CO₂-Bilanz Elektroauto vs. Verbrenner

Sind E-Autos doch nicht besser fürs Klima?

Um zu klären, wann das Autofahren grün wird, hat der Verein deutscher Ingenieure (VDI) untersucht, wie hoch die Treibhausgas-Emissionen verschiedener Antriebe über die Lebenszeit von Autos sind. Je nach Rechenart ist das E-Auto beim deutschen Strommix bereits bei 90.000 km Laufleistung klimafreundlicher als ein konventioneller Benziner. Mit Ökostrom noch einmal deutlich früher.

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Nationen, Unternehmen und auch immer mehr Privatleute versuchen, ihren CO₂-Fußabdruck zu verkleinern oder gar komplett zu neutralisieren. Als einer der großen Treibhausgasemittenten gilt dabei der Mobilitätssektor. Eine Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) hat untersucht, wie groß der CO₂-Fußabdruck einzelner Komponenten wie der Batterie und dem Antriebsstrang ist, aber auch, wie hoch die CO₂-Emissionen unter der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Pkw sind. Dafür haben die Studienautoren insgesamt verschiedene Benziner, Diesel, Hybrid- und reine Elektroautos untersucht und miteinander verglichen.

CO₂-Rucksack des E-Autos 8,3 Mal größer als bei Benziner

Wie zu erwarten war, verursachen E-Autos bei der Produktion die größten CO₂-Emissionen. Unter den untersuchten Fahrzeugen kommt der Toyota Corolla 1.8 Hybrid Comfort auf 7,69 Tonnen CO₂ bei der Produktion und markiert damit das untere Ende der Skala. Der VW ID.3 Pro S mit 82-kWh-Akku liegt bei 17,9 Tonnen CO₂ und verursacht mit Abstand die höchsten Treibhausgas-Emissionen in der Herstellung. Rund 2 Tonnen CO₂ weniger, aber noch immer mehr als bei anderen Fahrzeugen werden bei der Produktion des ID.3 Pro Performance mit 62-kWh-Akku emittiert.

Der CO₂-Rucksack der untersuchten E-Autos ist deutlich höher als der aller anderen Antriebsformen. Die geringsten CO₂-Emissionen in diesem Vergleich hat der Vollhybrid-Benziner Toyota Corolla 1.8 Hybrid Comfort.

Auch wenn der sogenannte CO₂-Rucksack von Elektroautos durch laufend optimierte Produktionsverfahren und grünere Energie stetig kleiner wird, ist er zu Beginn eines Fahrzeuglebens aufgrund des hohen Energiebedarfs bei der Batterieproduktion noch immer enorm groß. Im untersuchten Fall eines ID.3 Pro S mit 82-kWh-Akku (brutto) und 204-PS-E-Maschine liegen die CO₂-Emissionen für den Antriebsstrang inklusive Batterie bei 10,12 Tonnen CO₂. Das sind rund 8,3 Mal so viele Treibhausgasäquivalente, wie die Forscher für den Ford Focus 1.0 Ecoboost errechnet haben. Der Antriebsstrang des 125-PS-Benziners kommt auf 1,21 Tonnen CO₂. Für das Restfahrzeug fielen je nach Modell zwischen 5,6 und 7,8 Tonnen CO₂ an (siehe Grafik oben)

Den größten CO₂-Treiber beim E-Auto-Antriebsstrang stellt, der Akku dar. Er kommt beim ID.3 Pro S auf 8,37 Tonnen CO₂ (83 Prozent des Antriebsstrangs). Bemerkenswert: Obwohl die Batterie des untersuchten Plug-in-Hybriden (Golf 7 1.4 E-Hybrid) mit einer Brutto-Kapazität von 13 kWh mehr als sechsmal kleiner ist, als die des reinen E-Autos, kommt sie dennoch auf 2,1 Tonnen CO₂ – also auf ein Viertel des Stromers. Pro Kilowattstunde Akku-Kapazität kommt der PHEV-Golf also auf 160 Kilo CO₂, der reine Stromer dagegen nur auf 95 Kilo CO₂.

Die beiden Elektroautos haben den größten Anteil an CO₂-Emissionen bei der Antriebseinheit. Der größte Treiber dort: die Batterie. Verglichen mit dem Plug-in-Hybrid kommt sie pro kWh-Akkukapazität aber auf ein vergleichsweise ansehnliches Verhältnis zwischen Treibhausgasemissionen und Kapazität. Der Golf eHybrid kommt auf 160 Kilo pro kWh, der Akku des großen ID.3 auf 95 Kilo CO₂ pro Kilowattstunde.

