Arden-Jaguar XJ 12

Jaguar im Jogginganzug

Der serienmäßige Jaguar XJ 12 galt vor 25 Jahren schon als als exzentrische Sportlimousine. Tuner Arden ging noch weiter, verpasste dem Fünf-Meter-Schiff einen modischen Jogginganzug und nannte ihn Arden-Jaguar XJ 12.

Arden-Jaguar XJ 12, Baujahr 1983 Foto: Dino Eisele 28 Bilder

So nachhaltig wie ein Arden-Jaguar XJ 12 erhöhen Automobile nur selten bereits im Stand und beim ersten Rendezvous den Adrenalin-Spiegel. Als eifriger auto motor und sport-Leser - der große Bruder hatte ein Abo - erinnere ich mich natürlich an die Ausgabe 4/1985. Auf deren Titel prangte ein dunkelbrauner, breitspuriger, tief liegender XJ 12-Bomber mit mattschwarzem Grill und vier kampflustig dreinschauenden Rundscheinwerfern.

Von vorne fotografiert, prägte sich dieses Autogesicht des Arden-Jaguar XJ 12 in mein Gedächtnis ein wie Phil Collins großer UK-Hit "Easy Lover". Und jetzt, exakt 25 Jahre später, steht ein Arden-Jaguar XJ 12 vor mir, ganz in Weiß, ohne einen Blumenstrauß.

White Cat in Angriffspose

So wirkt die Fünf-Meter-Limousine Arden-Jaguar XJ 12 noch eindrücklicher als das dunkelbraune ams-Titelauto: Boxer David Haye im weißen, sommerfrischen Leinenanzug. Anders als beim Serien-Pendant krallt sich die filigran gezeichnete Karosserie des Arden-Jaguar XJ 12 in bester Renntourenwagen-Manier mit vier gerade noch in die Radhäuser passenden Breitreifen in den Asphalt. Die Sportlimousine kauert wie eine in Zeitlupe anschleichende Großkatze auf der Straße. Ihre Höhe liegt bei nur 1,35 Meter - ein aktueller Porsche 911 ist gerade mal zwei Fingerbreit niedriger.

Die Unterkante des mächtigen Arden-Jaguar XJ 12-Frontspoilers mündet schwungvoll und nahtlos in die vorderen Radbögen. Auch die seitlichen Schweller und die Heckschürze passen gut zur Jaguar-Limousine und unterstreichen eindrücklich deren sportliche Ambitionen. Ganz wichtig: bloß kein Chrom am Arden-Jaguar XJ 12. Wenn sich Anfang der achtziger Jahre ein Automobil sportlich und modern zeigen wollte, dann ging das nur ohne den glänzenden Zierleisten-Ballast der Spießer-Autos. Oder fuhr etwa Formel 1-Champion Keke Rosberg in seinem Williams-Ford mit verchromten Frontflügelspitzen durch die Gegend? Also weg damit. Eine mattschwarze Kunststoffummantelung reduziert den mächtigen Kühlergrill, die Fenster- und Schweinwerfereinfassungen sowie die Oberseiten der Stoßfänger des Arden-Jaguar XJ 12 auf ihre puren Funktionen.

310 PS - stärkste viertürige Limousine

Gleichzeitig verleiht das kontrastreiche Mattschwarz dem Raffaello-leichten Weiß der sanft geformten Jaguar-Karosserie etwas Brutales, Bedrohliches. Mit Recht: Wenn der pechschwarze, leicht nach vorn geneigte Kühlergrill des Arden-Jaguar XJ 12 zusammen mit den vier weit aufgerissenen Adleraugen im Rückspiegel auftaucht, zischt die damals stärkste viertürige Limousine über den Erdball: 310 PS und mit Fünfgang-Schaltgetriebe 240 km/h Spitzentempo. Das bot 1983 kein BMW 745i (252 PS), kein Mercedes 500 SE (231 PS), kein Maserati Quattroporte 4.9 (280 PS) und auch kein skurriler Aston Martin Lagonda (304 PS) - der Arden-Jaguar XJ 12 bildete die Leistungsspitze.

