VW Golf VI GTI im Test

Das Alpha-Tier der Kompaktklasse

Schon der alte VW Golf GTI war ein Agilitätskünstler – wenn auch ein straffer. VW hat es mit viel Elektronikpower geschafft, den neuen noch besser, schneller und komfortabler zu machen. Wie schlägt sich also der VW Golf 6 GTI im Test?

VW Golf GTI Test Foto: Hans-Dieter Seufert 22 Bilder

Man muss es sich einfach mal bildlich vorstellen: 1973 sitzen die VW -Versuchsingenieure Hablitzel, Horntrich, Konrad, Löwenberg und Schwittlinsky bei Schnittchen und Bier in einer Wolfsburger Privatwohnung und erfinden den VW Golf VI GTI. Das Auto, das ab 1976 eine Nation für ca. 7.000 Euro zu Motorsportlern macht, tradierte Standesgrenzen pulverisiert und Porsche-Eigner zum Tuner treibt. Worte wie Legende oder Ikone fallen heute allzu schnell, doch der VW Golf GTI ist eine – geboren in der guten Stube. Auch wenn er später einige dunkle Jahre unentschlossen nur von seinem Ruf zehrt, anstatt ihn wirklich einzulösen. 2004 holt VW den GTI endlich wieder aus der Versenkung der Ausstattungslinien heraus, mit rotem Kühlerband, 200 PS und exzellenter Abstimmung bis unter den Dachhimmel motiviert zur stimmigen Fortführung des Epos.

VW Golf 6 GTI bleibt im Test nicht ohne Kritik

Für Nummer fünf folgen fünf Sterne und zahllose Vergleichstestsiege. Es gibt schnellere und auch komfortablere Kompaktsportler, aber keinen, der zum fairen Preis alles so massenverträglich vereint wie der VW Golf GTI. Ganz kritiklos kommt er freilich nicht davon. Die orthopädisch Sensiblen schmerzt sein rüdes Zwiegespräch mit Bodenwellen, die ökologisch Korrekten erwarten vom Direkteinspritzer noch weniger Test-Verbrauch, und die harten Sportler überzeugt bei der Zeitenhatz das bisweilen hilflose Kurvenausgangsscharren nicht. Und damit sind wir mittendrin in der sechsten Generation niedersächsischer Volksbelustigung.

Test-Anspruch: Der neue VW Golf GTI soll alles besser können

Die soll das nämlich alles besser können. Auch wenn sie von vorne so grimmig dreinschaut, als hätte man ihr den Plakettengrill geklaut. Dieser Orden VWscher Designverwirrungen fehlt tatsächlich. Dafür streben am Heck des VW Golf GTI jetzt zwei verchromte Endrohre an einem Unterboden-Diffusor vorbei. Alles überdacht von einer breiten Spoilerschippe am Dach. Damit die Freaks am Wörthersee ungemobbt vorwärts einparken können. Das schmutzigresonierende Geräusch, das ihm bei hohen Drehzahlen entfleucht, klingt wie morgendliches Gurgeln nach einem Junggesellenabschied.

Es ist der gekonnt abgestimmte Lockruf des Fahrspaßes, den der wildeste VW Golf bietet. Schon bei 1.700 Touren steht der Rote im vollen Drehmomentsaft von 280 Nm und schiebt im Test sich und seine Passagiere mit dem lässigen Selbstbewusstsein breiter Elastizität über den Asphalt. Es ist sein voller Ernst, wenn der VW Golf 6 GTI beim Bummeln schon bei knapp über 60 km/h den sechsten Gang empfiehlt. Der EA888 verrichtet seinen Dienst mit der ruhigen Professionalität eines Großserien-Vierzylinders und dem Dampf und Herz eines bis 6.900 U/min drehenden Turboaggregates. Nur einen Wimpernschlag dauert die Druckaufbau-Verzögerung, dann stürmt der VW Golf VI GTI davon, als wäre die Abwrackprämie hinter ihm her.

In 6,9 Sekunden von null auf 100 km/h

Zum alten Eisen gehört in diesem Fall jedoch nur der drei Kilogramm schwerere Zweiliter- Vorgängermotor. Der EA888 basiert dagegen auf dem 1,8-Liter-TSI-Passat-Motor mit neu angeordnetem, widerstandsärmerem Nebentrieb. Mit oder trotz 210 PS unterbricht der neue VW Golf GTI gleich zwei Mal die Siebener-Marke: In 6,9 Sekunden flitzt jetzt schon der Sechsgang-Handschalter von null auf 100 km/h, und mit 6,8 Liter Test-Verbrauch pro 100 Kilometer liegt er auch beim Minimalverbrauch 0,4 Liter niedriger als sein gleich schwerer Vorgänger. Ihn unter neun Liter Verbrauch zu pilotieren, erfordert keinerlei Selbstkasteiung.

