Porsche Taycan Turbo GT im Video-Fahrbericht

1.108 PS treffen Hightech-Fahrdynamik

Nach den Rekordrunden des Porsche Taycan Turbo GT auf dem Nürburgring und in Laguna Seca durften wir nun selbst hinter das Steuer des mit 1.108 PS stärksten Serien-Porsche.

Porsche Taycan Turbo GT Foto: Porsche 52 Bilder

Fahreindruck Taycan Turbo GT und Turbo GT mit Weissach Paket

Endlich, möchte man spontan sagen. Endlich geben sie dem Taycan mal Leistung. 1.108 PS und 1.340 Newtonmeter im Launch-Modus. Lassen wir uns doch mal launchen und schwindlig fahren auf dem Circuito Monteblanco nahe Sevilla. Gurtschloss klickt, kurzer Blick nach hinten, wo dich Kohlefaser statt einer Rückbank anglänzt. Die Augen glänzen ebenfalls. Vorfreude. Nichts wie raus auf die Piste.

Die Zwozwo beim Launchen auf 100 und sechsvier auf 200 musst du erstmal verdauen, da bremst der Apparat auch schon hart an und lenkt ein. Deutlich griffiger als bisher, die Vorderachse mit den Pirelli P Zero R beißt, der Rest des Wagen dreht kontrolliert ein, sorgt für hohes Scheiteltempo und die richtige Position, um herauszubeschleunigen. Bisher tendierte der E-Porsche aufgrund Gewicht und der Auslegung von Fahrwerk und Motoren bei harter Fahrweise zu leichtem Kurveneingangsuntersteuern. Der Porsche Taycan Turbo GT agiert deutlich neutraler, agiler, mit mehr perfekt kontrollierbarem Leben im Heck.

Wozu neben der bekannten Hinterachslenkung das neue Aktiv-Fahrwerk entscheidend beiträgt. Beim Turbo GT serienmäßig und mit einer nochmal sportiveren Abstimmung, bauen aktive Dämpfer per Volumenstrom sehr schnell und sehr gezielt hohe Kräfte zwischen Rad und Karosserie auf, sodass das Auto weder ungewollt wankt noch rollt, was stets gleichmäßige Radlasten ermöglicht und damit Traktion und Stabilität sichert. Der Wagen steht nach dem Überfahren von Unebenheiten wie Curbs sofort wieder ruhig, lässt sich problemlos auch mal leicht über die Ideallinie hinaustreiben, ohne gleich biestig zu werden. Hier hilft die Rückmeldung einerseits und natürlich auch der Radstand und der tiefe Schwerpunkt des Fünfmeter-Apparats.

Semislicks und Attack Mode

Schon ohne Pirelli Trofeo RS beeindruckend, mit diesen Semislicks umso mehr. Nie fies oder überraschend, jederzeit schnell, selbst im eigentlich kritischen Bereich zwischen Anbremsen und Einlenken, wo die Masse sonst schon spürbar schiebt. Und erst recht beim Herausbeschleunigen und dem regelrechten Aufschnupfen der Verbindung zwischen zwei Kurven. Hier bist du besonders schnell schnell. Und wenn Pedal to the Metal nicht mehr genügt: Attack Mode! An der rechten Lenkradwippe ziehen und für bis zu zehn Sekunden boosten 120 kW extra. Man kann sie per Zug an der linken Wippe auch manuell wieder stoppen. So oder so dauert es nur etwa vier Sekunden und der Boost steht wieder parat.

Klar ist: der Porsche Taycan Turbo GT mit Weissach Paket und Trofeo RS hat keine Lust irgendwo Zeit liegen zu lassen. Running wide in schnellen Kurven? Nö. Nervige Schlupfverluste beim Herausbeschleunigen? Nope. Wanken in Wechselkurven? Höhö, wie bitte? Hier paktiert die Technik ebenso eindrucksvoll wie auf schnellen Kuppen mit Entlastung, bei manch anderen der Moment eines kurzen Haftungsabrisses. Nicht beim Taycan, der Gewicht, Aero und Fahrwerkspotenzial ebenso nutzt wie den Reifengrip. Er stellt die Karosserie ruhig, klebt die Räder an den Boden und liefert eiskalt Leistung und Drehmoment. Die sich ebenso gut dosieren lässt wie das Lenkmoment. Denn die Lenkung ist beim Taycan echt Porsche. Passendes Moment, feine Rückmeldung, keine Nervosität, präzise Mittellage ohne Taubheit. Check.

