Fahrbericht Benz Patent Motorwagen

Probefahrt mit dem ersten Auto der Welt

Er hat kein Dach, kein Lenkrad, nur drei Räder und nur einen winzigen Motor – und doch fährt er: Der Benz Patent Motorwagen von 1886 ist als das erste Auto der Welt bekannt. Wie fährt sich so etwas? Wir unternahmen eine Reise in die Frühzeit des Automobils.

Benz Patent Motorwagen Replika 2002 Foto: M. Buls 16 Bilder

Stellen Sie sich vor, Sie haben eben ihre neue Kutsche abgeholt und im nächsten Moment überholt sie ein knatternder Wagen. Ohne Pferde, dafür mit einer irren Geschwindigkeit. Also etwa 12 km/h – schneller als ein Jogger fährt ein Benz Patent Motorwagen nicht. Das erste Auto der Welt verschiebt die Dimension des Autofahrens hin zur Freude an der Fortbewegung an sich.

Der Spaß an der Langsamkeit

Kluge Menschen meinen ja, dass etwa ein MG B so viel Spaß mache, weil der Erlebniswert auch bei niedrigen Geschwindigkeiten hoch liege. Stimmt. Und dennoch waren diese heute niedrigen Geschwindigkeiten vor 130 Jahren unerreichbar. Als das Auto gerade laufen lernte, schickte der ein oder andere Bauer die Hunde los, wenn so ein Wagen blitzeschnelle um die Ecke fuhr. Von solchen Angriffen berichtet Bertha Benz zwar nicht – eher von zunächst skeptischen, dann aber hilfsbereiten Dorfbewohnern, als es galt, den 350 Kilogramm schweren Patent Motorwagen ihres Mannes einen Berg hinaufzuschieben.

Bertha Benz: Die erste Fernfahrerin der Welt

Bertha Benz Patent Motorwagen 1888 Foto: Daimler AG
Bertha Benz und ihre Söhne Eugen und Richard fuhren 1888 ohne Wissen des Vaters von Mannheim nach Pforzheim.

Bertha machte sich in aller Frühe auf den Weg. Angestiftet von ihren halbwüchsigen Söhnen, die sich vorher mit Papas Patentwagen vertraut gemacht hatten. Das Ziel: Die Tante im 90 Kilometer entfernten Pforzheim besuchen. Die Geschichte gehört zum Gründungsmythos des Automobils, Bertha Benz war die erste Frau am Steuer und die erste Autoreisende. Wo heute das Navi auf ein dahingenuscheltes „Pforzheim“ hin eilig eine Route berechnete, Staus berücksichtigte und uns anschließend mit knappen Aufforderungen zum Ziel lotste, irrten die Benzens vor 130 Jahren erst Richtung Nordosten, bevor sie den Weg Richtung Süden fanden. Mehrmals hielten sie an Apotheken, Ligroin kaufen, und an Brunnen, Wasser nachzufüllen. Wasserpumpe und geschlossener Kühlkreislauf waren noch nicht erfunden, der Einzylinder kühlt mit einem einfachen Prinzip: Wird der Einzylinder warm, verdampft das Kühlwasser. Von Zeit zu Zeit muss dann das Gemisch nachgestellt werden, damit der Motor nicht stottert.

Kräftiges Drehen startet den Einzylinder

Einen Anlasser gab es auch noch nicht. Der Motor startet durch kräftiges Drehen der liegenden Schwungscheibe. Das klingt, als würde jemand sehr schwer schnaufen. Gelingt der Kraftakt, knattert der Einzylinder gleichmäßig vor sich hin. Da Benz‘ Leistung war, ehemals schwere und große Motoren erheblich kleiner, leichter und schneller zu machen, dreht die offen liegende Kurbelwelle nun mit 500 U/min vor sich hin. Was heute ein recht niedriger Leerlauf eines Vielzylinders wäre, genügte damals für 0,6 PS aus einem knappen Liter Hubraum. Die rotierenden Zapfen der Kurbelwelle machen die Drehzahl sichtbar und schon leichte Steigungen werden hörbar: Mit steigendem Fahrtwiderstand stampft der Kolben langsamer auf und ab. Das lässt sich schon an leichten Hügeln beobachten, die heute kein E-Biker mehr bemerken würde.

Erster Fahreindruck: etwas kippelig, das Dreirad

Mit dem Auto steckte offensichtlich auch die Fahrdynamik in den Kinderschuhen: Dass zwei Räder hinten und ein Rad vorne leicht zu lenken sind, war vermutlich damals schon bekannt. Dass dies die instabilste Möglichkeit darstellt, ein Auto auf die schmalen Speichenräder zu stellen, fanden später Fahrer eines Reliant Robin heraus, indem sie das Auto einfach umstürzten. Nun ist ein Benz Patent Motorwagen zwar nicht so stark motorisiert wie ein Reliant Robin, aber erheblich höher gebaut. Der erste Fahreindruck ist, höflich gesagt, kippelig. Die ersten Kurven rechnet man ständig mit dem Lupfen eines Rades, zieht lieber einmal zu oft den eisernen Hebel mit der Linken. Die Verzögerung ist gut, aber nicht so kräftig, dass man vom Polster rutscht. Vorn ist das Gas, die Beschleunigung beeindruckt heute niemanden mehr. Trotzdem braucht es ein paar Minuten Fahren und Vertrauen fassen, bis der linke Arm vollstreckt. Vollgas fühlt sich ein bisschen an wie damals, als man auf dem Fahrrad saß und Papa die Hand vom Rücken nahm: Eine Mischung aus Freiheit, Geschwindigkeitsrausch und Respekt vor dem, was da kommen mag.

Ein Benz Patent Motorwagen kostet 151.000 Euro

Das Mercedes-Museum verkauft zwei der 2001 und 2002 gebauten Repliken über All Time Stars, die im Mercedes Museum hochwertige Klassiker im Zustand eines jungen Gebrauchten in der Preisspanne zwischen 20.000 und zwei Millionen Euro verkaufen. Ein Benz Patent-Motorwagen kostet 151.000 Euro inklusive Einweisung, Plakette mit Seriennummer und einer Holzkiste, in der Bedienungsanleitung und ein Faksimile der Benz-Patentschrift liegen. Eine Straßenzulassung gibt es nicht.