Schmidts F1-Blog

So werden WM-Punkte entwertet

Die Formel 1 will in Zukunft WM-Punkte bis Platz 12 verteilen. Das ist ein Fehler, meint Michael Schmidt. Der Gewinn von Punkten sollte etwas Besonderes bleiben und nicht entwertet werden.

Yuki Tsunoda & Peter Bayer - GP Japan 2024 Foto: Red Bull 16 Bilder

In grauer Vorzeit gab es nur Punkte für die ersten Fünf. Dann bis Platz sechs, Platz acht und seit 2010 bis Platz zehn. Schon das war mir ein Schritt zu viel. Seit 2010 lassen sich die Fahrer unterschiedlicher Epochen nicht mehr miteinander vergleichen. Für den Sieger gab es plötzlich zweieinhalb Mal so viel Zähler wie zu Zeiten von Juan-Manuel Fangio oder Jim Clark.

Schlimmer noch aber war, dass seitdem die Hälfte aller Starter Punkte bekommt. So wurde automatisch ein mittelmäßiges Resultat belohnt. Ein WM-Punkt aber sollte etwas Wertvolles sein. Etwas, das nicht jeder geschenkt bekommt. In der 74-jährigen Geschichte gab es nur 353 Fahrer mit WM-Zählern auf ihrem Konto. Für jeden, der da dazugehört, ist das eine Auszeichnung. Das wird bald nicht mehr so sein.

Jetzt will die Formel 1 sogar an die ersten zwölf Fahrer Punkte verteilen, also 60 Prozent des Feldes. Das verwässert einen Punktgewinn noch mehr, finde ich. Es erinnert mich an die IndyCar-Serie, in der jeder etwas Zählbares bekommt, der es nur schafft seinen Transporter im Fahrerlager abzustellen. Jeder bekommt Punkte. Auch der Fahrer, der beim Start stehenbleibt.

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 6. April 2024 Foto: Motorsport Images

Hülkenberg bekam schon drei Mal diese Saison Punkte. Jeder Top-Ten-Platz fühlt sich im Haas an wie ein Sieg.

Geteiltes Feld ist Momentaufnahme

Ich befürchte, da werden wir am Ende auch in der Formel 1 hinkommen. Das aber verdient dann nicht mehr das Prädikat Königsklasse. Das Argument, mit dem jetzt für eine Ausweitung des Punktesystems geworben wird, holt uns in ein paar Jahren wieder ein. Jetzt klagen die Teams aus der zweiten Tabellenhälfte, dass sie nur noch Chancen auf Punkte haben, wenn Fahrer von den Top-5-Teams ausfallen.

Das ist eine Momentaufnahme. Wenn jetzt zwölf Fahrer und ihre Teams Punkte bekommen, klagen in zwei Jahren vielleicht der Dreizehnte und Vierzehnte das gleiche Lied. Oder es gibt dann nur noch drei Top-Teams und der Rest des Feldes prügelt sich um die verbleibenden Plätze in den Punkterängen. Ein Sport, der bei der Lösung seiner Probleme immer den Weg des geringsten Widerstandes sucht, ist nicht souverän.

Die natürliche Lösung wäre, dass Haas, Toro Rosso, Sauber, Williams und Alpine ihre Autos schneller machen. Es geht ja nur um zwei bis drei Zehntel. Unter dem Budgetdeckel bewegen wir uns immer mehr Richtung Chancengleichheit. Also zieht das alte Klagelied nicht mehr, dass die großen Teams die kleinen immer mehr erdrücken.

Impressionen - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - 21. April 2024 Foto: xpb

Dass hinter den ersten fünf Teams aktuell eine große Lücke besteht, kann sich schon nächste Saison ändern.

Mehr Punkte lösen Grundproblem nicht

Wenn man den kleinen Teams helfen will, wäre es besser, die Regeln für die Budgetdeckelung zu verschärfen, als einfach mehr Punkte zu vergeben. Was bringt es beispielsweise Haas, wenn man jetzt 25 statt fünf Punkte auf dem Konto hätte? Sie zahlen nur mehr Nenngebühr an die FIA. Der augenblickliche Punktestand ist für Haas eine viel größere Auszeichnung, als wenn der US-Rennstall jetzt 27 Punkte hätte und Sauber 15.

Mehr Punkte lösen nämlich nicht das Problem. Eine noch gerechtere Ausgangsposition dagegen schon. Genau da tappt die Formel 1 immer wieder in die gleiche Falle. Immer, wenn es einen Missstand gibt, geht man den Weg des geringsten Widerstandes.

Ein Beispiel: Als Anfang der 90er-Jahre immer weniger überholt wurde, führte die Formel 1 Tankstopps wieder ein. Wenn es schon keine Action auf der Strecke gab, sollte das Geschehen an den Boxen Spannung liefern. Man hätte besser nach den Ursachen des Überholproblems geforscht. Dann hätte man festgestellt, dass die extreme Aerodynamik schuld war und hätte die Auswüchse in diesem Bereich schon vor 30 Jahren beheben können.