Audi Coupé und VW Corrado

Noch immer richtig gute Sportcoupés

1988 schlug für die VW AG die Stunde der Sportcoupés, als man die zwei beliebten Zweitürer Audi Coupé und VW Corrado herausbrachte. Heute gehören beide zu den erschwinglichen Sportlern.

Audi Coupé, VW Corrado, Exterieur Foto: Sven Wedemeyer 30 Bilder

Die Sonne scheint, und der Himmel zeigt sich wolkenlos an diesem Sonntagmorgen in Bremen. Vor der Konzerthalle Pier 2 in der Überseestadt kurvt ein violetter Corrado auf den Besucherparkplatz. Der raue Klang des 2,9-Liter-VR6-Motors war schon von Weitem zu hören und hallt nun bedrohlich von der Wellblechfassade des Pier 2 wider. Die Frontlippe und die Schweller schweben deutlich dichter über dem Boden, als es die VW-Ingenieure vorgesehen haben, die etwas breiteren Radhäuser ragen nicht vollständig über die herausstehenden 15-Zoll-Custom-Felgen, und wo einst das VW-Emblem prangte, bilden nun violett lackierte Lamellen einen etwas anonymeren Kühlergrill. Der Pilot, Steffen Meyer, hat bereits das Beifahrerfenster heruntergefahren und begrüßt uns mit einem echt nordischen „Moin“.

Dann hat der Audi seinen Auftritt. Schon von Weitem erkennt man das Auto an seinem grellen Farbton Laserrot. Am Steuer sitzt Dennis Meyer, der sein Coupé mit sanft grummelndem 2,8-Liter-V6 über den Parkplatz lenkt und neben uns zum Stehen kommt. Mit einem Strahlen auf dem Gesicht steigt er aus, und es dauert nicht lange, bis die beiden Coupé-Fans in ein Fachgespräch vertieft ihre Autos inspizieren.

Audi Coupé,  Exterieur Foto: Sven Wedemeyer
Neben dem Audi Coupé in schreiendem Laserrot geht das Violett Touch Pearl des VW Corrado fast ein bisschen unter. Aber auch nur fast.

Der Audi ist in originalem Zustand und hat bereits 267.000 Kilometer zurückgelegt. Zumindest ein Teil davon, denn Dennis baute sein Coupé vor drei Jahren nach einem Unfall komplett neu auf. Dazu besorgte er sich ein zweites Audi Coupé und verpflanzte die meisten Innereien aus dem Unfallwagen in die intakte Karosserie. Beim V6 handelt es sich zudem um ein Spenderherz aus einem dritten Auto. Auch der Lack glänzt seitdem neu. „Der Audi war echt ein Riesenprojekt, da steckt sehr viel Herzblut drin“, schwärmt der IT-Systemelektroniker.

Steffen hat an seinem Corrado ebenfalls Hand angelegt. „Als ich ihn gekauft habe, waren Dach und Motorhaube foliert und er besaß M3-Spiegel“, erinnert er sich. Beides baute der 30-Jährige zurück und verpasste dem Sportler auch eine neue Abgasanlage. Da der Lack beim Ablösen der Folie Schaden nahm, ließ er den Corrado frisch in Violett Touch Pearl tauchen. „Die originalen Rückspiegel des Corrado sind übrigens die gleichen, die auch McLaren beim F1 verwendet hat“, referiert Steffen mit viel Liebe zum Detail.

Auch innen können sich beide Sportler sehen lassen. Der Audi glänzt mit Vollausstattung inklusive lederbezogener Möblierung. Die Sitze wirken etwas eng und sehr straff, was an den auffällig großen Wangen liegt. Die Bedienelemente strahlen beinahe bürokratische Sachlichkeit aus – typisch für einen Audi aus dieser Epoche. Immerhin deutet das sportliche Lenkrad darauf hin, dass wir in einem Sportcoupé sitzen. Die Wurzelholz-Zierelemente unterstreichen zwar den Premium-Charakter des Audi, wollen aber nicht so recht zum sonst sportlichen Charakter des Autos passen.

Dennoch: Alles, was man in diesem Innenraum berührt, scheint für die Ewigkeit gebaut zu sein.

Im Corrado sitzt man noch ein ganzes Stück tiefer als im Audi. Hier starrt einen das angestaubt wirkende und emotionslose Armaturenbrett eines Golf II an. Man könnte auch sagen, dass dieses Auto innen viel dafür tut, dass sich sein Fahrer ungestört auf den Verkehr konzentrieren kann. Trotzdem wirkt alles sehr vertraut und irgendwie heimelig. Die nachgerüsteten Schroth-Hosenträgergurte hat Steffen passend in Violett ausgewählt.

In Gedenken an die Urahnen

Wer sich in Deutschland Ende der 80er-Jahre ein Sportcoupé kaufen wollte, hatte keine wirklich üppige Auswahl. Alfetta GTV, Ford Capri und Opel Manta liefen gerade aus. Blieben noch Saab 900, Honda CRX oder Toyota Celica, die allesamt aber eher Individualisten ansprachen und keine großen Marktanteile ergattern konnten. 1988 war also das perfekte Jahr für die Volkswagen AG, diese Lücke zu füllen: mit dem Audi Coupé und dem VW Corrado – zwei Autos, die sich heute großer Beliebtheit in der Youngtimer-Szene erfreuen.

