes-AMG GT R Pro (1.48,0 min), McLaren 600LT (1.48,9 min) und Lamborghini Huracán Evo (1.49,0 min). Chapeau!

Porsche 911 Turbo S, Hockenheimring Foto: Hans-Dieter Seufert
In Hockenheim überlagert das Gesamtkonzept die Reifeneigenschaften und wirkt schlüssig. Nach zwei bis drei Runden auf dem GP-Kurs baut allerdings der Trockengrip ab.

Doch die schnelle Rundenzeit täuscht über das Verhalten des NA1-Reifens im Grenzbereich hinweg. Selbst mit flammneuen Pneus ist das Gripniveau nicht so griffig und fo­kus­siert wie bei einem Sportreifen, sondern wirkt diffuser und leicht rutschend am Limit. Diese leicht radierende Haftungseigenschaft der Pneus muss man quasi "überfahren", indem man den Turbo S einfach in höhere Schwimmwinkel zwingt.

Einlenken, früh Vollgas geben und, auch wenn es leicht schiebt oder drückt, einfach weiterlenken und voll auf dem Fahrpedal bleiben – bei der Ideallinienjagd unterstützen va­ri­ab­les Allradsystem, elektronisch geregelte Hinterachs-Quersperre, PASM-­Adap­tiv­fahrwerk, PDCC-Wank­stabi­li­sie­rung und PSM-Sportmodus den Fahrer. In Hockenheim überlagert das Ge­samtkonzept die Reifen­eigen­schaf­ten und wirkt schlüssig.

Nach zwei bis drei Runden auf dem GP-Kurs baut allerdings der Trockengrip ab. Einlenkpräzision und bärige Traktion ziehen sich immer mehr zurück und wechseln mit steigenden Reifentemperaturen in ein schmieriges Fahrverhalten. Auch beim Anbremsen ist dieser Gripwechsel wahrnehmbar. Anfangs recht späte Bremspunkte verschieben sich suk­zessive weiter nach vorne, da eine auswischende, leicht schiebende Vorderachsrückmeldung beim Anbremsen immer präsenter wird.

Währenddessen verrichten die elek­tromechanische Lenkung mit variabler Lenkübersetzung (14,4 : 1 [Mittellage] bis 12,5 : 1) sowie das neue Achtgang-PDK (Vorgänger mit Siebengang-PDK) einen souveränen Job. Die Rückmeldung der Lenkung wirkt auf der Rennstrecke weder zu stumpf noch zu spitz. Dem PDK kann man im Grenzbereich ruhig selbst die Gangwechsel überlassen. Die Schaltpunkte passen perfekt. So gut wie Porsche appliziert seit Jahren keiner die automatisierten Schaltvorgänge.

Porsche 911 Turbo S, Interieur Foto: Achim Hartmann
7.17 Minuten ist nicht langsam. Schneller war im Supertest noch kein Sportwagen ohne Semislicks. Von Porsche waren wir jedoch beim Modellwechsel des 911 Turbo bisher immer deutliche Zeitsprünge gewohnt.

Und mit diesen Voreindrücken geht es auf die Nordschleife. Meine Erwartungshaltung: Wenn der 992 Turbo S in Hockenheim einen Mer­cedes-AMG GT R Pro knapp schlägt, wird er ihn auch am Ring im Griff ­haben – oder sogar dominieren. Rundenzeit des AMG GT R Pro? 7.07 Minu­ten. Zwar gelang dem AMG diese fixe Rundenzeit auf seinen extremen Michelin-Trackreifen, doch dafür tritt der Porsche mit 65 PS mehr Nennleistung als der GT R Pro an.

Erst 7.25, dann eine 7.21, und bei 7.17 Minuten bleibt die Stoppuhr für den 992 Turbo S schlussendlich stehen – Schweißtropfen, Kopfschütteln, Ernüchterung. Zurück in der Werkstatt nimmt mich dankenswerterwei­se ein Porsche-Mitarbeiter zur Seite und verrät die interne Erwartungshaltung, die auch den Zeitenkorridor offenbart, den Porsche bei seinen internen Testfahrten auf der Nordschleife ermittelt hat. O-Ton: "Wenn du mit dem 992 Turbo S so schnell bist wie mit 991.2 Turbo S auf Corsa, ist alles in Ordnung."

