Bentley Blower Jnr mit E-Antrieb im Reto-Look
Der Mini-Bentley verlangt Engagement beim Fahren
Der Bentley Blower Jnr ist eine kleine, elektrische Version des Blower von 1929. Beim Fahren haben wir schnell ein dickes Grinsen im Gesicht.
01.05.2025 Andreas Of-Allinger, Jörn Thomas
Stimmt! 129.500 Pfund (aktuell umgerechnet knapp 152.400 Euro) plus Steuern sind eine Menge. Jedoch nichts im Vergleich zu den 25 Millionen Pfund Versicherungswert des originalen Blower. Und für Autofreaks mit ausreichenden finanziellen Ressourcen plus zartem Spleen buchstäblich preiswert. Denn: Der Junior ist etwas Besonderes, transportiert trotz eines komplett anderen Konzepts den Spirit des Seniors. Nix mit klapprigem Spielzeug, denn der Halbtonner fährt wirklich so cool, wie er aussieht.
Blattfedert stramm, bremst kräftig
Und das problemlos, denn der 3,72 Meter kurze und 1,48 Meter schmale Junior ist europaweit homologiert – mit L7e-Zulassung. Wer also schon immer im Stil von "Downtown Abbey meets Elektromobilität" zur Eisdiele oder sonst wohin fahren wollte, hat jetzt seine Chance. Der Junior verlangt richtig Engagement hinterm großen Lenkrad, ohne dabei so biestig zu sein wie das Original, das auf Bodenwellen schon mal fies mit dem Lenkrad ausschlagen kann. Die E-Maschine beschleunigt angemessen, ja sogar flott (manche wünschen trotzdem mehr Punch, aber die gibt es ja immer), die bissigen Bremsen (vorn Scheiben mit Brembo-Zangen, hinten Trommeln) verlangen Gefühl, sonst blockieren trotzig die schmalen Räder. Unebenheiten blattfedert er seinem Fahrer ebenso ungekünstelt in Handflächen und Co. wie der Wind freizügig durch das Cockpit stürmt.
Bei Regen hilft Unterstellen oder ein Cape überwerfen – ein Verdeck gibt es nicht. Eben genau so, wie es sein soll. Abenteuerlich. Schon nach ein paar Metern zementiert sich das Grinsen im Gesicht. Oder ein ernster Blick Marke "Sir Birkin Light", wenn man mit festem Griff am Lenkrad Kurven erobert, über Anhöhen summt oder sich bergab mal schwungvoll rollen lässt. Du grüßt die Menschen, sie grüßen Dich, während du die Gegend durchmisst, der Nadel der Akkuanzeige im Stil des originalen Amperemeters beim langsamen Fallen zusiehst. Etwas aufpassen muss man dennoch, denn das Akku-Laden per Stecker Typ 1 oder 2 unter der Kompressor-Attrappe dauert vier bis fünf Stunden.
Kultig, analog
Egal, bis dahin registriert man die kultigen Schalter im Cockpit und dass sie die originale Analoguhr exakt auf dem kleinen Bildschirm an der Seite des gebürsteten-Aluminium-Armaturenbretts replizieren. Nur dass man sich beim Junior nicht wie beim Original um die Verstellung des Zündzeitpunktes per Hebel am Lenkrad (früh unter Last, sonst spät) oder die ausreichende Schmierung der Kompressorlager kümmern und dabei die zwei dazu nötigen Schaugläser im Cockpit im Auge behalten muss. Nicht so einfach im Auge behalten kann man einen möglichen Beifahrer, denn der sitzt hinter einem.
Jetzt müssen sie jedem Junior nur noch ein so perfektes Habitat wie die Insel Jersey mitgeben, wo unsere Fahrt stattfand. 105.000 Einwohner, 550 Kilometer schmale Straßen mit wenig Verkehr und ohne Stress bei Atlantikklima. Dort kurvt selbst ein originaler Blower entspannt übers Eiland. Und beweist uns bei einer ausgiebigen Tour, wie nahe der elektrische 85-Prozent-Ableger emotional dem brachialen Kompressor-Original kommt. Nur eben ohne das Vierzylinder-Getöse, sondern smart und sauber.
Ein L7e-Auto wie Microlino oder Twizy
Dass Bentley einen Kleinwagen baut, hat der Edelhersteller im September 2024 bekannt gegeben. Der Blower Jnr ist als offenes Elektroauto ist eine 100-prozentige Interpretation des Blower-Bentley von 1929 – allerdings auf 85 Prozent der Originalgröße geschrumpft. In der EU ist der Elektro-Zwerg als L7e-Kleinfahrzeug zugelassen – ähnlich wie ein Microlino oder Renault Twizy also.
Im Vergleich zu Microlino oder Twizy wirken die Maße des Elektro-Bentley stattlich: Er ist mit 3,69 Meter fast genauso lang wie ein Dacia Spring – aber zehn Zentimeter schmaler und 25 Zentimeter niedriger. Der Fahrer sitzt deshalb allein vorn und im Freien. Dahinter ist Platz für einen Beifahrer oder Gepäck. Ein 15-kW-Elektromotor (24 PS) treibt den Zwerg-Bentley auf maximal 72 km/h. Die Reichweite ist mit 104 Kilometern angegeben. Der Fahrer kann aus drei Fahrprogrammen wählen: Comfort, Bentley und Sport.
Auf 349 Exemplare limitiert
Der Rahmen besteht aus Stahl, der hintere Teil der Karosserie aus Carbon. Lederriemen halten die Alumnium-Motorhaube. Sämtliche Details übernahm Hedley Studios vom originalen Team Car aus dem Jahr 1929. Einige Teile wie das Kompressorgehäuse vor dem Kühler, bekamen eine neue Funktion: Dort sitzt nun der Onboard-Lader mit Anschluss für Typ-1- und Typ-2-Stecker. Den Ladestand des Akkus zeigt ein Instrument im Stil des originalen Amperemeters an. Insgesamt produziert Hedley 349 Exemplare in sechs Farben, davon 99 in einer 'First Edition'.