Ford Capri, Opel Manta und VW Scirocco
Die heißesten Volks-Coupés der 70er
Prilblumen und Schlaghosen - und ein schnittiges Coupé, am besten noch bezahlbar: Wer so etwas in den 70ern wollte, wurde bei Ford, Opel und VW fündig, die mit Capri, Manta und Scirocco parat standen.
27.10.2015 Michael Harnischfeger
Das Timing war so perfekt wie in einem Monty-Python-Sketch - also komplett daneben. Gerade erst hatte der Jom-Kippur-Krieg die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) dazu veranlasst, ihre Erdölproduktion zu drosseln und damit den Preis eines Barrels Rohöl von etwa drei auf fünf Dollar zu pushen, da schoben die VW-Händler den Scirocco in ihre Schaufenster. Auch der neue Ford Capri II feierte Premiere. 1974 war das, im Jahr der ersten Ölkrise mit auf zwölf Dollar ansteigenden Barrel-Preisen, die Deutschland Sonntagsfahrverbote und rigide Tempolimits bescherte: 100 km/h auf Autobahnen, Tempo 80 auf Landstraßen. Wie würde es weitergehen?
Jugendsünden mit Flokati-Teppich und psychedelischen Mustern
Nun, es ging weiter. Und Fahrspaß war durchaus noch erlaubt. Daher durchlebten die zum vermeintlich falschen Zeitpunkt erschienenen Sportcoupés VW Scirocco und Ford Capri II sowie der im Herbst 1975 gestartete Opel Manta B eine wilde Jugend und ermöglichten mit hoher Eisdielen-Schaulauf-Kompetenz ihren Fahrern wohl erst so manche Jugendsünde.
Heute erinnern die drei in pflegenden Fan-Händen an diese Zeit der Flokati-Flusenteppiche, psychedelisch gemusterten Tapeten, Bonanza-Räder, Lavalampen oder Schalensessel und führen zu der Frage, wo denn die Nachfolger sind. Ja, wo sind sie denn? Opel? Nun ja, es gibt da einen zweitürigen Astra. Ford? Komplette Fehlanzeige. VW? Ja, der Scirocco ist seit 2008 wieder da, wie vor gut 40 Jahren schon als technischer Ableger des Golf.
Leichtbau, Einspritzung, Tempo
Kurz vor dem Kompakten mit der praktischen Heckklappe vorgestellt, war der VW Scirocco wie der Golf unter Mithilfe des italienischen Designers Giugiaro enstanden. Er pflanzte die Botschaft des leichten Coupés eifrig in die Herzen der Fans, die sich anfangs mit eher geringen PS-Zahlen zufriedengeben mussten. Der Verkauf des in Osnabrück entwickelten Karmann-Ghia-Nachfolgers startete mit 50, 70 und 85 PS. Die 110-PS-Einspritzer-Version, die Hans-Dieter Bühler mit zum Coupé-Treffen bringt, kam als GTI und GLI erst 1976.
Kolibrigrün leuchtet der dunkle Lack des im Mai 1980 erstzugelassenen VW Scirocco GLI, und kolibrigrün leuchten auch die weichen Velourspolster, die – wie der Bronzeton der Scheiben – das luxuriöse Topmodell von den günstigeren Versionen unterscheiden. Das Armaturenbrett mit den in tief liegenden Höhlen untergebrachten Rundinstrumenten besteht aus hartem Plastik, das gern mal vibriert, wenn die Vergasermotoren auf zu niedrigem Niveau um einen stabilen Leerlauf ringen.
Digitale Leerlaufsteuerung ab 1980
Doch diese Probleme hat der VW Scirocco GLI, der bei Bühler seit 2012 in zweiter Hand ist, mit der nur 1980 verbauten digitalen Leerlaufsteuerung nicht. Die mechanische Bosch K-Jetronic arbeitet perfekt, auch Heißstartprobleme, wie sie bei maroden Kraftstoffdruckspeichern auftreten können, gibt es nicht. Quicklebendig dreht der kleine 1,6-Liter hoch, hängt wach am Gas, animiert zum Drehen und Räubern mit seinen 110 PS und den 140 Newtonmetern, die erst bei 5000 Umdrehungen anliegen.
