BMW 323i E21 im Test
Der Inbegriff echter BMW-DNA
Zum 50. Jubiläum des BMW 323i testen wir den Klassiker mit Reihensechszylinder, Fahrkultur und zeitlosem Design. Ein Meilenstein der BMW-Geschichte.
12.07.2025 Sebastian Renz
Dafür, dass er, bedenkt man es genau, schon die ganze Nacht über unterwegs ist, graut der neue Morgen mit sehr sonnigem Gemüt über den Hügeln des Kraichgaus. Gewiss wird er sich zu einem Festtag erheben. Ja, das ahnen wir schon, als der Morgen sich noch einige Stunden östlich herumdrückt.
Da machen wir uns auf zu diesem Wagen, den BMW nach vier Jahren Bauzeit noch als ein "vorweggenommenes Stück Zukunft" bejubelte. Heute stellt ein 323i so viel mehr dar als ein nachgeholtes Stück Vergangenheit, indem wir ihn als "Alten im Test" feiern. Uns auch ein bisschen, denn das hier ist unser 50. Alter im Test. Zehn Jahre ist es her, da stehen wir in Lahr, der Seufert, der Rupp, der Renz, und können kaum fassen, dass Mercedes uns einen 300 SL Flügeltürer vorbeibringt, vom Laster lädt und sagt: "So, etzet, machet halt amol" (was sich mit "Nun, die Herren, dann messen Sie mal schön!" nur unvollkommen übersetzen lässt).
Nun könnten wir behaupten, wir hätten eh von Beginn an gewusst, dass alles bestens wird. Aber dazu, Freunde, kennen wir uns doch zu gut. Stattdessen stehen wir, der Seufert, der Rupp, der Renz, wieder zusammen, nun in Hockenheim, und können zwei Sachen kaum fassen. Erstens: dass wir seit zehn Jahren das Vergnügen haben, gemeinsam die Alten zu testen. Zweitens: dass uns BMW diesen famosen 323i schickt.
Aus Freude am Wahren
Welch prächtiger Wagen zu diesem seinem eigenen wie jedem anderen Anlass. Ja, säßen wir alle, frühere wie aktuelle auto-motor-und-sportler, zusammen um den großen Konferenztisch und müssten uns auf ein Auto einigen, welches die Idee der auto-motor-und-sportlichkeit am innigsten repräsentiert, es wäre: der Porsche 911. Nein, kleiner Scherz, es wäre der BMW Dreier – unabhängig von der Generation, abhängig vom Motor: Ein Reihensechser muss sein.
Den bekommt der E21 nach zwei Jahren Bauzeit im Herbst 1977 – erst den Zweiliter mit Solex-4A1-Doppel- Registervergaser, kurz darauf den 2,3-Liter mit Bosch-K-Jetronic-Saugrohreinspritzung. Ist der 320 damit der erste Sechszylinder-Dreier? Ach, wie nett, dass Sie fragen, so können wir schlaubergern: Nein, das ist 1932 der 303, für den Rudolf Schleicher und Karl Rech den von einem Motorradtriebwerk abgeleiteten 1200er-Reihensechser mit 30 PS entwickelt haben.

Der 2,3-Liter-Reihensechszylinder mit Bosch-K-Jetronic: mehr als nur ein Motor – Ausdruck bayerischer Fahrkultur seit 1977.
Doch zurück in die 70er, in denen BMW schon in der Dreier-Reihe der Sinn nach mehr Prestige und Zylindern steht. Da die vorhandenen Reihenmotoren mit 100 mm Zylinderabstand nicht unter die kurze Haube passen, startet Alexander von Falkenhausen die Entwicklung der M20-Motoren, die von Karlheinz Lange vollendet wird. Wobei Lange später sagen wird, er hätte damit anders angefangen, von Falkenhausen womöglich, er hätte sie anders vollendet. Die Rivalität der Herren dürfte allerdings der Qualität wie dem Erfolg der bis 1992 rund 1,7 Millionen Mal gebauten Motoren zuträglich gewesen sein. Nach der Philosophie der Bayerischen Motoren Werke sind Reihensechser viel mehr als Wärmekraftmaschinen, nämlich Ausdruck erhabener Fahrkultur. Nein, kleiner haben sie es nicht. Aber: warum auch?
Verlock ’n’ Roll
Denn schon jetzt, da er sich in der Boxengasse im Leerlauf warm läuft, schwingen im 323i keine freien Kräfte und Momente erster und zweiter Ordnung mit, sondern Verlockungen, Verheißungen, Versprechen: samtiges Grollen, gelassene Hochtourigkeit und disziplinierter Leistungsüberschwang. Denn bei 1.116 kg sind 143 PS nun eben: noch 143 PS. Genügend, um für rasanten Tumult zu sorgen, aber doch so auserwählt an der Zahl, dass jedes einzelne zählt.
Messgeräte eingebaut, raus auf die Strecke, erst um herauszumessen, dass der Tacho zwar mehr als die korrekte Geschwindigkeit anzeigt, aber gewiss nie weniger als die empfundene Geschwindheit des Tempos – welches das Klang-Ambiente durch die kurze Übersetzung des Vierganggetriebes drehzahlintensiv zu unterstützen versteht.

