A5 – für uns ein Anlass, mal ein paar Runden im Coupé S zu drehen.

"/>

Audi 100 Coupé S im Fahrbericht

Vom Hersteller vergessener Klassiker

Das ist ganz klar die Eleganz der 1970er Jahre, die hier vor uns steht: Mit dem 100 Coupé S baute Audi einen schicken Wagen, als die Ingolstädter noch nicht mal auf dem Sprung waren, eine technologieaffine Premiummarke zu werden. Unser Coupé S ist Baujahr 1973 und muss damals schon nicht nur wegen seiner Farbe „Koralle“ optisch etwas her gemacht haben. Heute ist er einer der Vorgänger des gerade aufgefrischten A5 – für uns ein Anlass, mal ein paar Runden im Coupé S zu drehen.

Audi 100 Coupé S Foto: Audi/Thomas Kunert 30 Bilder

Während an modernen Autos einige wenige Chromakzente Hochwertigkeit vermitteln sollen, hat man in den 70ern in Chrom gefasst, was sich in Chrom fassen ließ: Fensterrahmen, Frontscheinwerfer-Ringe und Kühlergrill-Umrandung funkeln um die Wette. Loriots Opa Hoppenstedt hat Recht: Früher war mehr Lametta. Als sportlich galt nach damaligem Geschmack, dass das Coupé anders als Limousine mit runden Doppelscheinwerfern auf die Straße blickte.

Das Cockpit wirkt nach heutigen Maßstäben gekonnt entschlackt. Damals setzte der Drehzahlmesser sportliche Ambitionen auch instrumententechnisch um. Der dünne Lenkradring mahnt den Fahrer von heute dann wieder eher zu maßvoller und vornehmer Gangart. Im Coupé S sitzt man auch einfach ganz anders als in einem modernen Auto. Die Sitze geben keinerlei Seitenhalt, der Schalthebel würde auch einem Nutzfahrzeug gut stehen und eine Holzzierleiste sorgt im Innenraum etwas unbeholfen für einen Hauch Noblesse.

Audi 100 Coupé S Foto: Audi/Thomas Kunert
Das 1,9-Liter-Vierzylinder-Aggregat leistet 112 PS, was beim Audi 100 Coupé S für eine sehr ordentliche Höchstgeschwindigkeit von 183 km/h reicht.

In das Coupé S können Teile aus der Ami-Limousine kommen

Mit angenehmem Innenraum-Klima ist es bei sommerlich prallem Sonnenschein schnell vorbei – dank fehlender Klimaanlage und großer Fensterflächen heizt sich der Innenraum ruckzuck auf. Da hilft es nur, die Seitenfenster herunterzukurbeln – elektrische Fensterheber waren damals zwar zu haben, aber nicht für das Coupé. Und nichts gegen die großen Fenster: Diese machen den Innenraum schön hell und sorgen für eine recht gute Übersicht. Und elektrische Fensterheber sowie Klimaanlage gab es für die 100-S-Limousinen, die auf den US-Markt gingen. Die waren alle „volle Hütte“, wie uns Achim Duwendag, Kfz-Meister und beim Audi 100 Coupé S Club Deutschland e.V. (ACCD) zuständig für Technikfragen, erklärt. So haben einige Sammler sich die amerikanischen Limousinen-Ausstattungen gekauft und in ihre Coupé S eingebaut.

Die Lenkung des Coupé S ist irgendwie okay – sportliche Direktheit wurde wohl erst ein paar Jahre später erfunden, zumal eine Servolenkung durch Abwesenheit glänzte. Aber auch das lässt sich über den US-Umweg lösen. Seitenneigung ist dem Coupé S nicht fremd, trotzdem hat man in der Kurve nie ein unsicheres Gefühl. Der nach heutigen Maßstäben mit 1.100 Kilogramm recht leichte Wagen lässt sich tatsächlich ein bisschen agil bewegen und moderne Straßenunebenheiten federt er komfortabel weg.

Ein findiges ACCD-Clubmitglied hat eine Möglichkeit entwickelt, die Drehstabfederung an der Hinterachse gegen Federbeine zu ersetzen. Schließlich verschleißt die Innenverzahnung der Drehstabfederung und Ersatz ist nicht zu bekommen. Die Felgengröße des Audi 100 Coupé S war damals normal, aus heutiger Sicht sind 14 Zoll winzig. Laut Duwendag ist es wichtig, die richtigen Reifen auf seinem Coupé S zu haben: „Dann geht der richtig gut. Mit falschen und alten Reifen kann der Coupé S schnell untersteuern.“ Um die ungefederten Massen gering zu halten, sitzen die Bremsscheiben nicht in den Felgen, sondern in der Nähe des Mitteltunnels. Gebremste Achsen waren damals angesagt, die DS von Citroën und die Alfetta von Alfa Romeo hatten das.

Audi 100 Coupé S Foto: Audi/Thomas Kunert
Schickes schnörkelloses Heck beim Audi 100 Coupé S.

