VW Golf GTI Clubsport 45 im Test

Was bringt der Nordschleifen-Modus?

Golf im Schafspelz – die Line ist ein Klassiker, so wie der VW Golf GTI selbst. Zum 45. Geburtstag der Kompakt­-Ikone rocken wir die Nordschleife mit dem dezenten, aber anregenden Jubi-Modell.

VW Golf GTI Clubsport 45, Nordschleife Foto: Hans-Dieter Seufert 25 Bilder

In Mitarbeitergesprächen steigen Vorgesetzte ja gern arbeitspsychologisch clever ein und loben erst positive Aspekte, um dann Negatives zu besprechen. Heute bin ich der Chef des VW Golf GTI Clubsport 45, aber wir reden direkt Tacheles: Wer hat bloß die Langsamkeit des Infotainment-Systems abgenickt? Und wer hat sich bloß diese chaotische Menüführung ausgedacht, in der man als Sportfahrer minutenlang die ESP-Deaktivierung sucht? Nein, dieses Digitalchaos hat der GTI der achten Generation nicht verdient, denn aus fahrdynamischer Sicht ist er speziell als Clubsport ein wirklich guter Kompaktsportler geworden.

Warum ich mich über den Digital-Fauxpas so aufrege? Weil ich gerade mit Rennhelm im Cockpit vor der Nordschleife sitze, die Strecke trocken ist und der Einzige, der nicht in die Pötte kommt, der Golf GTI Clubsport 45 ist – genauer: dessen Infotainment-Chaos. Handgestoppte 19,73 Sekunden hat es gedauert, bis das System hochgefahren war. Kein Witz: Schaut es Euch in den Reels auf meinem Instagram-Kanal an.

Und wenn das System dann endlich hochgefahren ist, reagiert die Touchfunktion des Displays erstaunlich zeitversetzt. Manchmal tippt man gar ein zweites Mal auf die betreffende App im Display, da man nicht sicher ist, ob das System den Befehl aufgenommen hat.

VW Golf GTI Clubsport 45, Exterieur Foto: Hans-Dieter Seufert
Exklusiv: schwarzes Dach und -spoiler sowie Race-Paket mit schwarzen 19-Zoll-Rädern und Akrapovic-Abgasanlage.

Zum Thema ESP kann ich nur fragen: Warum wurde die ESP-Taste aus der siebten GTI-Generation denn in Rente geschickt? Das mit dem langen Drücken hat doch prima funktioniert – sowohl für die Sportfahrer als auch als Sicherheitsschwelle für die Unwissenden. Genug der Schelte – manche Dinge im Automobilbau muss man nicht kapieren.

Jetzt wird gefeiert. 45 Jahre haben die drei ikonischen Buchstaben seit der Erstpräsentation des Ur-GTI im Jahr 1976 nun auf dem Buckel. Respekt, herzlichen Glückwunsch!

Womit wird die Jubi-Version im Vergleich zum normalen Clubsport ohne 45-Kürzel beschenkt? Neben dem schwarz lackierten Dach samt schwarzem Dachkantenspoiler trägt der Geburtstags-GTI die Zahl 45 auf den Seitenschwellern sowie auf der Sechs-Uhr-Position im Lenkrad.

VW Golf GTI Clubsport 45, Exterieur Foto: Hans-Dieter Seufert
Neu abgestimmt wurden die Querlenkerlager, Federn und Dämpferhydrauliken an Vorder- und Hinterachse.

Ebenso exklusiv für den Clubsport 45: das Race-Paket. Das Paket beinhaltet neben den schwarzen 19-Zoll-Rädern Scottsdale mit tornadorotem Lackstreifen am Felgenrand auch eine zweiflutige Titan-Abgasanlage von Akrapovic sowie die Vmax-Anhebung von 250 auf 267 km/h. Zudem serienmäßig beim Clubsport 45: die LED-Matrix-Scheinwerfer mit dem GTI-typischen roten Streifen.

Noch mehr feierst du den Clubsport 45, wenn du mit ihm in der Sabine-Schmitz-Kurve die Nordschleife unter die Räder nimmst. Einsteigen, losfahren, schnell sein – der Automatismus, dass man sich nicht lange einschießen muss, sondern dem Kompaktsportler aus Wolfsburg schon im Hatzenbach viel Vertrauen im Grenzbereich entgegenbringt, zeigt, dass die Fahrdynamikentwicklung wieder gute Arbeit geleistet hat.

Cool: der Nordschleifen-Modus

Ein Nachfolgemodell aus querdynamischer Sicht schneller zu machen, ist sicherlich nicht das Problem. Ein Nachfolgemodell nicht mit einer spitzeren Abstimmung schneller zu machen, sondern gleichzeitig die gute Fahrbarkeit des Vorgängers zu erhalten oder noch zu verbessern – das ist eine Herausforderung. Wie das den Fahrwerkern gelungen ist?

