Abt Golf I GTI im Fahrbericht

163 Turbo-PS-Golf für harte Jungs

Die Firma Abt bringt seit mehr als einem halben Jahrhundert schnelle Autos der Marken DKW, Audi und Volkswagen auf die Straße. Erfolge auf der Rennstrecke sind Familientradition. Der 1982er Abt Golf GTI mit 163 Turbo-PS erfordert den ganzen Mann.

Abt Golf I GTI Foto: Hardy Mutschler 17 Bilder

Abt Golf GTI, ein anderer harter Kerl: Man kennt ja die harten Jungs von der Mille Miglia, wo sie manchmal wie Charles Lindbergh nach seinem Alleinflug über den Atlantik wirken, wenn sie mit steif gewordenen Beinen aus ihren schmalen Vorkriegskisten herausklettern und mit erschöpften, aber glücklichen Gesichtern in die Zuschauerrunde blicken.

Abt verpasst dem Golf GTI ein dickes Muskelpaket für 15.000 Mark

Youngtimer-Besitzer haben es dagegen schwerer, den harten Mann zu spielen. Sie kommen schließlich in den Genuss einer gewissen automobilen Kultiviertheit, ja sogar Verweichlichung in Form von geräumigen Karosserien, synchronisierten Getrieben, einer bequemen Sitzposition und Kleinkolbenmotoren, die wie kastrierte Kater schnurren. Doch dieser weiße Abt Golf GTI von 1982 sieht - freundlich gesagt - ziemlich schnell und brutal aus.

Der Abt Golf GTI wirkt wie eine muskelbepackte Bodybuilderin im weißen Brautkleid. Oder wie ein Rennwagen ohne Startnummer und Sponsorenaufkleber: Vier kreisrund ausgestellte Radhäuser stehen in einem bizarren Kontrast zu der von Giorgetto Giugiaro gezeichneten Jahrhundertkarosserie mit ihren betont geraden Linien. Die aus Stahl gefertigten Verbreiterungen für das Abt Golf GTI-Fahrwerk mit den 205/60er-Reifen auf drolligen 13-Zoll-Alu-Rädchen von Ronal sind extrem sauber gearbeitet, kosteten aber als Paket auch sagenhafte 15.000 Mark. Sie wachsen so selbstverständlich aus den Wagenflanken, als hätte Volkswagen in Wolfsburg von diesem Breitspur-Golf mindestens 100.000 Stück gebaut.

Innen bekunden im Abt Golf GTI ein weißes, etwas damenhaft wirkendes Lederlenkrad, bequeme Sportsitze und drei Zusatzinstrumente für Öldruck, Öltemperatur und Ladedruck eher maßvoll die Sportambitionen des Breitspur-Golf - bis man den Motor des Abt Golf GTI startet. Der läuft nämlich etwas rauer als sein Serienpedant, und von hinten brabbelt dezent der Auspuff. Die Spezialkurbelwelle mitsamt -kolben, der bearbeitete Zylinderkopf, eine schärfere Nockenwelle und der KKK-Abgasturbolader bringen zusätzliche 53 PS - beinahe 50 Prozent Mehrleistung als der Serien-GTI mit seinen 110 PS bei nahezu unverändertem Gewicht von nur 850 Kilogramm.

Leistungsgewicht des Abt Golf I GTI liegt bei 5,2 Kilogramm

Mit einem Leistungsgewicht von 5,2 Kilogramm pro PS zählt der Abt Golf GTI noch heute zu den Schnellen im Lande und schlägt damit den neuen, knapp 1,5 Tonnen schweren und 210 PS starken GTI um 1,9 Kilogramm. Nach Lösen der kräftezehrenden Kupplung legen wir ganz normal und sachte los. Typisch Golf: die tolle Sicht auf Straße und Motorhaube durch die hohe Sitzposition und die dünnen A-Säulen. Typisch Abt GTI: Die Lenkung geht bei langsamer Fahrt so schwer wie in einem Büssing-Kipper. Man beugt sich mit dem Oberkörper nach vorn, zerrt am weißen Lenkrad und zwingt so den Abt Golf GTI in die gewünschte Richtung. Wenn der Golf schneller rollt, reduzieren sich die Lenkkräfte, doch dann meldet sich das ultraharte Fahrwerk. Es nimmt jede Wölbung, Rille und Kante des Straßenbelags begierig wahr und gibt diese sofort dem Fahrer weiter. Eigentlich hoppeln wir mehr, als wir fahren und geben damit dem Namen "Rabbit" - auf deutsch Kaninchen, so hieß der Golf in den USA - einen unerwarteten Sinn.