Was für ein vollelektrisches Faszinosum! Sehr teuer, ja. Aber auch sehr beeindruckend. Und als zweisitziger Viertürer richtig was für Freaks. Auch solche, die sich eigentlich nicht vom Verbrenner lösen wollen. Einfach mal probieren, wenn gerade eine Viertelmillion Euro zur Hand…

Alle Daten & Fakten zum Porsche Taycan Turbo GT

Porsche-CEO Oliver Blume ging die Elektro-Transformation von Anfang an konsequent an. Brachte keinen Lauwarm-Stromer, sondern gleich was Heißes. Eine viertürige Sportlimousine, deren Fahrdynamik beim Start 2019 selbst harte Markenfans mitreißt. Schnelles Fahren trifft schnelles Laden dank aufwendigem Fahrwerk, tiefem Schwerpunkt und 800 Volt-Technik. Einzig die Taycan-Verkäufe hätten auf Dauer ruhig etwas mitreißender sein dürfen, na und das Ladeverhalten robuster.

Doch Porsche nimmt sowas sportlich, Probleme als ingeniösen Ansporn. Deshalb optimieren sie beim aktuellen Taycan-Facelift sämtliche Modelle rundum von Fahrwerk über Antrieb bis zu Ladeleistung und Akku – und schicken das neue Topmodell Turbo GT auf Elektro-Rekordjagd an zwei besondere Rennstrecken. Nach der Nordschleifen-Bestzeit für Stromer (siehe Video über dem Artikel) greift der inzwischen ungetarnte Top-Taycan nach Laguna Seca (Video über diesem Absatz), jener kalifornischen Rennstrecke mit der verrückten Corkscrew-Kurve. Die musst Du blind auf einem Hügel anfahren, um dann in einer Doppelkurve Links-Rechts quasi in die Tiefe zu stürzen. Auch der Rest der 3,6 Kilometer mit 55 Metern Höhendifferenz verläuft flott und dynamisch, manchmal tricky. Passend für den neuen Turbo GT mit seinen 1.108 PS sowie 1.340 Newtonmetern Drehmoment.

Rückbank raus, Flügel dran. Weissach-Paket!

Reicht der neue Porsche Taycan Turbo S mit seinen 950 PS im Overboost etwa nicht mehr aus? US-Rennfahrer Mark Donohue hätte da in den 70ern eine klare Meinung gehabt: für ihn war erst dann genug Power da, wenn der Wagen auch noch am Ende der langen Geraden noch schwarze Striche zieht. Nun, der gute Mark konnte damals nicht mit dem Potenzial moderner Autos rechnen, die beides verbinden: Leistung und Traktion. Ersteres entwickeln seine beiden permanenterregten Synchronmotoren, unterstützt von einem neuen 90 Ampere Siliciumcarbid-Wechselrichter und dem verstärkten Zweiganggetriebe, das Ganze sorgfältig und nahezu in Echtzeit geregelt, selbst im Dynamikmodus.

Fehlt noch die Kirsche auf der Dynamiktorte: das Weissach-Paket. Aufpreisfrei beim 240.000 Euro teuren Porsche Taycan Turbo GT. Generös, was? Auf jeden Fall konsequent. Endlich mal ein richtig scharfer Elektro-Apparat! Rückbank und ein Teil der Dämmung raus, Karbonverkleidung rein, Karbonschalensitze vorn, feststehender Karbonflügel statt beweglichem Spoiler mit Gurney hinten. Gemeinsam mit anderen Maßnahmen, etwa einer mechanischen Ladeklappe fastet das Paket 70 Kilogramm weg, 2.220 Kilogramm bleiben. Die neben den grundsätzlich serienmäßigen, leichteren Keramikstoppern hinter Schmiederädern mit Pirelli P Zero Trofeo RS auch von der hohen Rekuperation (maximal 400 kW) verzögert werden. Die Bodenhaftung profitiert von der besseren Aero, Frontspoiler bringt 80 Kilogramm Abtrieb, der feststehende Flügel hinten 140 Kilo, Nullhundert in 2,2 statt 2,3 Sekunden, 0-200 in 6,2 statt 6,4 Sekunden, Topspeed: 305 km/h.