Noch mehr als seine Vorgänger beherrscht der neue VW Golf GTI also den Spagat zwischen Sport und Vernunft. Dazu passt, dass er an der Ampel mit von der Hatz noch knisterndem Auspuff unschuldig leise summt wie ein frisch ertappter Lausbub. So brav er sich bedächtig geführt fährt – wer ihn reizt, dem wirbelt er tiefergelegt (vorne 22, hinten 15 Millimeter) mit grandioser Agilität um die Ohren.

Wie ein Schuss Tabasco feuert ein kurzer Lastwechsel-Hüftschwung (hinten härterer Stabilisator) den Kurveneinstieg an. Stur krallen sich die 225er Michelin-Reifen an der Innenseite fest. Untersteuern erfordert Mutwillen. Um dann kurvenausgangs mit elektronischer Traktionshilfe herauszufeuern. Sensible Test-Piloten spüren hier leichten Antriebseinfluss. Die Präzision der wohl besten elektromechanischen Lenkung beeinträchtigt das kaum. Der Kopf sagt „nur ein Golf“, das Popometer „aber was für einer“. VW Golf GTI-Kenner kneifen dann auf gebeutelten Straßen schon mal ebenjenes Hinterteil zusammen.

Freut den Tester: Bequeme Recaro-Sportsitze im VW Golf GTI

Doch außer erhöhten Abrollgeräuschen und dem harten Ich-bin-eben-doch-ein-Sportler-Klackern auf Querfugen entwickelt der Neue inzwischen Altersmilde im Komfort. Mit Lagern und Aufhängungen, die auf ein geringeres Losbrechmoment optimiert wurden, sowie den sehr empfehlenswerten adaptiven Dämpfern wird der VWGolf GTI nach 33 Jahren sogar zum Reisemobil. Zu soft für harte Kerle? Kein Problem, ein Druck auf Sport – schon hoppelt er fast wieder wie früher. Eine Hoffnung bleibt: Dass sich die Zuffenhausener Konzernspitze mal in die genialen Schottenkarosessel setzen möge und fühlt, wie bequem Sportsitze sein können.

Großes Test-Bedauern: Der Golfball-Schaltknauf fehlt im VW Golf GTI

Was leider wieder fehlt, ist der kultige Golfball-Knauf auf der knackig-exakten Sechsgangschaltung, die nur im exzellenten Gestänge eines Honda Civic Type R ihren Meister findet. Dafür gibt es ein unten abgeflachtes Lenkrad, Edelstahl-Pedalerie und einen 280-km/h-Tacho im VW Golf 6 GTI. Perfekt verarbeitet, wenig aufregend, aber auch auf keinen Fall überwürzt. Mehr Biss wäre im Test nur bei der Verzögerung wünschenswert. 39 Meter aus 100 km/h mit kalten Bremsen sind okay, aber nicht vorbildlich in diesem Segment. Eine Bürde, die sich der VW Golf GTI selbst auferlegt hat: Je konsequenter VW die Stärken bewahrt und die Schwächen ausmerzt, desto höher wird auch der Anspruch an das Alpha-Tier der Kompaktklasse.

Mit Klimaautomatik, CD-Radio, Parkpilot und 17-Zoll-Leichtmetallfelgen ist der VW Golf GTI für 26.650 Euro (Zweitürer) das Angebot für alle, die auch in wirtschaftlich-ökologisch schwierigen Zeiten Autofahren lieben. Ja GTI, beim Preis-Spaß-Vernunft-Verhältnis bist du der Maßstab. In Wolfsburg darf gefeiert werden – bei Schnittchen und Bier?

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • gutes Raumangebot
  • hochwertige Qualitätsanmutung
  • sehr einfache Bedienung
  • gute Übersichtlichkeit
  • geringe Variabilität
Fahrkomfort
  • exzellente Sportsitze
  • guter Gesamkomfort
  • gute Klimatisierung
  • relativ laute Abrollgeräusche
Antrieb
  • sehr elastischer Turbomotor
  • sehr gute Fahrleistungen
  • sehr hohe Laufkultur
  • präzise Sechsgangschaltung
  • sportlich, attraktiver Motorsound
  • gute Kurventraktion dank elektronischem Sperrdifferenzial
Fahreigenschaften
  • sehr sicheres Kurvenverhalten
  • gut abgestimmtes ESP
  • exzellentes Handling
  • präzise Lenkung
Sicherheit
  • standfeste, fein dosierbare Bremsen
  • umfangreiche Sicherheitsausstattung
Umwelt
  • angemessener Verbrauch
  • Schadstoff-Emission nach Euro 5
Kosten
  • guter Wiederverkaufswert
  • umfangreiche Ausstattung
  • nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Hut ab, Spoiler drauf: Der neue VW Golf VI GTI bewahrt die Stärken und merzt die Schwächen des Vorgängers aus. Er ist der perfekte Allrounder: agil, leidenschaftlich, schnell, vernünftig, angemessen komfortabel und sparsam.