VW Golf GTI Clubsport 45, Interieur Foto: Hans-Dieter Seufert
Das Jubi-Modell verfügt über einen Special-Mode, der speziell für die Nürburgring-Nordschleife appliziert ist.

Fahrwerksseitig profitiert der Golf GTI Clubsport von einer Reihe Modifikationen. Im Vergleich zum Golf VII GTI kommen bei den Modellen der achten Generation beispielsweise neu abgestimmte Querlenkerlager, Federn und Dämpferhydrauliken an Vorder- und Hinterachse zum Einsatz. An der Hinterachse werden zudem neue Dämpferlager und neue Radträger genutzt. Die Federraten erhöhten die Fahrdynamikentwickler an der Vorderachse um 5 Prozent und an der Hinterachse um 15 Prozent. Beim Clubsport wurde außerdem die Karosserie um 10 Millimeter abgesenkt.

Der Clubsport fährt auch eine aggressivere Vorderachsabstimmung als die normalen GTI-Modelle. Seine Sturzwerte an der Vorderachse sollen denen des Golf VII GTI Clubsport S entsprechen. Wir denken kurz zurück an das auf 400 Exemplare limitierte Sondermodell von 2016, das seinerzeit den Nordschleifen-Rekord für Fronttriebler gehalten hat.

Im Supertest-Ranking ist der 310 PS starke Clubsport S bis heute noch der schnellste Golf. Mit gemessenen –1°03’ sind die Sturzwerte beim heutigen Testwagen jedoch wesentlich zahmer abgestimmt als seinerzeit beim Clubsport S mit gemessenen –2°06’ (siehe sport auto 7/2016).

VW Golf GTI Clubsport 45, Nordschleife Foto: Hans-Dieter Seufert
Auf der Nordschleife überzeugt der GTI Clubsport 45 mit einfacher Fahrbarkeit.

Über den sogenannten Fahrdynamikmanager werden die elektronisch geregelte Vorderachsquersperre, die elektronische Differenzialsperre und die DCC-Adaptivdämpfer koordiniert angesteuert. Neben den Fahrprogrammen Eco, Comfort, Sport und Individual gibt es beim Clubsport jetzt den sogenannten Special-Mode, ein Unterprogramm des Sport-Modus, der speziell für die Nürburgring-Nordschleife appliziert ist.

Neutral und fahrstabil

Was passiert, wenn der Special-Mode angewählt wird? Dass sich die VW-Fahrwerksabteilung speziell um die Nordschleifen-Fans gekümmert hat, wird dem Fahrer dann auf dem Infotainment-Display mit folgender Informa­tion mitgeteilt: "In diesem Fahrprogramm wird das gesamte Fahrzeug für eine optimale Performance auf der Nordschleife des Nürburgrings eingestellt. Besonders die adaptive Fahrwerksregelung DCC und die Querdynamiksysteme sind auf dieses spezielle Streckenprofil abgestimmt. Natürlich können Sie das Profil auch außerhalb der Nordschleife wählen. Für Rennstrecken ohne die einzigartige Streckencharakteristik der Nordschleife ist aber das Fahrprofil Sport besser geeignet."

Die Vorderachse lenkt auf der Nordschleife präzise ein, bevor sie irgendwann sanft ins Untersteuern geht, wenn man zu stark "pushen" will. Die Hinterachse präsentiert sich äußerst fahrstabil und agiert jederzeit vorhersehbar, da der Clubsport auf Lastwechselgehabe fast völlig verzichtet.

VW Golf GTI Clubsport 45, Nordschleife Foto: Hans-Dieter Seufert
Nur in wenigen Fahrzeugen schöpft man so schnell Vertrauen und tastet sich so schnell ans Limit heran wie im Clubsport.

Insgesamt überzeugt der GTI Clubsport auf der gesamten Nordschleife mit seiner weit­gehend neutralen Fahrwerksabstimmung und seiner einfachen Beherrschbarkeit. Nicht zu weich, nicht zu hart – man merkt sofort, dass dieses Fahrwerk ausgiebig am Ring erprobt wurde und dass es sich beim Nürburgring-Modus nicht nur um eine Marketing-Idee mit leeren Worthülsen handelt. Überraschungen auf den 20,6 Kilometern? Nicht die Spur – hier muss man keine pulstreibenden Momente fürchten.