So lief die Rekordrunde in Laguna Seca

Sie hätten dem Taycan noch mehr Downforce verpassen können, doch das gäbe die Tragfähigkeit der Reifen nicht her. Und da der Wagen zulassungsfähig homologiert ist, entfällt diese Option. Rennschalensitz und Käfig beim Rekord-Taycan sind für die Sicherheit nötig und per Einzelabnahme zugelassen. Der Serien-Turbo GT lässt Kunden die Wahl zwischen den leichten Karbonschalen und den Komfortsitzen. Überhaupt darf der Kunde die hohe Leistung und das ausgefuchste Fahrwerk mit dem vollen Komfortprogramm von Assistenz, Surroundanlage, Sitzkomfort bis hin zum Glasdach konfigurieren. Relative Askese ist also möglich, aber nicht nötig. Außer beim Weissach-Modell, er bietet weniger Optionen. Konsequent.

Auf überflüssiges Komfortgedöns muss Entwicklungs- und Zeitenfahrer Lars Kern in Laguna Seca heute eh verzichten. Er soll den Sack zumachen, hat er den Apparat immerhin schon in 7:07,55 um die Nordschleife gezwirbelt. Nun kommt die nächste Bestzeit dran, um bei der Weltpremiere des Facelift-Taycan zu glänzen. Auto kommt aus der Box, die vorgewärmten Reifen drauf, 40 Grand samt Rädern, Luft rund 15 Grad, Asphalt nicht zu warm. Passt alles. Und Kern zieht durch, braucht nur eine heiße Runde, um auf 1:28 irgendwas zu kommen. Bei der Vorbeifahrt an der langen Graden kann man die irre Beschleunigung ermessen. Rekord, Klatschbumm, fertig? No way. Kern will mehr. Er spekuliert auf 1:27 wechselt ins technisch identische, bunt folierte Zweitauto, jenes vom Nürburgring und stanzt nach einer Warmfahrrunde direkt 1:27,87 auf die Piste. Reicht ihm für jetzt und überhaupt. Unscrewed nennen sie diesen Erfolg bei Porsche im Anspielung auf Corkscrew und ziehen sich stolz die vorbereiteten Rekord-Shirts über.

Rekordfahrt auf der Nordschleife

Den 2022 gesetzten Nordschleifen-Rundenrekord des Porsche Taycan Turbo S von 7:33 Minuten hatte Porsche mit einem Vorserienmodell des Taycan Turbo GT samt Weissach-Paket schon vor einer Weile deutlich unterboten: Wie die Zuffenhausener zum Jahresbeginn 2024 offiziell mitteilten, umrundete Entwicklungsfahrer Lars Kern den Nürburgring zuvor mit einem Prototyp in einer offiziellen Zeit von 7:07,55 Minuten. Damit war er satte 26 Sekunden schneller als beim zuvor gültigen Taycan-Rekord – "eine halbe Ewigkeit", jubelte Baureihen-Leiter Kevin Giek damals.

Porsche hatte die Nordschleife für die Rundenzeiten exklusiv zur Verfügung. "Ich habe so hart wie möglich gepusht, aber mehr ging dann auch nicht", sagte Kern, der die Bestzeit mehrfach innerhalb einer Abweichung von einer Sekunde wiederholen konnte. Wie das über diesem Artikel gezeigte Video verdeutlicht, sieht Kern während seiner Rekordrunde dennoch weitgehend entspannt aus. Wohl ein Ausdruck der enormen Routine, die Porsches Testfahrer inzwischen in der Grünen Hölle gesammelt hat. Der Vorserien-Taycan-Turbo-GT war wie bei Nürburgring-Rekordrunden üblich mit Überrollbügel und Rennschalensitzen ausgestattet.

Porsche kontert Tesla und Lucid

Tesla hatte vorher mit dem 1.020 PS starken Model S Plaid vorgelegt: Dessen Rekordzeit liegt bei 7:25.231 Minuten. Lucid hält mit dem Air Sapphire mit 1.251 PS zumindest leistungsmäßig dagegen. Ob die Kalifornier ihre elektrische Luxuslimousine ebenfalls zur Rekordjagd auf die Nürburgring-Nordschleife schicken werden, ist aktuell nicht bekannt. In Laguna Seca waren beide US-Konkurrenten des Taycan bereits unterwegs, allerdings klar langsamer. Für das Model S Plaid wird eine Rundenzeit von 1:29,9 Minuten kolportiert, der Lucid Air Sapphire umrundete die kalifornische Berg-und-Tal-Bahn einst in 1:31,3 Minuten.