Die spannende Frage: Kann das Elektroauto über seine Lebensdauer wieder Boden gut machen? Für diese Betrachtung folgten die Forscher zwei unterschiedlichen Ansätzen. Beim sogenannten Mittelwertansatz berechneten die Forscher die CO₂-Emissionen der Fahrzeuge anhand der aktuellen und prognostizierten CO₂-Emissionen der Nettostromerzeugung nach AGEB (Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen) in den kommenden Jahren bis 2035, mit der Maßgabe im Jahr 2045 eine klimaneutrale Energieerzeugung zu erreichen. (siehe Grafik unten)

Der Strommix in Deutschland wird immer grüner

So wird damit gerechnet, dass etwa die Erzeugung durch Energie aus Erdgas zwischen 2025 und 2030 auf bis zu 135 TWh steigt und der Anteil der Braunkohle am Energiemix von 135 TWh im Jahr 2018 über 69 TWh im Jahr 2025 auf null im Jahr 2030 sinkt. Im gleichen Zeitraum steigt jedoch zum Beispiel die produzierte Menge an Solarenergie von 46 TWh auf 140 TWh und soll 2035 sogar 216 TWh erreichen. Hinzu kommt regenerativ erzeugter Strom aus Windkraftanlagen. Bis 2035 sollen 350 TWh erzeugt werden. Der Anteil von Wasserstoff liegt zu diesem Zeitpunkt laut Prognose bei rund 20 TWh. Durch den Zuwachs an erneuerbaren Energien von 2025 bis 2035 soll die Nettostromerzeugung in diesem Zuge von rund 520 TWh auf 760 TWh steigen.

Im Laufe der Jahre wird die Nettostromerzeugung in Deutschland immer weiter dekarbonisiert. 2035 soll der fossile Anteil nur noch rund 115 TWh betragen. Deutlich über 630 Terrawattstunden werden dann aus regenerativen Quellen produziert.

Bei deutschen Strommix ist E-Auto nach 90.000 km besser als Benziner

Dem Mittelwertansatz (gestichelte Linie in der Grafik unten) der Forscher folgend, kommt der ID.3 mit dem kleineren 62 kWh-Akku laut VDI-Studie während des Betriebs nach WLTP-Zyklus nach 200.000 km bis 2035 auf eine Gesamtbilanz von 24,2 Tonnen CO₂. Der Plug-in-Hybrid liegt mit 24,8 Tonnen nur knapp darüber. Noch einmal 1,5 Tonnen mehr verursacht der ID.3 Pro S (82 kWh). Auf 33 Tonnen kommt der Diesel und auf 37,1 Tonnen CO₂ bringt es der Benziner durch die Nutzung am Ende seiner Lebenszeit nach 15 Jahren. Damit stellt sich nach der VDI-Studie der Vorteil für das E-Auto mit dem kleineren Akku gegenüber dem Benziner bereits nach 90.000 Kilometern Laufleistung ein. Bei gleichmäßiger Nutzung und angenommenen 15 Jahren Laufzeit also nach etwas mehr als 6,5 Jahren.

Damit der ID.3 Pro S mit seinem großen Akku gegen die Verbrenner punktet, muss er deutlich weiter fahren. Den Vollhybrid-Benziner Toyota Corolla 1.8 Hybrid lässt er erst bei rund 140.000 Kilometern Laufleistung hinter sich, den Golf mit Plug-in-Hybrid erst nach über 200.000 Kilometern. Ohnehin schlägt sich der Vollhybrid in der Analyse sehr gut. Erst kurz vor der 200.000-Kilometer-Marke zieht der 62-kWh-ID.3 an ihm vorbei.

Mit dem Mittelwert-Ansatz kommen die Stromer im Szenario mit WLTP-Betrieb deutlich besser weg als die meisten Kontrahenten. Einzig der PHEV liegt auf vergleichbarem Niveau und kommt nach 200.000 Kilometern Laufleistung auf rund 25 Tonnen CO₂.

Die bei der Produktion so gut gestarteten Benziner und Diesel landen nach 200.000 Kilometern Laufleistung indes allesamt über 30 Tonnen CO₂. Die beiden Ford Focus mit dem 1.0 EcoBoost mit klassischem Ottomotor und auch die Mildhybrid-Variante landen jeweils über 35 Tonnen CO₂ nach der Referenzlaufleistung von 200.000 km – und das, obwohl sie mit nur knapp über 7,5 Tonnen bei der Produktion mitunter die besten Ausgangsbedingungen hatten.

Ohne grünen Strom verliert das E-Auto

Neben dem Mittelwertansatz beinhaltet die Studie des VDI auch eine Hochrechnung auf Basis eines Marginalansatzes. Während beim Mittelwertansatz immer davon ausgegangen wird, dass ausreichend grüner Strom verfügbar ist, rechnet der Marginalansatz mit CO₂-Einsparpotenzialen und CO₂-Zusatzemissionen, je nachdem, ob ein elektrischer Verbraucher hinzukommt oder abgeschaltet wird. Das Hinzufügen eines solchen Verbrauchers ist nach Aussage der Studienautoren beispielsweise auch die Neuzulassung eines Elektroautos. Entsprechend setzen die Autoren beim Marginalansatz voraus, dass nicht immer genug regenerativ erzeugter Strom vorhanden ist und der zusätzliche Bedarf aus fossilen Energieträgern gedeckt werden muss.