Zu Hilfe kommt ihm hierbei das kurz gestufte Fünfgang-Sportgetriebe, das es nur in den späten Modellen ab August 1979 gab. Sonderlich präzise geführt ist der Schalthebel mit dem Golfball nicht, aber die Gänge flutschen ohne Widerstand in Position. Auch das niedrige Gewicht des VW Scirocco trägt natürlich zur Leichtigkeit des Fahrens bei: Gerade mal 800 kg bringt das eng geschnittene Coupé auf die Waage. Entsprechend leicht liegt es in der Hand und folgt der exakten Zahnstangenlenkung in jede Kurve, ohne sich lange bitten zu lassen. Servolenkung? Überflüssig. Jenseits der fünf km/h ist der Kraftaufwand moderat.
Viel Raum bleibt trotz moderner Quermotor-Frontantriebs-Konstruktion aber nicht: Der zierliche VW Scirocco ist ein intim geschnittener 2+2-Sitzer, dessen Zweipunkt-Beckengurte auf der Rückbank nicht zur Sicherung lebender Mitfahrer missbraucht werden sollten. Die sitzen da nämlich unwürdig zusammengeklappt.
Ford Capri - ein Powerboot für die Straße
Das schlechte Wetter, das uns zur Fotoproduktion in diese aufgelassene Produktionshalle von Opel in Rüsselsheim getrieben hat, lässt eine weitere Ausfahrt zu. Der Ford Capri II von Gerhard Weinfurter erhebt nach kurzem Anlasserorgeln seine bassige Stimme. "Einmal mit allem" lautete wohl die Maxime des Erstbestellers, denn dem im Mai 1977 zugelassenen Coupé fehlt es an nichts. Selbst die Dreigangautomatik für 904 Mark ist an Bord - und natürlich der dickste Motor, der Dreiliter- Essex-V6. "Der gilt als kapriziös", sagt Weinfurter. "Doch wenn man ihn sorgfältig warm fährt und ihm keine hohen Dauerdrehzahlen abverlangt, macht er keine Zicken." Eine gute Reisegeschwindigkeit seien 130 km/h.
Der glänzende Wählhebel klackert in Position D, beim Gasgeben hebt sich die lange Haube mit dem Powerdome, der Ford Capri legt leise blubbernd ab. Im Vergleich zum VW wirkt dieser Ford wie aus dem Vollen gefräst, die gut 350 Kilogramm Mehrgewicht lassen ihn allerdings nicht behäbig wirken, sondern eher auf eine altertümliche Weise souverän. Die Servolenkung nimmt ihre Aufgabe viel zu ernst, filtert jeden Fahrbahnkontakt weg mit ihrer Ein-Finger-reicht-Attitüde.
Sitze wie Wohnzimmersessel
Und die Sitze des Ford Capri, groß dimensioniert und so weich gepolstert wie Wohnzimmersessel, tun mit dem dicken Drehmoment ein Übriges, damit man den Capri als Gleiter für Genießer versteht. Sicher, auf den Rennpisten zeigte er auch dynamische Talente, doch die Straßenversion wirkt heute trotz der tiefen Sitzposition eher entschleunigend, wo der Scirocco animierend wirkt.
Praktisch war und ist das Heckklappen-Coupé ohne Zweifel, denn die Rücksitzlehne lässt sich geteilt klappen, die Vordersitzlehnen kippen auf Wunsch in die Horizontale. "Da kann man sogar zu zweit drin schlafen, wenn man das Gepäck in den Fußraum vor der Rücksitzbank packt", versichert Weinfurter in Erinnerung an Jugoslawienreisen mit seiner ersten Frau in seinem ersten Ford Capri II, den er von 1977 bis 1984 fuhr.