Außen Jogginganzug, innen Clubatmosphäre

Knapp über Kniehöhe greifen die Finger meiner rechten Hand unter den Türklappgriff des Arden-Jaguar XJ 12. Sie öffnet den Zugang in eine andere, gediegenere und gemütlichere Welt, und ich steige hinab in den mit Holz getäfeltem Club-Salon von Jaguar-Begründer William Lyons. Dort lasse ich mich etwas mühsam in einem weich gepolsterten Ledersesselchen nieder, dessen Nackenstütze wenigstens meinen Hemdkragen in Form hält. Das knuffige Sportlenkrad des Arden-Jaguar XJ 12 verrät mir, dass ich in einem Automobil sitze, während der chromglänzende, serienmäßige Automatik-Wählhebel mehr einem Instrument für die Zubereitung von Cocktails ähnelt. Ob sich in den beiden verchromten Schälchen daneben etwas Knabbergebäck befindet?

Nach dem Drehen des Zündschlüssels ist Schluss mit der kleinen Happy-Hour-Party - der V12 des Arden-Jaguar XJ 12 meldet sich unüberhörbar zum Dienst. Aus dem schlank geformten Heck dringt ein völlig eigenständiges V12-Brabbeln, akustisch angesiedelt zwischen Chevrolet Corvette und Lamborghini Espada. Der zierliche Automatik-Wählhebel muss mit etwas Nachdruck auf das "D" gezogen werden. Sobald der Fuß von der Bremse geht, setzt sich der Arden-Jaguar XJ 12 fast schon gespenstisch in Bewegung; im Standgas versteht sich, ohne dass die Drehzahlmessernadel nach unten zuckt.

Wehe, wenn der Gasfuß zuckt

Trotz knapp zwei Tonnen Gewicht würde es in der edlen Jaguar-Lounge sofort die Drinks von der Mittelkonsole hauen, so zügig und brutal presst der Arden-Jaguar XJ 12 das Wandler-Öl durch die Turbo-Hydramatic 400 von GM. Mein Kopf kippt wie nach einem Haye-Schwinger nach hinten, und dann geht es zumindest bis 160 km/h zügig voran. Der dabei produzierte Auspuff-Sound des Arden-Jaguar XJ 12 ähnelt mit seinem stoischen Röhren einem Offshore-Rennboot aus den siebziger Jahren. Allerdings zeigt das überarbeitete, mit schnelleren Schaltzeiten gesegnete GM-Getriebe im Arden-Jaguar XJ 12 doch bald seine Grenzen. Da es nur über drei Gänge verfügt, die für Geschwindigkeiten von null bis 235 km/h sehr weit gespreizt sein müssen, fehlt in den oberen Drehzahlen etwas der Biss.

Dafür beißt jetzt die Katze in einer anderen, deutlich artgerechteren Disziplin richtig zu: Der Arden-Jaguar XJ 12 zeigt sich in der Stadt, beim Abbiegen und auf kurvenreichen Straßen fast so wendig wie ein Mini - zumindest im direkten Vergleich zum Serien-Pendant. Der weiße Riese folgt leicht untersteuernd spontan jedem Richtungswechsel und zeigt dabei fast so wenig Seitenneigung wie Keke Rosbergs Williams. Sogar die Tester vom Fachblatt sport auto, die den Arden-Jaguar XJ 12 mit dem Mercedes 500 SEL AMG verglichen, notierten in Ausgabe 1/84: "Der Arden-Jaguar XJ 12 ist viel handlicher als der AMG, das Sportlenkrad vor den spiegelnden Instrumenten mit den mickrigen Zahlen wird nicht als Stilbruch empfunden, die Sitzposition ist mit dem Recaro-Gestühl, das gerade eben so Platz hat, perfekt."

Perfekte Sitzpostion im Arden-Jaguar

Das mit dem spiegelnden Glas der Arden-Jaguar XJ 12-Instrumente stimmt. Deren modische, mattschwarze Umrandungen stammen übrigens nicht vom Tuner, sondern sind Bestandteil der XJ 12-Serienausstattung. Und das mit der perfekten Sitzposition ist ebenfalls richtig. Allerdings vermisse ich bei flotter Kurvenfahrt die hierfür dringend erforderlichen Recaro-Sportsitze. Immerhin verhindern breiter Mitteltunnel und eine ebensolche -konsole des insgesamt knapp geschnittenen Arden-Jaguar XJ 12-Cockpits, dass ich bei flotter Kurvenfahrt von den kleinen Original-Jaguar-Sesselchen rutsche. Passagiere, die im geräumigen Fond auf dem einladenden Ledersofa einer sportlichen Ausfahrt beiwohnen möchten, sollten zum Zweck einer stabilen Sitzposition möglichst zu dritt sein.