Inwieweit intelligente Ladesysteme oder junge Technologien wie das bidirektionale Laden in der Prognose berücksichtigt worden sind, ist der Studie nicht zu entnehmen. Entsprechend ist auch nicht klar, ob der zusätzliche Energiebedarf durch neue batterieelektrische Fahrzeuge zwangsläufig durch fossile Energieträger gedeckt werden muss. Der Marginalansatz kann aber sicherlich als Worst-Case-Szenario herangezogen werden, das den schlechtesten Fall der Energiebilanz der Fahrzeuge abbildet.

Für die beiden Stromer bedeutet der Marginalansatz entsprechend einen großen Aufschlag. Mit knapp 10 Tonnen CO₂ mehr rechnet die Studie. Im WLTP-Betrieb landet der ID.3 mit dem kleinen Akku bei 33,8 Tonnen CO₂ in der Lebenszyklusbetrachtung, der Stromer mit 82-kWh-Akku kommt sogar auf 35,9 Tonnen CO₂. Auf einen höheren Wert kommt nach 200.000 Kilometer nur der konventionelle Benziner mit 37,1 Tonnen CO₂. Alle anderen Fahrzeuge emittieren weniger Treibhausgase.

Noch eindrucksvoller wird der Einfluss, wenn man die CO₂-Emissionen pro Kilometer betrachtet. Weil bei der Nutzung im Marginalansatz fast doppelt so viel CO₂ ausgestoßen wird, steigt die Treibhausgas-Emission beim ID.3 mit 62 kWh Akku von 121 auf 169 Gramm pro Kilometer, beim ID.3 mit großem Akku von 131 Gramm auf 179 Gramm CO₂-Äquivalent.

Die Grundlage der Energie ist entscheidend. Das wird vor allem beim Vergleich von Marginal-Ansatz und Mittelwert-Ansatz deutlich. Da der Marginalansatz der Studienautoren fast doppelt so viele Emissionen pro gefahrenen Kilometer bei der Nutzung berechnet, steigt die CO₂-Emission um 48 Gramm.

Solarladen senkt CO₂-Emissionen um mehr als 20 Prozent

Wie groß der Einfluss des Strommix ist, zeigt auch die Referenzrechnung, die die Studienautoren vorgenommen haben. Würde der Wagen beispielsweise ausschließlich mit Ökostrom, etwa an einer heimischen Wallbox mit Solaranlage geladen werden, würden die Emissionen des ID.3 Pro Performance (62 kWh) sogar auf 19,1 Tonnen CO₂ sinken. Damit wäre das E-Auto dem Diesel und Benziner schon ab 65.000 km überlegen. Auch der PHEV-Golf würde stark davon profitieren. Bei ihm würden die Emissionen von 24,8 auf 20,1 Tonnen CO₂ sinken.

China produziert Akkus klimafreundlicher als Polen

Der Einfluss des Strommix gilt allerdings nicht nur auf die Nutzung. Auch was die Produktion angeht, haben die Studienautoren des VDI eine Analyse erstellt und drei Batterieproduktionsstandorte verglichen.

Laut der VDI-Studie könnten Batterien in Frankreich deutlich CO2-ärmer produziert werden als in China oder Polen.

Da in Polen und in China beinahe gleiche Bedingungen herrschen, ist rein auf die Produktion bezogen nicht viel gewonnen, wenn die künftigen Fahrzeugbatterien in Polen produziert würden. Einzig die CO₂-Emissionen für den Transport würden sinken.

Anders dagegen, wenn im Nachbarland Frankreich die Batterieproduktion aufgenommen wird. Aufgrund des hohen Kernenergieanteils in Frankreich ist die CO₂-Bilanz dort deutlich besser als in Polen und in China. So kommt Frankreich beispielsweise auf rund 70 Kilo CO₂ je Kilowattstunde Akkukapazität. In China werden dagegen rund 100 Kilo CO₂ ausgestoßen, in Polen sogar noch ein bis zwei Kilo mehr.

Die untersuchten Fahrzeuge

Als Fahrzeuge wurden für die Studie als Vertreter batterieelektrisch angetriebener Autos zwei VW ID.3 mit 62- und 68-kWh-Akku (brutto) herangezogen. Zudem analysierten die Forscher die Daten von zwei verschiedenen Varianten des Ford Focus mit Benziner (ICEV-g), Benziner-Mildhybrid (MHEV) sowie den Toyota Corolla Hybrid, als Benziner-Vollhybrid. Außerdem waren zwei Motorisierungen des VW Golf dabei: ein Plug-in-Hybrid (PHEV) und ein Dieselmotor (ICEV-d). Da es im untersuchten C-Segment keinen Diesel-Mildhybrid und keinen Diesel-Vollhybrid gab, wurden diese Fahrzeuge anhand der Daten des Ford Focus und Toyota Corolla abgeleitet. Alle weiteren Fahrzeug-Daten entnehmen Sie der Tabelle oben.

Neben dem VDI waren an der Studie auch das Karlsruhe Institute of Technologie (KIT) sowie Paul Scherrer Institut (PSI) beteiligt.