Das Abt Golf GTI-Kaninchen rennt dann auch dank Turbo-Power wie vom Jagdhund gehetzt los. Über 4.000/min gibt es noch einen Panikschub - auch für den Fahrer, weil beim Beschleunigen sogar noch im zweiten und dritten Gang der kleine Abt Golf GTI mit kräftigen Händen am weißen Lenkrad gepackt und gebändigt werden muss. In schnell angegangenen Kurven machen sich endlich die vier Walzenräder positiv bemerkbar: Praktisch ohne Seitenneigung klebt der weiße Abt Golf GTI wie Spiderman auf der Straße - wenn diese so eben wie eine Hauswand oder eine Rennstrecke ist.

Verkappter Renntourenwagen

Auf den Punkt gebracht ist dieser Abt GTI in seiner damals extremsten Ausbaustufe tatsächlich ein verkappter Renntourenwagen, was auch von den Allgäuern nicht anders zu erwarten war: Dort leiten bereits in der zweiten Generation erfolgreiche Rennfahrer die Firma, die schon 1896 gegründet wurde. Damals eröffnete Johann Abt in Kempten eine Schmiede, die auch Fuhrwerke und die ersten Autos reparierte. Der 1935 geborene Enkelsohn Johann fuhr mehrere Jahre Motocross in der DKW -Werksmannschaft, wechselte 1957 auf vier Räder und stieg bis zum Abarth-Werksfahrer auf.

Nach seiner Rennfahrerkarriere widmete sich Johann Abt verstärkt dem Tuning von Straßenautos. Es begann 1962 mit DKW, später kamen Audi und Volkswagen dazu. Sohn Christian, Jahrgang 1967, schlug die gleiche Rennfahrer-Laufbahn wie sein Vater ein: 1983 Deutscher Motorcross-Meister, dann über die ADAC Formel Junior und die Deutsche Formel 3-Meisterschaft erfolgreicher Tourenwagen-Pilot. Christian Abt gewann unter anderem 1999 im Audi A4 quattro den STW-Cup, Vorläufer der DTM, an der Christian Abt bis 2007 als Audi-Pilot teilnahm. Christian startete stets im eigenen Abt Sportsline-Rennstall, den er zusammen mit Bruder Hans-Jürgen leitete. Im Jahr 2000 brachten die Abt-Brüder Audi in die DTM zurück, als sie im privaten, zunächst stark unterlegenen Audi TT-R gegen Mercedes und Opel antraten. Laurent Aiello sicherte schließlich 2002 den DTM-Titel für die Abt-Truppe.

Auch heute werden die erfolgreichen DTM-Werks-Audi von den Kemptenern vorbereitet und im Rennen eingesetzt. Christian Abt dominiert derzeit im Audi R8 bei den ADAC-GT-Masters und leitet seit 1991 zusammen mit Bruder Hans-Jürgen die Abt Sportsline GmbH mit aktuell 160 Mitarbeitern. Wer diesen Hintergrund kennt, der verbucht die außergewöhnliche Härte des Abt Golf GTI von 1982 durchaus mit einem gewissen Verständnis, ja sogar Stolz: Sie ist tatsächlich das Ergebnis einer jahrzehntelangen Rennerfahrung und erinnert den Fahrer mit jedem Tritt an die knorrigen Motorsportwurzeln der Sportwagen-Schmiede aus Kempten.