BYD Seal

Chinas Antwort auf den Tesla Model 3

Der BYD Seal soll als sportliche BEV-Limousine mit Tesla 3 oder Polestar 2 konkurrieren. Wie gut fährt sich der Newcomer aus Shenzen?

BYD SEAL Foto: BYD 20 Bilder

Es gibt reichlich Gründe, neugierig zu sein, wenn du zum ersten Mal einem BYD gegenüberstehst. Schließlich ist der Hersteller in nur wenigen Jahren zu einem der ganz großen Player im E-Mobility-Business geworden. Vor allem auf dem chinesischen Markt, aber nun wagt BYD den Schritt auf den Weltmarkt. Und tritt dabei sehr selbstbewusst auf.

Und da stehst du nun am Flughafen München vor dem Seal, Tief Erwin lässt Regentropfen auf den hellen Lack prasseln. Drin ist es gemütlicher, nicht nur weil es trockener ist, sondern vor allem weil sich der Seal sehr wohnlich und und qualitativ ansprechend präsentiert. Belederte Sportsitze, griffiges Lenkrad und ein Infotainment-Touchscreen in einer Größe, die beinahe für einen Wohnzimmer-TV ausreichte.

Drehender Monitor

Erster cooler Trick, den der Seal beherrscht: Auf Tastflächendruck (Knopfdruck kann man da eigentlich nicht mehr sagen) dreht sich der Monitor um 90 Grad. Auch mit allem anderen hat man sich rasch arrangiert. Der Fahrersitz lässt sich elektrisch in die richtige Position schieben, das Telefon ist fix gekoppelt und der BYD-Mitarbeiter verrät, wo die Einstellungen für die Assistenzsysteme, vor allem den Tempowarner und die aktive Spurführung zu finden sind.

Das Navi ist programmiert, los geht’s in Richtung Tegernsee. Der Testwagen ist ein Seal Excellence AWD mit 390 kW oder 530 PS nach alter Rechnung. Zwei kompakte E-Einheiten sitzen an den Achsen, dazwischen die fest in die Fahrzeugstruktur integrierte Batterie mit 82,5 kWh Energieinhalt.

Akku aus 172 Zellen

Auf den Stromspeicher sind sie stolz bei BYD, vielleicht auch weil die Firma in den 90er Jahren als Batteriehersteller begann und erst durch die Übernahme des staatlichen Fahrzeugbauers Xian Quinhuan Automobiles zum Autohersteller avancierte. BYB bezeichnet sie als Blade Batterie, weil sich der Akku aus 172 dünnen Zellen zusammensetzt, die tatsächlich wie Klingen aussehen. Als Lithium-Eisenphosphat-Zellen ausgeführt, kann beim Elektrodenmaterial auf Kobaltdioxid verzichtet werden.

Davon merkt man während der Fahrt natürlich nichts. Die führt erst über die verregnete Autobahn, so darf zuerst der Regensensor sein Talent beweisen. Und der Fahrer hat etwas Muße, um hinter weitere Geheimnisse der BYD-Bedienung zu steigen. Der Getriebeschalter erinnert etwas an Lösungen aus dem Volkswagen-Konzern: ein Stummel in der Mittelkonsole. Die Klimabedienung funktioniert, wie fast alles, über den Touchscreen, und zwar einschließlich dem individuellen Einstellen der Lüftungsdüsen. Da benötigt man schon einen Co-Piloten, um das sicher während der Fahrt zu handhaben.

Rückmeldungsarme Lenkung

Eher verhalten zeigt sich der Antrieb – geht zwar vorwärts, nicht aber, wie man es von 530 PS erwartet. Später auf der Landstraße wird der Fahrmodus – nicht per Touchscreen, sondern mit einer echten Taste – von Normal auf Sport umgeswitcht. Holla, da verpasst dir der Seal einen richtigen Tritt und schießt schlupf- und verzögerungsfrei auf die nächste Kurve zu. Zum Glück verzögern die Bremsen vehement, wenn auch etwas nervös in der Ansprache. In den Kurven erschwert die unharmonisch ansprechende und sehr rückmeldungsarme Lenkung die saubere Linienführung.

Sportliches Fahrvergnügen auf kurvenreichen Straßen scheint nicht die Lieblingsdisziplin des Seal zu sein, trotz des vergleichsweise aufwendigen Fahrwerks. Vorn führen doppelte Dreieckslenker die Räder, hinten kommt eine Fünflenkerachse zum Einsatz. Nun ja. Brauchbar erscheint dagegen der Komfort, die Continental-Reifen im 19-Zoll-Format rollen geschmeidig ab. Bei größeren Unebenheiten kommt freilich die ein oder andere Polterei durch und auf Autobahnen sorgen kurze Wellen für Aufregung im Unterbau.

Die einfachere Version des BYD Seal kommt übrigens mit nur einem Motor und 230 kW, allerdings mit gleich großer Batterie. Das soll ihm zu einer WLTP-Reichweite von 570 km verhelfen. Für die 390 kW-Version vermeldet BYD 520 km. Die zeigte das Display beim Start am Flughafen auch an, fiel nach weniger Kilometern Autobahnfahrt jedoch rapide ab.

Grundpreis startet bei knapp 40.000 Euro

Während der zügigen Testfahrt über die Autobahn und Landstraßen zum Tegernsee dümpelt der Verbrauch um die 21 kWh/100 km, das passt soweit. Weniger passt jedoch, dass die Routenplanung des Navis keine Ladestopps einbaut. Es findet zwar die Stationen, Reichweiten- und Ladepausen-Planungen unterliegen dennoch hier ausschließlich der Besatzung. Das können die meisten europäischen und amerikanischen Konkurrenten weit besser. Ist die Station gefunden, bunkert der Akku mit maximal 150 kW aus der DC-Säule. 11 kW sind es maximal bei dreiphasigem Wechselstrom. Auch das kann sich sehen lassen.

Am Ziel in Rottach-Egern regnet es immer noch. Erwin hat tiefhängende Wolken vor die Aussicht über See und Berge gezogen. Worauf es erstmal keine Antwort gibt, ist die Frage nach dem Preis. Scheint fast so, als wollte man bei BYD die IAA abwarten. Man munkelt von einem Grundpreis von knapp über 40.000 Euro für die Ein-Motor-Version.