Im Gegenteil: Während die Vorgängermodelle unter hoher Querbeschleunigung – im Hatzenbachbogen oder wenn man mit Volllast durch die Kompression der Fuchsröhre fuhr – immer mal wieder durch ihre kurz verhärtende Lenkung aufgefallen sind, konnte dieses Phänomen im GTI VIII Clubsport endgültig abgestellt werden. Die weiterentwickelte Progressivlenkung mit zwei wählbaren Kennlinien für das Handmoment (Comfort, Sport) und progressivem Übersetzungsverhältnis ist weder stumpf noch ultraspitz, sondern ein gelungener Kompromiss, der gut im Alltag wie auch auf der Rennstrecke funktioniert. Speziell auf der Nordschleife verhält sie sich unauffällig und bringt mit ihrer Rückmeldung keine unnötige Unruhe ins Fahrzeug.

Kommen wir zu EA 888 evo4 – so die Motorenbezeichnung für den 300 PS starken Zweiliter-TSI-Vierzylinder. Damit leistet der aktuelle Clubsport 35 PS mehr als der Golf VII GTI Clubsport und 10 PS mehr als der GTI TCR. Speziell das TSI-Exemplar im aktuellen Testwagen geht gut – WOB-GO 100 unterbietet beispielsweise die 0–100-Werksangabe in 5,4 Sekunden um zwei Zehntelsekunden. Auch der im Sport-Modus kernige Volllastklang, der sich mit bollerndem Akrapovic-Abgasräuspern beim Gaslupfen abwechselt, gefällt.

Gute Bremse, feines ABS

VW Golf GTI Clubsport 45, Hockenheimring Foto: Hans-Dieter Seufert
Die Clubsport-Bremse mit 18-Zoll-Bremsanlage an der Vorderachse punktet mit guter Pedaldosierbarkeit sowie einem fein regelnden ABS.

Jetzt kommen wir zum ABER, das speziell beim Rennstreckenbesuch auffällt. Wenn man im Getriebe-S-Modus per Wippenzug runterschaltet und dann wieder herausbeschleunigen will, reagiert der Clubsport träge, hängt nach dem Hochschaltvorgang noch eine Gedenksekunde gefühlt im Begrenzer und nimmt das Gas nicht spontan genug an. So gehen am Limit wertvolle Zehntel verloren.

Besonders auffällig war dieses Phänomen in Hockenheim beim Herausbeschleunigen aus der Spitzkehre. Auf der Nordschleife tritt die Thematik nur in Wehrseifen und vor der letzten Rechtskurve vor Start-Ziel an der T13 auf. Alles Kurven, bei denen vom zweiten in den dritten Gang geschaltet wird. Der Wechsel von Gang drei nach vier gestaltet sich meist problemlos.

Am besten gelingen die Schaltvorgänge im Grenzbereich mit der Clubsport-spezifischen Kennlinie des Nürburgring-Spezialmodus, wenn man das Getriebe autonom die Gänge wechseln lässt und maximal zum Runterschalten die linke Schaltwippe manuell betätigt. Ja, an dieser Stelle denkt man schon mit ein bisschen Wehmut an das manuelle Getriebe zurück, das ja nur noch im Basis-GTI, nicht aber mehr im Clubsport angeboten wird.

VW Golf GTI Clubsport 45, Nordschleife Foto: Hans-Dieter Seufert
Bis auf die Getriebethematik verdient sich die Fahrdynamik des Clubsport 45 ein großes Lob – schon nach wenigen Kurven fühlst du dich im Grenzbereich wohl.

Bis auf die Getriebethematik verdient sich die Fahrdynamik des Clubsport 45 ein großes Lob – beispielsweise auch für das hohe Gripniveau der optionalen Sportbereifung vom Typ Michelin Pilot Sport Cup mit N0-Kennung. Ein Pflichtextra, wenn man gelegentlich auch mal einige Touri-Ründchen in Hockenheim oder auf der Nordschleife drehen will.

Sowohl in Hockenheim als auch auf der Nordschleife punktet der Clubsport 45 mit seiner gut dosierbaren Bremsanlage und fein abgestimmten ABS-Regelung. Fading? Ein absolutes Fremdwort für den Jubi-GTI. Auch dafür verdient er sich ein anerkennendes Kotflügelklopfen. Eine stand­feste Bremsanlage ist unter den Kompaktsportlern nämlich noch keine Selbstverständlichkeit.

Fazit

55

Sieht man vom digitalisierten Cockpit ab, gibt’s ein Lob für den Golf VIII GTI Clubsport 45. Im Alltag nervt dich der Kompaktsportler auch auf langen Strecken nicht, er überzeugt mit seiner Alltagstauglichkeit. Auf der Rennstrecke steigst du ein und fühlst dich schon nach wenigen Kurven im Grenzbereich wohl. Kaum ein anderer Kompaktsportler vermittelt so viel Vertrauen am Limit wie der GTI.