Sowohl VW als auch Audi mussten mit den 1988 vorgestellten Sportcoupés in große Fußstapfen treten: Bei Audi prägte diese Fußstapfen der Ur-Quattro. Dieser wurde in den 70er-Jahren entwickelt und 1980 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt. Das mediale Echo feierte den Quattro als Sensation. Seine zivile Version war das Audi Coupé B2, das auf dem Audi 80 B2 basiert. Als 1988 das B3 Coupé vorgestellt wurde, gab es zunächst keine neue Topversion, die den Ur-Quattro hätte ablösen können.

So wurde die neue Generation bis 1991 parallel zum Quattro gebaut, bis Audi offiziell einen Nachfolger im Blechkleid des B3 Coupés vorstellte. Sein Name: Audi Coupé S2. Knapp unter 10.000 Exemplare dieses Allradsportlers mit 220- beziehungsweise 230-PS-Turbo-Fünfzylinder wurden zwischen 1991 und 1995 ausgeliefert. Wer sich das Topmodell nicht leisten konnte oder wollte, denn immerhin kostete der S2 um die 74.000 Mark, wählte eine von sieben weiteren Motorvarianten. Der 2,8-Liter-V6 sowie der 2,3-Liter-Fünfzylinder mit zehn Ventilen gelten heute als die beliebtesten Motoren. Für die Sechszylinder- und das 2,3-Liter-Fünfzylinder-Coupé konnte man auch Allradantrieb ordern. Wer auf diese Motoren verzichtete, der musste mit Frontantrieb vorliebnehmen.

Von Scirocco zu Corrado

Auch der Corrado lief noch einige Jahre zeitgleich mit seinem Vorgänger, dem Scirocco II, vom Band. Ursprünglich versuchte sich VW an der Entwicklung eines Scirocco III, der zwar technologisch ausgereifter, aber preislich auf demselben Niveau wie die zweite Generation rangieren sollte. Als VW feststellen musste, dass das serienreife Auto deutlich teurer werden würde, brachten sie das Sportcoupé als Corrado raus und versuchten ein zweites Mal, einen kostengünstigen Scirocco-Nachfolger zu entwickeln – diesmal auf der Basis des Polo. Also blieb der Scirocco II in Produktion.

Aber auch der zweite Entwicklungsversuch blieb erfolglos, und so stellte VW die Produktion 1992 schließlich ein. Seitdem gilt der Corrado als offizieller Nachfolger des Scirocco. Er baut auf dem Golf II auf und teilt sich mit ihm auch die 1,8-Liter-Motoren. Vor allem der 160-PS-Vierzylinder mit acht Ventilen im G60 ist heutzutage sehr beliebt. Im Topmodell arbeitet der 2,9-Liter-VR6 mit 190 PS, der unter anderem auch in Golf III und Passat B4 Syncro zum Einsatz kam. Das Besondere: Wie bei einem V-Motor liegen sich die Zylinder gegenüber, allerdings leicht versetzt. Der Zylinderbankwinkel liegt bei nur 15 Grad, beide Bänke teilen sich einen Zylinderkopf. Somit profitiert der VR6 von der Kürze eines V-Motors und von der Kompaktheit eines Reihenmotors. Damit passte das Aggregat auch quer in den Corrado. Der Platz im Motorraum war dennoch denkbar knapp, weshalb VW das Getriebe seitlich am Motor montieren musste. Geschaltet wird daher über eine Seilzugschaltung.

V6 gegen VR6

VW Corrado, Interieur Foto: Sven Wedemeyer
Der Platz im Motorraum ist denkbar knapp, weshalb VW das Getriebe seitlich am Motor montieren musste. Geschaltet wird daher über eine Seilzugschaltung.

Diese Seilzugschaltung wiederum fühlt sich im Corrado etwas teigig an, wie unsere Testrunde zeigt. Zwar sind die Schaltwege kurz, und durch die nagelneue Sachs-Kupplung, die für einen frühen Schleifpunkt sorgt, wirkt das Auto agil und knackig, aber das etwas elastische Gefühl beim Bedienen des Schaltknaufs ist dennoch spürbar. Hinzu kommt ein deutlicher Widerstand im Kupplungspedal – der Fahrer braucht kräftige Waden. Der VR6 dröhnt bis in den Innenraum. Ein toller Sound, auch wenn mit der Abgasanlage an dieser Stelle ein wenig nachgeholfen wurde. Der Motor setzt jede Bewegung des Gasfußes sofort in Beschleunigung um, und die macht richtig Laune. Dadurch mutiert der Corrado zu einem ungestümen Spaßmobil mit Grinsen-im-Gesicht-Garantie.

Deutlich kultivierter, aber nicht weniger spritzig geht es im Audi Coupé zu. Der V6 ist schon im unteren Drehzahlbereich angenehm durchzugsstark. Aber der weichere Motorklang und die etwas vornehmere Sitzposition reizen den Fahrer nicht so sehr, diese Kraft auch freizulassen. Viel eher vermittelt der Audi Gelassenheit und die Gewissheit, zu können, wenn man wollte. Schalten ist in diesem Auto so spielend leicht und direkt wie in einem Neuwagen. Beeindruckend! Was die beiden Sportler aber eint, ist das straffe Fahrwerk. Man neigt schnell dazu, Kurven sportlich zu durchfahren, und schon langsame Geschwindigkeiten wirken schneller, als sie eigentlich sind.

Der Audi empfiehlt sich als Reiseauto für mittlere und lange Strecken. In den Sitzen fühlt man sich geborgen, und der V6 bezirzt die Passagiere mit sanften Klängen. Im Corrado wünscht man sich zur nächsten kurvigen Landstraße, die man mit rauem VR6-Dröhnen und rasanter Fahrweise erobern kann.