Seinen großen Reiz bezieht der Arden-Jaguar XJ 12 aus der Kombination des provokant-sportlichen, heute wieder gern gesehenen Äußeren mit dem gediegenen, hochwertigen, sehr britischen Interieur. Dass der weltweit bekannteste und von 1976 bis zur Gegenwart mit großem Erfolg agierende Jaguar-Tuner seinen Sitz nicht in Großbritannien, sondern zunächst in Kleve und seit 1991 in Krefeld hat, erhöht zusätzlich die Attraktivität eines Arden-Jaguar XJ 12.

Bis zu 455 PS im Arden-Jaguar XJ12

Noch heute leitet Jochen Arden seinen mittelständischen Betrieb mit 15 Mitarbeitern und 22 internationalen Vertriebspartnern. Die von ihm 1982 aufgebauten und erstmals präsentierten XJ 12-Modelle hießen in der offiziellen Arden-Nomenklatur zunächst etwas umständlich Arden AJ 1 XJ V 12 Double Six, wurden jedoch unter der schlichten Bezeichnung Arden-Jaguar XJ 12 zur Legende. Zum Tuning-Programm zählten später auch ein Getrag-Fünfgang-Schaltgetriebe und eine Viergang-Automatik sowie bärenstarke Motoren mit bis zu 455 PS aus 6,5 Liter Hubraum. Am erfolgreichsten erwies sich die Arden-Jaguar XJ 12-Variante Arden AJ 4 von 1986 mit Viergang-Automatik, 17-Zoll-Schmiederäder und 320-PS-V12. Insgesamt entstanden davon 234 Exemplare. Die Preise lagen je nach Ausstattung zwischen 93.000 und 135.000 Mark.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Arden-Geschichte war bereits 1985 das Arden-AJ 2-Vollcabrio auf Basis des Jaguar XJS, dessen Technik das später eingeführte Serien-XJS-Cabrio zum Teil übernommen hat. Im gleichen Jahr erfolgte der Eintrag als Fahrzeughersteller durch das Kraftfahrtbundesamt. Traditionsgemäß führen alle Arden-Jaguar seit 1982 die durchlaufenden Modellbezeichnungen AJ 1 bis AJ 22. So heißt der aktuelle Nachfolger des AJ 1 auf Basis des neuen, extrem mutig gestylten XJ.

Auch klassische Automobile nehmen im ausgefüllten Leben des Hobby-Rennfahrers Arden einen großen Stellenwert ein. Neben einem Jaguar E-Type Roadster begegnen den Besuchern des Firmensitzes in Krefeld noch ein Honda S 800 Coupé und Roadster sowie ein Ferrari F40, den Arden einst als Referenz-Fahrzeug für die Fahrwerks-Entwicklung der getunten Jaguar-Modelle benutzte. Deren Attraktivität hätte, so Arden, derzeit stark zugenommen. "Das sehe ich daran", erklärt der Firmenchef, "dass sich unter den Jaguar-Klassikern, die wir bei uns warten und restaurieren, immer mehr frühe Arden-Fahrzeuge befinden". Und die beste Nachricht kommt zum Schluss: Aufgrund einer optimal gesicherten Teile-Versorgung lässt sich noch heute aus jedem normalen Jaguar XJ 12 ein originaler Arden-Jaguar XJ 12 zaubern.

Es folgt 1985 die Gründung der Arden Automobilbau GmbH, die auch für Jaguar-Serienmodelle umfangreiche Entwicklungsarbeiten leistet. Firmen-Niederlassungen in den USA, Japan, Taiwan und der Schweiz. Der E-Type des Arden Racing Teams gewinnt 1993 mit den Fahrern Emanuele Pirro und Jochen Arden die historische GT-Europameisterschaft. Heute widmet sich Arden auch der Veredelung von Bentley-, Mini- und Range Rover-Modellen. www.arden.de .