Viele Teile nur noch über Clubs zu bekommen
Dieses Auto, das durch seine goldene Lackierung ebenso auffällt wie durch sein orangefarbenes Interieur (Weinfurter: "Diese Kombination wurde nur 500 Mal gebaut, 400 Mal für England"), hat der Hesse 2004 gekauft. Wie Hans-Dieter Bühler betont er, dass man am besten einen kompletten Ford Capri kaufen und ein funktionierendes Netzwerk sowie eine gute Werkstatt habe sollte. Seinen Capri pflege der Autopark Bihn & Bittmann in Ingelheim.
Viele Ersatzteile für den Ford Capri seien nur noch über Clubs oder Beziehungen erhältlich. Und das gilt nicht nur für Sitzbezüge oder Türverkleidungen in diesem grellen Orange, das Weinfurters Capri zu einer ziemlich schrägen Erscheinung macht.
Verlässlicher Coupé-Spaß
Der Eigentümer des saphirblauen Opel Manta 1900 S von 1977 hat es bei der Ersatzteilbeschaffung ein wenig leichter als Privatpersonen, denn dieses Coupé stammt aus dem Fundus von Opel Classic. Vinyldach, Radlaufchrom, weiches Velourspolster: Die Topausstattung Berlinetta schmeichelt sich ein mit dem unaufdringlichen Luxus eines Autos, das seine Käufer im bürgerlichen Lager wusste und den lauten Auftritt den Rallye-Geräten überließ, die die sportliche Seite des Manta B hervorkehrten.
Nur 90 PS leistet der Vergasermotor, der wie alle Opel-Triebwerke jener Zeit dieses ungeheuer gemütliche, nach bedingungsloser Verlässlichkeit klingende Laufgeräusch in den Innenraum schickt. Holzfurnier-Imitat hier und da und verchromte Rähmchen tragen bei zum Eindruck der Geborgenheit, den klare Instrumente und komfortable Sitze unterstreichen. Die Nähe zum Ascona, mit dem sich der Opel Manta Motoren, Getriebe und Fahrwerkskomponenten teilt, ist spürbar, die Konzentration der Opel-Macher aufs wirklich Wichtige ist präsent.
Drei Charaktere, wie schön
Gegenüber dem Opel Manta A ist der B aerodynamisch optimiert mit seinem schmalen Kühllufteinlass. Wie Uwe Bahnsen den Ford Capri II in Ford-Diensten geglättet hat, so hat George Gaillon die Hüften des Manta B gestrafft, ihm ein sachlicheres Design beschert, in dem sich der Opel Monza von 1977 schon erahnen lässt. Die filigranen Dachsäulen machen den Innenraum licht und wohnlich, bringen zugleich viel für die Übersichtlichkeit. Der Kofferraum mit seinem vielen unverkleideten Blech ist groß, die praktische Heckklappe folgt erst 1978 mit dem Fließheckmodell CC.
Mit der sanften Wucht der großen Schwungmassen hängt der Vergaser-Vierzylinder am Gas. Der lange Schalthebel ist ganz exakt geführt, die vier Vorwärtsgänge rasten leicht ein. Über die Landstraßen rund um Rüsselsheim stromernd, zeigt sich der Opel Manta weniger quirlig als der VW Scirocco und weniger gesetzt als der Ford Capri. Wendig ist er, aber nicht spitz, gelassen machend, aber nicht betulich. Vor 40 Jahren gab es für Coupé-Fans nicht nur Auswahl an Marken, sondern auch an Charakteren. Warum das heute anders ist? Hm, vielleicht wollen zu viele Leute schlicht SUV fahren.
So viel kosten Ford Capri, Opel Manta und VW Scirocco
Am günstigsten aus diesem Trio ist derzeit der Ford Capri 3.0 zu haben. Classic-Analytics notiert ein Zustand-2-Exemplar mit rund 9.500 Euro, während für einen Opel Manta 1900 rund 10.000 Euro fällig sind. VW Scirocco im Zustand 2 liegen nochmals darüber: etwa 12.000 Euro muss man für einen guten einplanen. Im mäßigen Zustand ist der Unterschied noch deutlicher. Zustand-4-Scirocco kosten etwa 4.000 Euro, Ford Capri und Opel Manta liegen mit 2.100 respektive 2.300 Euro bei etwas mehr als der Hälfte.