BMW 330d xDrive Touring

Auch als Kombi ein Sportler

Beim 3er Touring werden sportlich ambitionierte Familienväter schnell schwach – erst recht mit feinem Adaptivfahrwerk und starkem Reihensechszylinder-Diesel. Fahrbericht mit dem 265 PS starken 330d xDrive.

BMW 3er Touring, 330d x-Drive, Foto: Jonas Greiner 14 Bilder

Ohne Max Reisböck wären wir wohl heute nicht hier in Garching bei München, wo BMW seine Testwagen hortet. Nein, das wird keine Verlorener-Sohn-geliebter Vater-Geschichte, wobei viele sportlich ambitionierte Familienväter dem Bayern zu Dank verpflichtet sind. Denn ohne ihn gäbe es den 3er womöglich überhaupt nicht als Kombi.

Die Geschichte dazu ist so spannend wie lehrreich: 1984 bekommt Max Reisböck Nachwuchs. Klar, ein Kombi muss her – natürlich sportlich. Doch den gibt’s bei BMW weder für Geld noch gute Worte. Kurzerhand baut der Bayer sich den Touring selbst aus seiner eigenen E30-Limousine. Dazu versetzt er die C-Säule ohne Konstruktionspläne oder Designskizzen in penibler Handarbeit nach hinten und passt die Heckscheibe und Klappe eines VW Passat an. Nach vier Monaten ist Reisböck fertig und fährt mit dem Eigenbau bei seinem Arbeitgeber BMW vor. Der damalige Vorstandsvorsitzende Eberhard von Kuenheim sieht das Auto und beschließt, es nahezu 1 : 1 in Serie zu bauen.

Der sechste 3er Touring besser organisiert im Heck

BMW 3er Touring, 330d x-Drive, Foto: Fabian Kirchbauer
Aufblasbare gummierte Schienen für 300 Euro halten die Ladung sicher am Platz. Das Ladevolumen wächst bei umgeklappten Rücksitzlehnen von 500 auf 1510 Liter. Rollo und Trennnetz passen unter die Bodenklappe.

Allerdings spielt der alte E30/5 heute nur die Nebenrolle. Denn der Hauptakteur drängt sich bereits in den Vordergrund – der neue, nunmehr sechste 3er Touring. Doch bevor wir den 330d xDrive durch die Stadt, über Land und auf die Autobahn jagen, schauen wir mal, was sich in über 30 Jahren beim Touring verändert hat. Von der Einfachheit des Reisböck-E30-Umbaus ist beim Neuen nicht viel geblieben – das wird schon beim Öffnen der Heckklappe deutlich. Die schwingt langsam nach einem angedeuteten Fußkick unter den Stoßfänger elektrisch angetrieben auf. Während beim Ur-Touring nur eine bierkastenbreite Aussparung zwischen den fest stehenden Heckleuchten das Laden erleichtert, ist die Öffnung bei der aktuellen Baureihe (G21) breiter als je zuvor.

Die Heckscheibe öffnet hier separat den Zugang zu 500 Litern Standardvolumen, wo unser Reisegepäck dank selbstaufblasender Gummischienen (300 Euro im Gepäckraumpaket) später auch auf kurvigen Landstraßen nicht verrutschen wird. Die Rücksitzlehne klappt dank elektrischer Fernentriegelung im Verhältnis 40 : 20 : 40 zu einer ebenen Fläche um und erweitert den Stauraum auf 1.510 Liter.

Gepäckrollo und -netz finden dann im Unterboden Platz. Zudem darf der Kombi 530 Kilogramm zuladen, was zwar per se kein außergewöhnlich hoher Wert ist, aber dennoch einen Zuwachs von knapp 50 kg gegenüber dem Vorgänger bedeutet. Im Vergleich zu diesem ist auch im Fond mehr Platz für die Beine dank des um vier Zentimeter längere Radstands. Selbst mit dem optionalen Panoramadach reicht der Kopfraum für 1,85 Meter lange Redakteure, nur zu dritt wird es hinten auch wegen des ausladenden Kardantunnels kuschelig.