Tacho mit Charakter: zeigt mehr als korrekt und nie weniger als gefühlt.
Alsdann in den hinteren Winkel der Spitzkehre gestellt. Die Motorhaube – sacht bebend unter kurzen Gasstößen, mit denen Otto das Auto wie sich in Wallung versetzt – zeigt der Rennrichtung entgegen. Otto kneift die Augen zu, fragt: "Bereit?" "Otto, ich bin immer bereihahahei..." Ja, da hat die Kupplung schon geschnappt, die Hinterräder raspeln einen Wimpernschlag, dann drängt der 323i voran, als wolle er die eigene Vergangenheit einholen. Was ihm gelingt: acht für null auf hundert – direkt 0,9 s schneller als beim Test bei uns im Spätherbst 1977. Diese ganze schöne, schnellere Schnelligkeit bremsen die vier Scheibenbremsen recht energisch wieder ein.
Kurvenkunst: Der 323i zeigt, was er kann
Auf zum Slalom, zählt doch Handling zur Fahrhochkultur eines kompakten BMW. Dafür entwickelten die Ingenieure eine Hinterachse mit Schräglenkern, steiferem Stabi und straffem Set-up. Federn und Dämpfer strafften sie auch an der Vorderachse. Deren Nachlaufversatz durch versetzt angeordnete Federbeine soll Lenkkräfte senken, die Seitenführung steigern. (Oh, bieten sich solche Details nicht an, um beim Geburtstag des granteligen Schwiegervaters für Aufruhr zu sorgen und ihn Folgendes zu fragen? "Du, Raimund, mir wäre es ja egal, aber die Nachbarn tuscheln, du hättest dich noch in den 1970ern vehement gegen den Nachlaufversatz ausgesprochen. Ist das denn wahr?")
Anlauf zum Slalom, den Schwung nutzen – den des Tempos wie jenen des Hecks, das in ein Übersteuern scharwenzelt, kess genug, um das Handling zu beschwingen, derweil die Vorderräder sich in die von der haltekraftgroben, aber feinpräzisen Lenkung geführte Linie grippen. Dazu die Leichtigkeit, die Übersicht, die tatsächliche und nicht nur daher-erzählte Kompaktheit des Dreier.

Der 323i zeigt im Slalom, wie viel Fahrfreude in 1.116 Kilogramm und Schräglenkern stecken kann.
Sie setzten Maßstäbe, für die sechs nächsten Dreier-Generationen wie für all die Brillanz, die einen BMW ausmacht. Zu der zählen – und damit sind wir beim Vermaßen des Innenraums – auch perfekte Ergonomie und bestorganisierte Bedienung ohne Weitschweifigkeit. Solche ist auch nie vom Platzangebot zu erwarten, doch es reicht zu jeder Zeit.
Zeit? Wird es für uns, denn nun geht es auf Verbrauchsfahrt, die zu einem hohen Ergebnis führen mag. Viel höher noch ist aber das Vergnügen, mit dem 323i unterwegs zu sein, der sich über 50 Jahre modern hielt. Der Frühlingswind tost durch die Seitenscheiben, trägt in sich die Kühle der nahenden Nacht. Sie ist, bedenkt man es genau, den ganzen Tag schon unterwegs, zieht dunkelnd über den Himmel, als wir den 323i abstellen. Sein heißer Motor tickt beim Abkühlen wie ein Countdown die letzten Sekunden dieses 50. herab.
Es war uns ein Test.