Facelift Lexus ES 300h (2021)

Ein Luxus-Hybrid - sparsam, solide, selten

Lexus stellt den facegelifteten ES vor. Die große Hybrid-Limousine ist hierzulande äußerst selten – ist der Luxus-Toyota ein Geheimtipp?

Lexus ES 300h Foto: Harald Dawo 24 Bilder

Der Lexus ES basiert seit jeher auf der Plattform des Toyota Camry und ist im Marktsegment der Mercedes E-Klasse angesiedelt. Das Facelift hat der seit 2018 gebauten Generation ein etwas harmonischeres Gesicht verpasst, dass aber mit seinem markant dramatisch geformten Grill und den schlitzförmigen Frontlichtern eben immer noch markant und ein bisschen dramatisch aussieht. So ist der ES eine Limousine, die auffällt – nach ihr drehen sich Passanten tatsächlich um. Kaufen tun ihn dennoch nur wenige: In Deutschland gehen bisher im Schnitt jährlich 250 ES zum Kunden.

Digitale Außenspiegel gegen Aufpreis

Innen ist der ES eine Mischung aus Modernität und alter Schule. Allein schon die aufpreispflichtigen digitalen Außenspiegel deuten auf Lexus‘ Technikverliebtheit hin. Die Kamera-Spiegel gab es schon beim Vor-Faceliftmodell. Sie sollen einen größeren Winkel abdecken als herkömmliche Spiegel und beim Blinken weitet sich der Sichtfeld-Winkel automatisch. Allerdings muss sich der Fahrer erst an sie gewöhnen: Anfangs schaut er immer zu den Kameras und erst dann auf die entsprechenden Bildschirme. Zudem muss der Blick das Bildschirmbild erst fokussieren, was etwas länger dauert als bei einer herkömmlichen Spiegelung, deren Fokus im Unendlichen scharf ist, während das Kamerabild im Nahbereich liegt.

Lexus ES 300h Foto: Harald Dawo
Gegen Aufpreis gibt es anstelle von klassischen Außenspiegeln eine Kamera mit Bildschirm.

Tadelloses Infotainment

Das Infotainment-System mit seinem sehr breiten Touchscreen am oberen Ende der Mittelkonsole funktioniert in jeder Menüverästelung genauso tadellos wie die Konnektivität mit mobilen Endgeräten. Einen beruhigenden Akzent setzt die links in den Bildschirm-Rahmen integrierte Zeigeruhr, die auch ein Hinweis darauf ist, dass der ES Kunden ansprechen soll, die gediegenen Luxus mögen. Für ein bisschen Unruhe sorgen dann wieder die vielen auf der Mittelkonsole verteilten Bedienknöpfe – taufrische Bedieneinheiten fallen heutzutage eher durch ihre Knopflosigkeit auf. Die Möglichkeit, Funktionen noch per Direktwahl über einen klassischen Knopf anzuwählen, empfindet mancher Fahrer gar nicht als Nachteil. Und die Dreh-Drück-Zylinder rechts und links vom Instrumenten-Bildschirm laden geradezu dazu ein, sie anzufassen – zudem erinnern sie an das Cockpit des legendären Lexus LFA.

Lexus ES 300h Foto: Harald Dawo
Zur Bedienung hat der ES ganz Old School noch zahlreiche Knöpfe.

Platzverhältnisse wie in Chauffeurs-Limousine

Richtig komfortabel ist das Head-up Display: Nicht zu klein und nicht zu groß, spiegelt es fahrrelevante Informationen klar ins Frontscheibenglas. Die Anzeigen sind zwar farbig, aber nicht zu bunt – und die Navigations-Pfeile zeigt das Display perspektivisch an, was die Orientierung, beispielsweise, an unübersichtlichen Kreuzungen erleichtert. Komfortabel ist auch das Platzangebot: Die Vordersitze sind straff, womit ermüdungsfreie Langstrecken-Reisen möglich sind – und selbst groß gewachsene Personen genießen eine üppige Beinfreiheit. Und auch wenn vorn eine große Person ihren Sitz weit nach hinten schiebt, hat der Fondpassagier immer noch sehr viel Beinfreiheit. Die Fondgestaltung macht zudem klar, dass der ES auch als Chauffeurs-Limousine herhalten kann: In der Mittelarmlehne gibt es nicht nur Knöpfe für die Sitzheizung, sondern auch für die Verstellung der Lehne in, nahezu, eine Liegeposition. Der hinter der Lehne sitzende Kofferraum fasst 454 Liter – der Knopf zum Öffnen der Heckklappe sitzt ungewöhnlich weit rechts.

Lexus ES 300h Foto: Harald Dawo
Der Lexus ES bietet in der ersten Reihe viel Platz.

Komfortabel und wankunwillig

Entspannung, Komfort, Gleichmäßigkeit – diese Punkte standen in den Lastenheften der ES-Entwickler offensichtlich ganz oben. Aber gegenüber früheren Lexus-Modellen hat sich zum Beispiel beim Fahrwerk enorm was getan: Das alte Sänftenwanken, das angeblich die amerikanischen Kunden so mochten, ist passé. Wanken in schnellen Kurven findet beim ES kaum statt und mit langen Bodenwellen kommt er ebenfalls gut zurecht. Bei kurzen Querrillen meldet sich die Vorderachse dann aber deutlich – und die jetzt steifer ausgelegte Hinterachse sogar noch ein bisschen deutlicher. Wer also den ES als Chauffeur fährt, sollte Speedbumper und noch kürzere Hindernisse etwas langsamer angehen als mit einer Mercedes E-Klasse, einem Audi A6 oder einem BMW 5er – dann bleibt auch der Gast im Fond zufrieden.

