EY-Auswertung zu Rekord-Margen und -Umsätzen

So schlecht geht es der Autoindustrie - nicht!

Die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY hat die wirtschaftliche Situation der Autoindustrie analysiert. Die sah im Jahr 2023 überraschend gut aus. Doch von jetzt an dürfte es abwärtsgehen, sagen die Experten.

05/2022, VW Volkswagen ID.4 Werk Emden Produktion Fertigung Foto: Volkswagen AG 50 Bilder

Welt und Wirtschaft scheinen sich in einer Dauerkrise zu befinden – so zumindest die öffentliche Wahrnehmung. Doch wer tief in die Zahlen eintaucht, findet manchmal ein anderes Bild vor. Die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY hat genau das bei den 16 größten Autokonzernen der Welt getan – und für das Jahr 2023 bei manchen Kennzahlen sogar Rekordwerte ermittelt.

So stieg der Gesamtumsatz um 14 Prozent auf 2,05 Billionen Euro. Der Gewinn kletterte sogar um 15 Prozent und erreichte 176 Milliarden Euro. Die Marge lag mit 8,6 Prozent leicht über dem Vorjahreswert von 8,5 Prozent. Zum Vergleich: In den fünf Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatte die Gewinnmarge der Autobauer laut EY nur durchschnittlich 5,5 Prozent betragen.

Mercedes als profitabelster Autobauer

"Im vergangenen Jahr konnte die Branche von hohen Neuwagenpreisen und der wiederhergestellten Lieferfähigkeit profitieren", sagt Constantin M. Gall, Managing-Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Westeuropa. Das Absatzwachstum im Vergleich zu 2022 habe sieben Prozent betragen. Hinzu kommt ein Sondereffekt: Der schwache Yen verhalf den japanischen Autokonzernen zu einem Gewinnplus von 65 Prozent und einem Umsatzwachstum von 22 Prozent. Die übrigen Unternehmen entwickelten sich deutlich weniger dynamisch: Die deutschen Hersteller verzeichneten zusammen ein Gewinnwachstum von lediglich sieben Prozent. Die US-Konzerne hatten sogar einen Gewinnrückgang von 29 Prozent vermeldet.

Betrachtet man die weltweit profitabelsten Autokonzerne, also jene mit der höchsten Gewinnmarge, liegt dennoch ein deutscher Autobauer vorn. Mercedes-Benz führt mit einer Marge von 12,8 Prozent vor dem europäisch-amerikanischen Stellantis-Konzern (12,1 Prozent) und dem Münchner Rivalen BMW (11,9 Prozent) das Ranking an. Den stärksten Rückgang verzeichnete Tesla: Die Marge des Elektroautoherstellers sank im Vergleich zum Vorjahr von 16,8 auf 9,2 Prozent, womit sich das Unternehmen im Mittelfeld platzierte.

Umsatz geht zurück, Gewinn schrumpft

Im vierten Quartal zogen auch für die anderen Autohersteller dunkle Wolken auf, "die Probleme, vor denen die Branche steht, wurden immer deutlicher", so Gall. Der Umsatz stieg nur noch um neun Prozent, der Gewinn schrumpfte sogar um fünf Prozent. EY sieht drei zentrale Ursachen für diese Entwicklung. Erstens: Die Konjunktur schwächelt weiter, der Neuwagenabsatz liegt nach wie vor weit unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Im Jahr 2019 hatten die Hersteller noch knapp 76 Millionen Pkw verkauft, im vergangenen Jahr waren es nur etwa 66 Millionen. Das führe zu Überkapazitäten, die laut Gall "aktuell ein echtes Problem für die Hersteller, aber auch für die Zulieferer" seien.

Problem Nummer zwei: Die Elektromobilität kommt nicht in Gang. Im Vertrauen auf einen rasanten Anstieg der Nachfrage nach E-Autos habe die Branche Milliardeninvestitionen getätigt, und nun wachsen die Zweifel. "In der Politik, in der Branche und bei den Kunden", sagt Gall. Die aktuellen Milliardengewinne seien fast ausschließlich Verbrennermodellen zu verdanken. "Es wird noch lang dauern, bis die Branche mit Elektroautos echtes Geld verdient."

Probleme in China wachsen

Drittens: Der Absatz in China stockt. Zwar verzeichneten die deutschen Autobauer – angeführt von Volkswagen und BMW – dort zusammen ein leichtes Absatzplus von 1,4 Prozent. Doch alle anderen untersuchten Hersteller mussten auf dem chinesischen Markt Rückgänge hinnehmen. Im Durchschnitt schrumpfte der Absatz dort um fünf Prozent. Damit setzte sich der Bedeutungsverlust Chinas im vergangenen Jahr fort: Im Jahr 2020 wurden noch 39 Prozent aller Neuwagen der deutschen Autokonzerne an Kunden in China übergeben, im vergangenen Jahr waren es nur noch 34 Prozent. "Zudem greifen chinesische Elektroautohersteller zunehmend die etablierten Hersteller auf den Heimatmärkten an", ergänzt Gall. Diese Herausforderung werde sich in den kommenden Jahren vergrößern.

EY erwartet, dass die 2023 erzielten Rekord-Margen nicht zu halten sein werden, denn eine Konjunkturaufhellung in Form eines Nachfrageschubs ist nicht erkennbar. "Der Wettbewerb wird wieder stark über den Preis ausgetragen – auch im Elektrosegment", sagt Gall. Immer mehr Hersteller versuchen derzeit, die Kunden mit Preissenkungen, Rabattaktionen, günstigen Finanzierungsangeboten und Sondermodellen in die Autohäuser zu locken. Immer wichtiger werden vor diesem Hintergrund Kostensenkungsprogramme. "Viele Autokonzerne leiden immer noch unter einer überbordenden internen Bürokratie und zu komplexen Abläufen", analysiert EY-Experte Gall. Das verschlinge hohe Summen und beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit gerade gegenüber den jungen Elektroauto-Herstellern.

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