VW ID.7

Erste Fahrt mit dem VW ID.7

Der VW ID.7 will die frühen Unzulänglichkeiten von ID.3 und ID.4 mit üppiger Reichweite dank guter Aerodynamik und neuem Motor sowie einem neuen Infotainment vergessen machen, und das Segment der E-Limousinen von hinten aufrollen.

VW ID.7 Foto: VW 16 Bilder

Generell mag sich in vielen Fällen das Genre der Reiselimousine nicht so recht mit der Elektromobilität verweben lassen, sprechen Realreichweiten ja meist eine andere Sprache als die im WLTP-Zyklus. Und doch eignet sich aufgrund der guten aerodynamischen Voraussetzungen keine Fahrzeugklasse so gut für einen E-Antrieb wie große Limousinen, ist man auf der Suche nach maximaler Reichweite. Die will nun auch der VW ID.7 bieten und wirft 621 Kilometer nach WLTP in den Ring – 80 mehr als der ID.3, ebenfalls mit 77 kWh-Batterie, etwas mehr als der Hyundai Ioniq 6 (bis zu 614 km), etwas weniger als das Tesla Model 3 (bis zu 678 km). Mit einem cw-Wert von 0,23 liegt er ganz leicht hinter der Konkurrenz aus Korea (0,21) und Amerika (0,22). Viel mehr fällt jedoch beim Erstkontakt auf, wie groß das Wolfsburger Elektroauto geworden ist. 4,96 Meter Länge und 1,54 Meter Höhe lassen die Limousine wuchtig erscheinen und die Grenzen der Mittelklasse hinter sich.

Einsteigen, Startkno.. ah, richtig, wie bei allen elektrischen VW startet der ID.7 durch das Drücken des Bremspedals, obwohl es einen Knopf an der Lenksäule gibt. Mit gewohnter Samtigkeit setzt sich der 2.172 kg schwere Wagen in Bewegung. Im Heck treibt der neue APP550 (Achsparalleler Permanentmagnetsynchronmotor) mit 286 PS und 545 Newtonmetern den Wagen auf Wunsch in 6,5 Sekunden auf 100 km/h, löst dabei aber nie Schleudertraumagefahr aus. Nicht, weil er sich lahm anfühlt, sondern weil die Leistungsabgabe schön geschmeidig und kraftvoll erfolgt. Über den gesamten Wirkbereich soll der neue Motor 20 Prozent effizienter als sein Vorgänger APP310 aus ID.3 und ID.4 sein. Dabei hilft unter anderem ein verbesserter Pulswechselrichter, ein Rotor mit mehr Wicklungen, ein besseres Thermomanagement und polierte Zahnräder im Getriebe. Spürt man alles nicht, außer dabei, dass der ID.7 bei nasskalten Bedingungen bei gemischtem Fahrprofil aus Autobahn, zügiger Landstraßenfahrt und Stadt im Bereich von 19 bis 20 kWh verbraucht. Vergleichbar ist das jedoch nicht. Viel mehr dagegen spürt man den großartigen Federungskomfort des adaptiven DCC-Fahrwerks. Das nimmt Bodenwellen jedweder Art auf, verarbeitet sie und hält die Karosserie dabei auffallend stabil. Aufbaubewegungen lösen nur Temposchwellen bei niedrigem Tempo und übelste Verwerfungen bei erhöhtem Tempo aus. Verbesserte Lager an der Hinterachse sollen zudem die Fahrwerksgeräusche verringern, ein überarbeitetes Steuerungsventil an den Dämpfern und eine erweiterte Sensorik die Sensibilität der Adaptivdämpfer. Zusammen mit den dank Akustikverglasung nur im Hintergrund rauschenden Windgeräuschen bleibt er oberklassig leise.

Dabei schreckt der ID.7 im Sportmodus vor Kurven nicht zurück. Die schön linear übersetzte Lenkung vermittelt viel Präzision und Gefühl für die Vorderachse. Übermäßig viel Rückmeldung kommt nicht durch, aber mit ihr treibt man den großen Wagen recht ambitioniert durch die Ecken. Auch, da sich das Fahrwerk souverän gegen zu große Seitenneigung wehrt, der ID.7 lange neutral bleibt und bei nassem Asphalt sogar gelegentlich das Heck im ESP-Sportmodus raushängen lässt. Damit drängt er sich aber nicht auf, stachelt nicht an, beißt nicht aggressiv in den Kurvenscheitel, sondern bietet seine sämige Fahrdynamik lediglich als Option in einem breiten Strauß an Fahrtalenten an. Eine sportliche GTX-Version soll schließlich noch kommen. In der Stadt mag man das Fünfmeter-Schiff erst einmal fehl am Platz vermuten, aber dank der noch recht normalwüchsigen Breite von 1,86 Metern und dem erstaunlich kleinen Wendekreis von nur 10,9 Metern fühlt man sich nicht fehl am Platz. Das etwas schwere Handmoment der Lenkung passt gut zu dem souveränen Fahrgefühl, könnte in der Stadt aber etwas leichtgängiger sein.