Langsam wird klar, warum Porsche diesmal keine eigene, offizielle Nordschleifen-Rundenzeit veröffentlicht hat. Der 992 Turbo S absolviert die Nordschleife mit NA1-Bereifung nicht schneller als der 991.2 Turbo S auf Corsa-Pneus – und das, obwohl der aktuelle 3,8-Liter-Biturbo 70 PS mehr Nennleistung als das Vorgängertriebwerk mobilisiert. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: 7.17 Minuten ist nicht langsam. Schneller war im Supertest noch kein Sport­wa­gen ohne Semislicks. Von Porsche waren wir jedoch beim Modellwechsel des 911 Turbo bisher immer deutliche Zeitsprünge gewohnt.

Noch mehr als die Rundenzeit hat jedoch das subjektive Fahrgefühl auf der Nordschleife überrascht. Reinsetzen, wohlfühlen, sofort schnell sein? Nein! Die für nahezu alle aktuellen Porsche-Modelle auf der Nordschlei­fen-­Topografie so prägende Charak­te­ris­tik gilt für den Turbo S nur ­bedingt. Insgesamt vermittelte der 991.2-Vorgänger mit Corsa-Bereifung am Ring mehr Vertrauen im Grenzbereich als das aktuelle Modell.

Wir vermissen die Sportreifen

Porsche 911 Turbo S, Nordschleife Foto: Achim Hartmann
Den leicht rutschenden Reifengrip kann man vielleicht in Hockenheim mit größeren Schwimmwinkeln kompensieren, auf der Nordschleife will das nur bedingt gelingen. Dieses Fahrverhalten raubt hier besonders Vertrauen.

Ursachenforschung, Punkt 1: Den leicht rutschenden Reifengrip kann man vielleicht in Hockenheim mit größeren Schwimmwinkeln kompensieren, auf der Nordschleife will das nur bedingt gelingen. In den Hockenheimer Rechtsknick vor der Mercedes-Tribüne sticht man zum Beispiel relativ entspannt rein, da man die asphaltierte Auslaufzone neben der Piste als Notlösung im Hinterkopf hat. Auf der Nordschleife gibt es keine Notlösungen, da die Auslaufzonen winzig sind. Ein rutschendes oder schmierendes Fahrverhalten raubt hier besonders Vertrauen. Auf der Nord­schleife hilft es dem Fahrer, wenn der Reifen ihm einen verlässlichen und exakt definierten Grenzbereich präsentiert.

Der Vorteil des erstmals für den Turbo S optional angebotenen PASM-Sportfahrwerks wird durch den ­Ver­zicht auf einen ausgewiesenen Sport­reifen konterkariert. Das Sportfahrwerk umfasst kürzere Federn mit sportlicheren Federraten und ein anderes Set-up des PDCC-Wankausgleichs. Tieferlegung? Ja, um zehn Millimeter. Trotz des Sportfahrwerks sind die Kurvengeschwindigkeiten des 992 Turbo S mit Pirelli P Zero NA1 bis auf wenige Ausnahmen langsamer als jene des 991.2 Turbo S auf Corsa-Pneus.

Übrigens: Für das 991.2-Vorgänger­modell war das PASM-Sportfahrwerk ebenfalls fertig entwickelt, schaffte es aber nicht zur Serienreife. Zum Glück für den aktuellen Turbo S, sonst wäre seine Rundenzeit auf der Nordschleife jetzt mit Sicherheit lang­samer als die seines Vorläufers.

Porsche 911 Turbo S, Nordschleife Foto: Achim Hartmann
Im absoluten Grenzbereich filtert der PDCC-Wankassistent fast sämtliche Nordschleifen-Bodenwellen weg. Die etwas synthetische Rückmeldung resultiert in unvorhergesehenen Fahrzeugreaktionen.

Ursachenforschung, Punkt 2: Im absoluten Grenzbereich filtert der PDCC-Wankassistent fast sämtliche Nordschleifen-Bodenwellen weg. Man hat ein bisschen das Gefühl, als ob man auf einem Luftkissenboot über die Nordschleife schweben würde. Dadurch wirkt die Rückmeldung nicht nur etwas synthetisch und leicht abgekoppelt, sondern es kommt auch zu unvorhergesehenen Fahr­zeug­reaktionen. Der Turbo S signa­li­siert seinem Fahrer auf der Nordschleife nie so wirklich, dass der Grenzbereich erreicht ist. Und ist das Limit dann einmal ausgereizt, wird dieser Elfer urplötzlich spitz.