Digitales Limousinen-Cockpit mit feinem Infotainment

BMW 3er Touring, 330d x-Drive, Foto: Fabian Kirchbauer
Von der 3er Limousine übernimmt der Touring das ausgezeichnete Infotainment: Digitale Instrumente und OS7-Infotainment samt Personal Assist kosten 2.800 Euro extra

Die besten Plätze im 3er sind eben stets vorn, speziell auf den haltstarken Sportsitzen mit elektrischer Verstellung und feinen Lederbezügen (Extras). Kunststoffe und Dekore wirken stimmig und hochwertiger als beim Vorgänger, denn all das übernimmt der Touring ebenso wie die Cockpit-Architektur samt OS7-Infotainment von der Limousine.

Wie dort gibt es an der Bedienung wenig zu meckern, denn BMW überlässt es dem Kunden, ob er das System lieber per Dreh-Drück-Steller, Sprach- und Gestiksteuerung, frei konfigurierbaren Direktwahltasten oder über den Touchscreen bedienen möchte. Darüber hinaus unterstützen wie gewohnt zahlreiche Assistenten den Fahrer, die auf der Autobahn die Spur halten oder in der Tiefgarage die letzten 50 Meter selbstständig zurückfahren.

So weit, so praktisch. Doch das entscheidende Kaufargument für den 3er war schon immer sein sportlicher Charakter. Wie die Limousine lässt sich auch der Touring im Sport-Modus sehr schwungvoll, präzise und leichtfüßig über verwinkelte Landstraßen dirigieren – vorausgesetzt, man findet an schönen Sommertagen ein freies Stück, das nicht von Fahrradfahrern oder Landmaschinen frequentiert wird.

Trotz des schweren Dreiliter-Diesels auf der Vorderachse ist der 330d perfekt ausbalanciert, fährt heck-betont trotz Allradantrieb, denn das xDrive-System verteilt das Moment zusammen mit dem M-Sportdifferenzial schwerpunktmäßig auf die Hinterräder. Das macht Laune – auch weil der Selbstzünder mit gewaltigen 580 Nm schon aus dem Drehzahlkeller drückt und den 1,8-Tonner in deutlich unter sechs Sekunden auf Tempo 100 schiebt. Wer es ruhiger angeht, soll laut NEFZ-Zyklus weniger als sechs Liter Dieselkraftstoff auf 100 Kilometern verbrauchen. Realistischer erscheinen die 8,5 Liter, die der Bordcomputer nach unserer zügigen Ausfahrt vermeldet.

Der Kombi kann Komfort

BMW 3er Touring, 330d x-Drive, Foto: Fabian Kirchbauer
Mit dem Adaptiv-Fahrwerk, also ohne M-Fahrwerkskomponenten federt der 3er im Komfort-Modus plötzlich selbst fiese Querfugen souverän weg – ein deutliches Plus in puncto Langstreckenqualität.

Von der Arbeit des Selbstzünders bekommt man innen dank serienmäßiger Akustikverglasung ebenso wenig mit wie von den teils grobschlächtigen Fahrbahndecken auf unserer Route. Das liegt jedoch nicht nur an der von Haus aus größeren Spreizung des Adaptivfahrwerks beim Touring, sondern vor allem daran, dass wir hier erstmals einen neuen 3er-Testwagen ohne M-Fahrwerkskomponenten fahren können. Damit federt der 3er im Komfort-Modus plötzlich selbst fiese Querfugen souverän weg – ein deutliches Plus in puncto Langstreckenqualität.

So ist der 330d Touring xDrive womöglich der 3er in seiner attraktivsten Form, wenngleich schon der hohe Grundpreis von 53.250 Euro einer größeren Verbreitung im Wege stehen dürfte. Immerhin sind dafür Annehmlichkeiten wie Drei-Zonen-Klimaautomatik und LED-Scheinwerfer bereits serienmäßig, und der Verzicht auf Allradantrieb spart glatte 2.500 Euro. Für noch mal rund 9.000 Euro weniger gibt es den Touring als 320d, später dann sogar erstmals als 330e mit Plug-in-Hybrid – ähnlich stark und teuer wie der 330d, aber dank Dienstwagenregelung günstiger zu leasen.