Piepst leise und wechselt autonom die Spur

Der bei VW bekannte Travel Assist mit Adaptivtempomat und aktiver Spurführung darf im ID.7 nun auch selbständig durch Blinkerbetätigung die Spur wechseln. Das kennen wir bereits von anderen Herstellern und auch beim VW braucht diese Funktion viel Platz nach vorn und hinten auf der zu enternden Spur, um die Option auf den autonomen Spurwechsel mit einem Pfeil anzuzeigen, und etwas Zeit für den Spurwechsel selbst. Zusätzlich müssen die Hände konstant am Lenkrad gehalten werden. Da der VW aber auf ein kapazitives Lenkrad setzt, muss man nicht wie bei Tesla und Co zur Bestätigung wirsch am Lenkrad wackeln. Spurhalter und Adaptivtempomat überzeugen mit Souveränität, die erst bei engeren Kurven auf Landstraßen oder Autobahnauffahrten ihre Grenzen findet. Natürlich piepst es auch im ID.7 bei Tempoüberschreitungen durch den von der EU diktierten Tempolimitwarner. Da die Verkehrszeichenerkennung aber Schwierigkeiten hat, eingeschränkte Tempolimits und Aufhebezeichen zu verarbeiten, piepst es oft unbegründet, wenn auch verhältnismäßig leise. Immerhin lässt sich der Warnton im Assistenzmenü deaktivieren, was aber drei Bedienschritte braucht.

Die 77 kWh-Batterie darf nun mit maximal 175 kW laden, was laut VW die Ladezeit für den Standardladehub von 10 bis 80 Prozent auf 28 Minuten sinken lässt. Dafür wurde das Thermomanagement verbessert und ein neuer Zelltyp verbaut, den VW jedoch nicht spezifizieren möchte. Die Batterie wird durch das Anwählen einer Ladestation als Navi-Ziel oder erstmals durch eine manuelle Aktivierung im Menü vorkonditioniert. Zusätzlich liefert VW im Lademenü praktische Informationen, welche Schnellladeleistung beim derzeitigen Ladestand und der aktuellen Batterietemperatur möglich wäre und wie lange eine vollständige Konditionierung dauern würde. Ebenfalls an Bord: die praktische Routenplanung, die nun schneller rechnet und sich recht weitgehend konfigurieren lässt, etwa mit Restreichweiten an Ziel und an Ladestationen sowie Anbietern. Das System erkennt sogar die öffentlich nutzbaren Tesla-Supercharger. Nur an AC-Säulen bleibt es bei den üblichen 11 kW Leistung, eine Komplettladung dauert acht Stunden.

