VW Golf R Variant im Test

Ist er das automobile Multitool?

High-Performer, Anhängerwegzieher, Familien-Shuttle: Kann er wirklich alles? Wir haben es getestet.

VW Golf R Variant Foto: Hans-Dieter Seufert 10 Bilder

Stellen Sie sich mal vor, Timothy S. Leatherman, der 1980 das Multitool patentieren ließ, hätte das revolutionäre Multifunktionswerkzeug erst 2021 erfunden und mit einer schlechten, aber betriebsrelevanten App versehen. So ähnlich fühlt sich der Alltag mit dem VW Golf R Variant an. Auf der einen Seite der radikal praktische Kompakt-Sportkombi mit einem Raumangebot jenseits der meisten Mittelklässler und optional sogar mit Zughaken. Dazu: Allradantrieb samt Torque Vectoring an der Hinterachse und der ungemein präzisen Vorderachse.

Im Ernst, der Golf R wirkt auch als Variant fahrdynamisch über jeden Zweifel erhaben. Nicht nur mit dem druckvollen Zweiliter-Turbo und dem ebenso motivierten wie folgsamen Doppelkupplungsgetriebe, deren konstruktive Zusammenarbeit die Null-hundert-Werkszeit um drei Zehntel unterbietet, sondern auch mit der äußerst neutralen Fahrwerksabstimmung.

Die spontane Lenkung zackt in die Kurve, die Vorderachse willigt ein, die Hinterachse lenkt je nach Aggressivität des Lenkimpulses von allein oder in den sportlichen Fahrmodi auch via Gaspedal leicht mit, ohne dass die Allradtraktion je in irgendeiner Form kompromittiert wird. Damit funktioniert das Dynamikfest nicht nur im Trockenen, sondern auch bei Nässe und Schnee, auch weil der Golf R sehr viel Vertrauen schenkt. Noch besser: Das Ganze geht nicht zulasten der Alltagstauglichkeit. Das optionale Adaptivfahrwerk hält den Abrollkomfort auf einem mehr als akzeptablen Niveau, und der Motor kann auch leise, der Integralsitz auch Komfort.

Lack- und Programmfehler

Jetzt allerdings die andere Seite. Hier erschwert die Bordelektronik, die noch ohne das große Heils-Update auskommen muss, den Alltag erheblich. Zudem erschreckt der Notbremsassistent den Fahrer laut piepsend mit sensorischen Halluzinationen auf der fast leeren Autobahn. In Verbindung mit der Parkassistenz bremst er den Variant beim Einparken manchmal so rabiat bis zum Stillstand ab, dass nur die Assistenzdeaktivierung den Variant in die Parklücke einbiegen ließ.

VW Golf R Variant, Cockpit Foto: Hans-Dieter Seufert
Das langsame Infotainment-System mit umständlicher Bedienung sowie die billige Materialauswahl lassen zu wünschen übrig.

Das Infotainment zeigt sich beim Kaltstart maximal träge, und wenn das System dann hochgefahren ist, nervt die umständliche Bedienung. Ebenfalls enttäuschend für ein Über-50 000-Euro-Auto: nur zur Hälfte lackierte Motorhaubenscharniere, unschöne Passungen an der Heckklappe und das viele Hartplastik im Innenraum.