Mehr Pedal-Kontakt

Die Lenkung des ES funktioniert präzise, die Übersetzung ist direkt und ein Spiel in der Mittellage gibt es kaum. Die Bremsen wiederum arbeiten unspektakulär, wobei Lexus auf zwei Neuerungen stolz ist: Zum einen ist das Bremspedal jetzt so geformt, dass die Auflagefläche des Fußes (meistens wohl der Schuhsole) größer ist, zum anderen soll das Pedal weniger Vibrationen übertragen. Die sind am Bremspedal tatsächlich nicht zu spüren. Das mit dem Pedal-Auflagegefühl müssten wir hingegen vielleicht erst als neue Kategorie in unseren Fahrberichten einführen – Achtung, Ironie!.

Lexus ES 300h Foto: Harald Dawo
Die Beinfreiheit ist so groß, dass der ES auch eine Chauffeurs-Limousine sein könnte.

Durchzugskräftiger Hybridantrieb

Für den Antrieb ist beim ES 300h markentypisch ein Hybridsystem zuständig. Den Verbrenner-Part übernimmt ein 2,5-Liter-Vierzylinder-Sauger mit 178 PS und einem maximalen Drehmoment von 221 Newtonmeter. Unterstützung erhält er von einem permanent erregtem Elektromotor mit 88 kW (120 PS) und 202 Newtonmeter Drehmoment. Daraus resultiert eine Systemleistung von 218 PS. Damit spurtet der zirka 1.700 Kilogramm schwere frontgetriebene ES in 8,9 Sekunden auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit ist bereits bei 180 km/h abgeregelt – hier geht bei den deutschen Kontrahenten mehr. Die Energie für den Elektromotor speichert übrigens ein Nickel-Metallhydrid-Akku – diese Chemie ist im Vergleich zu Lithiumionen-Akkus deutlich günstiger. Allerdings haben diese Akkus auch eine geringere Energiedichte und halten weniger Ladezyklen aus. In Toyotas und Lexus' Hybriden reicht das schon seit Jahren – man könnte auch sagen, die Technik hat sich bewährt und ist ausgereift.

Unmerkliche Umschaltvorgänge

Das wirklich Tolle am Hybridantrieb des ES ist allerdings die unfassbare Harmoniesucht, mit der die japanischen Entwickler Verbrenner und Elektromotor aufeinander abgestimmt haben. Vom Zu- oder Abschalten des Verbrenners bekommt auch der feinfühligste Insasse nichts mit – gar nichts. Per EV-Taste lässt sich eine rein elektrische Fahrt erzwingen – allerdings nur bei Geschwindigkeiten von unter 50 km/h und dann auch nur für eine kurze Strecke. Auch diesen Hand-Umschaltvorgang spüren die Insassen nicht. Und zu der Tatsache, dass der ES kein Auto für rein elektrisch gefahrene Pendlerstrecken ist, sagt Lexus, dass es bei diesem Antrieb darum geht, den Anteil des elektrischen Fahrens an der gesamten Fahrt zu erhöhen – was eine andere Philosophie als bei Plug-in-Hybrid-Systemen ist, die am Ende ebenfalls in Form eines niedrigen Verbrauchs der Umwelt zugutekommt. Lexus gibt einen WLTP-Durchschnittsverbrauch von 5,8 Liter an, bei unserer Testfahrt mit viel Landstraßenanteil und normal bis engagiertem Beschleunigungs-Verhalten zeigte der Bordcomputer Werte zwischen 5,5 und 5,9 Liter. Der 1,7 Tonnen schwere und 218 PS kräftige ES 300h lässt sich also tatsächlich sparsam fahren.

Lexus ES 300h Foto: Harald Dawo
Der Lexus ES spurtet in 8,9 Sekunden auf Tempo 100, bei 180 km/h greift die elektronische Abregelung.

Schaltpaddlereaktionen wie beim Sportwagen

Die Schaltarbeit übernimmt ein elektronisch gesteuertes, stufenloses Getriebe. Und klar: Beim kräftigen Beschleunigen wünscht sich ein europäischer Fahrer vielleicht einen spürbaren Schaltvorgang herbei. Aber das Getriebe ist so ausgelegt, dass es den Fahrer nicht mit schlimmen Hochdrehjaulen nervt und wer mag, kann per Schaltpaddle sechs virtuelle Schaltstufen reinfeuern. Reinfeuern? Ja: Das System setzt die Schaltbefehle so schnell und direkt um, wie in einem Supersportwagen. Die Bedienung der Paddles ist also überraschend spaßig. Dafür muss der Dreh-Drückzylinder für die Fahrmodiauswahl (Eco, normal und Sport) nicht einmal auf Sport stehen – die Einstellungen haben ohnehin gefühlt kaum Einfluss auf Gasannahme, Lenkung und Schaltung. Nein, mithilfe der Paddles kann der Fahrer bei Bedarf jederzeit ein bisschen aus der ES-Harmonie ausbrechen.