Zum Beispiel zu Beginn der Nordschleife, auf der welligen Passage nach dem schnellen Hatzenbach­bo­gen und vor den Hatzenbach-Wechselkurven. Normalerweise signali­sie­ren einem die Aufbaubewegungen eines Fahrzeugs auf diesen Bodenwellen irgendwann, dass es höchste Zeit ist, den Fuß vom Fahrpedal zu nehmen und anzubremsen. Der Turbo S vermittelt dir mit geringen Aufbaubewegungen zunächst eine trügerische Sicherheit – und wenn man den richtigen Bremspunkt dann nur einen Tick verpasst, versetzt er plötzlich rabiat beim Anbremsen. Auf einen plötzlichen Versatz muss man sich im Turbo S auch auf der quer über die Piste verlaufenden Welle vor der schnellen Metzgesfeld-Links vorbereiten.

Ursachenforschung, Punkt 3: Nach Metzgesfeld 1 kommt mit Metzgesfeld 2 eine Stelle, an der eine andere Grundsatzthematik des 992 Turbo S auffällt. Anbremsen, runterschalten, dann wieder aufs Gas – im Vergleich zum 991.2 Turbo S hat der aktuelle 3,8-Liter-Biturbo zwar mehr Leistung, hängt aber im mittleren Drehzahlbereich nicht ganz so gierig wie das 580 PS starke Vorgängertriebwerk am Gas.

Noch mehr Leichtbau, bitte

Porsche 911 Turbo S, Leistungsmessung Foto: Hans-Dieter Seufert
Mit 1.622 Kilo (1.656 kg mit nicht verkäuflichem Sicherheitspaket samt Cup-Vollschalensitz und ­Titan-Überrollbügel) ist der 911 Turbo S 45 Kilo schwerer als sein Vorgänger.

Und es gibt zahlreiche solcher Ecken auf der Nordschleife, in denen der aktuelle Turbo S durch sein leicht verzögertes Ansprechverhalten Zeit im Vergleich zum Vorgänger liegen lässt. Der längsdynamische Vorteil des 992 Turbo S (0–200 km/h: 8,6 s) gegenüber dem 991.2 Turbo S (0–200 km/h: 9,9 s) verpufft dadurch am Ring weitgehend.

Ursachenforschung, Punkt 4: Mit 1.622 Kilo (1.656 kg mit nicht verkäuflichem Sicherheitspaket samt Cup-Vollschalensitz und ­Titan-Überrollbügel) ist der 911 Turbo S 45 Kilo schwerer als sein Vorgänger. Und die Entwicklung der Gewichtsspirale ist wohl auch nicht aufzuhalten, wenn das Facelift 992.2 Turbo S den Gerüchten zufolge wirklich als E-Hybrid an den Start gehen wird.

Es sei denn, Porsche setzt zukünftig nicht nur in seinen GT-Modellen, sondern auch in den Serienfahrzeugen großflächig auf leichtere Kompositmateria­li­en à la Kohlefaser. Gleichteilstrategie und Kostendruck hin oder her. Andernfalls knackt der 911 Turbo S in absehbarer Zeit die 1.700-Kilo-Marke.

McLaren macht vor, wie man auch heutzutage immer noch relativ leichte Sportwagen bauen kann. Das optional erhältliche Leichtbaupaket, das unser Turbo-S-Testwagen ebenfalls an Bord hatte, ist ein erster Ansatz. Die leichtere Verglasung, Vollschalensitze, reduzierte Dämmung und der Verzicht auf die Hintersitzanlage sparen 30 Kilo. Ebenfalls gegen Aufpreis gibt’s noch ein Carbon-Dach.

Sportfahrwerk, Leichtbaupaket, Carbon-Dach – das schreit doch alles förmlich auch nach ­einem optionalen UHP-Sportreifen für den direkten Nachfolger 992.2. Dann feiern wir den 911 Turbo S sicherlich nicht nur als Regenkönig – sondern auch wieder als Nordschleifen-Held.

Fazit

92

Dank der neuen Pirelli-Bereifung profitieren nochmals die Alltagseigenschaften des 911 Turbo S, der ja ohnehin zuvor schon mit einer sehr hohen Alltagstauglichkeit überzeugt hat. Kein aktueller Sportwagen glänzt bei Nässe mit einer derart sicheren Fahrbarkeit. Auf der Rennstrecke, speziell auf der Nordschleife, ist das stets von einem leichten Rutschen im Grenzbereich geprägte Trockenhandling gewöhnungsbedürftig. Ein optionaler Sportreifen wäre wünschenswert.