Schneller durch die kapazitive Welt

All diese nützlichen Verbesserungen gehen auch auf eine Zahl zurück: 4.0. So heißt die neueste Version der ID-Software, die nun endlich mit den Malaisen der Vergangenheit aufräumen soll – und das größtenteils auch tut. Auf einem deutlich gewachsenen, nun 15 Zoll großen Touchscreen laufen Navigation, Menüs, Apple Carplay und Android Auto (kabellos) nun flüssig, auch direkt nach dem Fahrzeugstart. Einzig bei laufender Navigation hängt der Pfeil der Fahrzeugposition etwas hinterher, verglichen zu früher aber Meckern auf hohem Niveau. Neue, konfigurierbare Direktzugriffe z.B. für Fahrmodi, Navigation, Fahrassistenz in der oberen linken Bildschirmecke erleichtern die Bedienung spürbar. Zusätzlich lassen sich in einem weiteren Schnellzugriffsmenü diverse Fahrzeugeinstellungen auf freie Schaltflächen legen, die die Bedienung ebenfalls vereinfachen. Zusätzlich hilft Sprachassistent IDA mit zahlreichen Funktionen, ohne so viele Fahrzeugeinstellungen zu beherrschen wie der BMW-Sprachassistent. Top: IDA blendet ein, was der Computer versteht, so kann man schnell korrigieren, was jedoch selten nötig ist. Dazu gibt es eine Reihe kleiner Arcade-Spiele und eine deutlich umfangreichere Klimasteuerung, die ebenfalls über das Display läuft. Die Ausströmer müssen am Screen umständlich elektrisch verstellt werden, beherrschen dafür eine Wedelfunktion zur schnellen Luftverteilung, die unter den smarten Klimafunktionen ("Frische Luft") zu finden ist. Nervig bleiben daneben die wenig ergonomischen aber inzwischen beleuchteten kapazitiven Slider unterhalb des Screens zur Temperatur- und Lautstärkeregelung. Gleiches gilt für das Lenkrad mit seinen kapazitiven Tasten und Slidern. Die arbeiten wie schon beim ID.3-Facelift reaktiver aber eben nicht so intuitiv wie normale Knöpfe. Hinter dem Lenkrad sitzt ein kleiner Displaystreifen für Tempo und Fahrassistenz, darüber macht sich in der Scheibe das Augmented-Reality-Head-up-Display breit, das der ID.7 serienmäßig verbaut hat. Umrahmt wird die Display-Party von weichen Kunststoffen, Alcantara, Kunstleder, hinterleuchteten Zierleisten, blauen Zierstreifen und ein wenig Klavierlack. Kurzum: eines Innenarchitektur-Preises unverdächtig aber in der gebotenen, guten Verarbeitungsqualität ein Schritt in die richtige Richtung. Einen Schritt in Richtung Luxussegment machen die optionalen, äußerst komfortablen ErgoActive-Sitze, die nicht nur vielfach elektrisch verstellbar sind, sondern auch eine Massagefunktion bieten, und zwar eine richtige, nicht nur eine sich auf- und abpumpende Lordosenstütze (nicht wahr, Peugeot?). Elf Programme stehen zur Wahl, die nicht nur den Rücken mit zahlreichen Druckpunkten bearbeiten, sondern auch die komplette Sitzfläche. Mercedes lässt grüßen.

Hoch hinaus für schöneres Wohnen

Vorne wirkt der ID bereits sehr luftig, hinten umso mehr. Dank der für eine Limousine recht stattlichen Höhe von 1,54 Metern sitzt es sich auch als Hüne im Fond bequem. Zum Vergleich: Tesla Model 3 und Hyundai Ioniq 6 messen 1,44 bzw. 1,49 Meter und bieten entsprechend weniger Platz. Knapp drei Meter Radstand sorgen für massig Kniefreiheit, die Höhe für Kopffreiheit trotz aerodynamisch absinkender Dachlinie. Ein optionales Panoramaglasdach bringt Licht in den Fond, kann aber auf Wunsch durch eine Flüssigkristallpolymer-Beschichtung blind geschaltet werden, was Sonneneinstrahlung und damit das Aufheizen im Sommer reduziert. Hinter der Rückbank wartet unter einer großen Hecklappe ein großzügig dimensionierter Limousinen-Kofferraum mit 532 Litern Stauvolumen. Unter dem Ladeboden gibt es ein Extrafach, das die Ladekabel aufnimmt, denn beim ID.7 gibt es keinen Front-Kofferraum. Klappt man die Rückbank um, erweitert sich der Gepäckraum auf 1.586 Liter Stauvolumen. Zusätzlich kann der ID.7 eine Dachbox transportieren oder bis zu 1.000 kg bei bis zu zwölf Prozent und 1.200 kg bei bis zu acht Prozent Steigung an den Haken nehmen.

Viel Gutes für viel Geld

Erwartungsgemäß kommt das alles nicht billig. Mit 56.995 Euro für die bisher einzig verfügbare Variante Pro mit 77-kWh-Batterie und 210-kW-Motor platziert sich der VW mitten im Konkurrenzumfeld. Die Serienausstattung kann sich mit 19-Zoll-Rädern, Head-up-Display, Sitz- und Lenkradheizung, Ambientebeleuchtung, Travel-Assist, vollständigem Infotainment, Park-Assistent, 360-Grad-Kamera und 3-Zonen-Klimaautomatik sehen lassen. Je zwei Interieur- und Exterieurpakete erweitern die Serienausstattung um Luxusextras wie die Ergoactive-Sitze, Massagefunktion, Glasdach, Adaptivfahrwerk, LED-Matrix-Scheinwerfer und so weiter. Dazu gibt es noch optionale 20-Zoll-Räder, vier Optionsfarben und leider auch ein so wichtiges Extra wie die Wärmepumpe (990 Euro), die es erneut nicht in den Serienumfang geschafft hat. 2024 ergänzen die Kombivariante, Allradmodelle, ein GTX-Sportmodell sowie ein größerer 86-kWh-Akku, mit dem über 700 km nach WLTP möglich sein sollen, das ID.7-Line-Up.