Schwierige Ersatzteillage beim Audi 100 Coupé S

Den Motor haben die Ingenieure soweit wie irgend möglich vorne platziert, die Traktion an der angetriebenen Vorderachse passt also. Das 1,9-Liter-Vierzylinder-Aggregat leistet 112 PS, was für eine sehr ordentliche Höchstgeschwindigkeit von 183 km/h reicht. Das Aggregat mit zwei Ventilen pro Zylinder rödelt fröhlich vor sich hin und klingt unspektakulär. Die Gänge lassen sich ein wenig knorpelig und mit massig Spiel einlegen – einer 43 Jahre alten Schaltung kann man das nicht vorwerfen.

Das Hauptproblem beim Coupé S: Die Ersatzteilversorgung ist eine Katastrophe. Duwendag erzählt, dass es schon seit 30 Jahren keine Teile mehr für das Viergang-Getriebe gibt, dessen Schaltkulisse unter der Mittelkonsolen-Verkleidung verborgen ist. Gleitstücke, Federn und Umlenkhebel – nichts ist mehr zu bekommen. Duwendag hat aus Verzweiflung ein Fünfgang-Getriebe aus einem anderen Wagen eingebaut.

Und Ersatzteile braucht ein Coupé-S-Fahrer. Auf die Frage, was an dem Wagen kritische Stellen sind, sagt er: „Alles geht kaputt, wirklich alles. Ich kann eher sagen, was an meinem Wagen noch nicht gerostet hat, als das, was schon alles gerostet hat. Fahrwerk, Elektrik, Karosserie – man braucht für alles Ersatzteile.“ Neidvoll blickt der Audi-Fan und Kfz-Meister, auf die Fahrer von Mercedes, BMW und Opel: „Auf Oldtimer-Messen brechen die kilometerlangen Tapeziertische mit Ersatzteilen für die drei Marken zusammen. Für uns Audifahrer gibt es immer nur Zündkerzen. Audi und VW haben die Ersatzteilversorgung für klassische Fahrzeuge einfach verpennt“, so der Experte. Zudem ist die Klientel, die klassische Audis fährt, eine andere als die, die gerne eine Mercedes Pagode ihr Eigen nennt. Achim Duwendag hat eine Firma aufgetrieben, die Bremsscheiben für den Coupé S nachfertigen würde. Ein Modell der Scheiben wurde bereits gemacht. Damit sich der Auftrag für die Firma lohnt, müsste eine gewisse Mindeststückzahl abgenommen werden – „Aber dann haben die Leute plötzlich einen Igel in der Tasche.“

Der Frust über den Kampf, seinen Coupé S am Leben zu halten, ist Duwendag anzumerken: „Der Pagode-Fahrer fährt seinen schönen Wagen einfach in die Mercedes-Vertragswerkstatt. Wenn ich mit meinem Coupé S in die Audi-Werkstatt komme, sucht der 20-jährige Lehrling doch erstmal nach der OBD-Buchse. Die können dort nur Flüssigkeiten nachfüllen und Zündkerzen wechseln“, macht er seinem Unmut Luft. Als er vor acht Jahren zu Coupé-S-Treffen ging, kamen da noch 130 Fahrzeuge zusammen. „Jetzt sind es vielleicht 30. Die anderen haben aufgegeben und ihre Wagen teilweise abgemeldet.“

Audi 100 Coupé S Foto: Audi/Thomas Kunert
"Animierte das Topmodell seiner Baureihe die Fahrer Anfang der 1970er zum Heizen, fühlt man sich heute eher zum stilvollen Sonntagsausflug hingezogen.", so Redakteur Gregor Hebermehl zum Audi 100 Coupé S.

Eigentlich ein schöner Wagen – eigentlich

Das ist schade, denn es macht Spaß, den Wagen zu fahren und heute zieht er sicher mehr Blicke auf sich als damals – ausschließlich wohlgesonnene Blicke, denn das Coupé S kommt unbonzig elegant daher. Dabei war der Audi 100 Coupé S mit 112 PS seinerzeit richtig teuer: 15.090 DM (nach heutiger Kaufkraft gut 23.000 Euro) wurden 1973 fällig, 4.000 DM mehr als für einen Opel Commodore mit Sechszylinder-Motor. Sein gerade gründlich aufgefrischter Nachfolger A5 (als 2.0 TFSI mit 252 PS ab 49.100 Euro) kann mit aller erdenklicher ausgeklügelter Technik und als Sportvariante S5 mit einer Leistung von 354 PS protzen – auch wenn die Grundidee vom sportlich schicken Coupé erhalten geblieben ist, fährt der A5 natürlich in einer anderen Welt.

Wer sich einen der wenigen Audi 100 Coupé S zulegen möchte, sollte sich also im Klaren darüber sein, dass die Ersatzteilsituation kaum angespannter sein könnte – es gibt schlicht keine Teile mehr. Achim Duwendag hilft gerne und kompetent und er vermittelt Kontakte zu ACCD-Clubmitgliedern, die vielleicht noch ein Teil übrig haben. Die Suche erfolgt europaweit, Clubmitglieder gibt es in Frankreich, Belgien, England und Griechenland – wobei der griechische ACCD ein einziges Mitglied hat. Wer einen Coupé S in freier Wildbahn fahren sieht, sollte sich freuen: Der Wagen ist inzwischen selten und der Besitzer geht ein enormes Risiko ein – selbst leichte Unfälle können aufgrund der Ersatzteillage den Verlust eines noch fahrbaren Fahrzeugs bedeuten.