"/>

Chevrolet Caprice (1991-1996) Preise, Schwächen

Stabiler Ami mit viel Platz und Power

Der 1991 vorgestellte Chevrolet Caprice war die letzte Fullsize-Limousine mit Heckantrieb der US-Marke. Ihre rundliche Karosserie wurde oft als "Walfisch" geschmäht. Doch die Polizei-Version mit 5,7-Liter-V8 besaß die Qualitäten eines Hais.

Chevrolet Caprice Police Cars Foto: Dino Eisele 11 Bilder

Eine Schönheit war die letzte große Chevrolet-Limousine eigentlich nie. Die aerodynamisch optimierte Form des mit extrem flach stehender Front- und Heckscheibe, die nach unten eingezogenen Wagenflanken und die rundlich gestaltete Karosserie machten den 1991 vorgestellten Caprice zu einem plump und harmlos wirkenden Rentner-Auto. Dennoch besitzt Sönke Priebe gleich acht davon und steht auch dazu, obwohl seine Freunde nur von der "Seife" reden, wenn er mit einem seiner 5,44-Meter-Schiffe aufkreuzt.

Der Chevy Caprice bremst wie ein Porsche

Es sind ausschließlich Polizei-Caprice mit dem Optioncode 9C1. In zwei von seinen Polizei-Caprice wollen wir eine kleine Nacht-Tour im Stuttgarter Industriehafen unternehmen und ausprobieren, was der letzte große Ami-Straßenkreuzer mit V8-Motor, Heckantrieb und Kastenrahmen als Bullenauto so drauf hat. Wir beginnen die Probefahrten im schwarzen Chevrolet Caprice Classic von 1995 mit der 260 PS starken Corvette-Maschine.

Als ich die Fahrertür des Chevrolet Caprice öffne, staune ich über die starke Krümmung des gewichtigen Blechteils. Unten hängt der halbe Schweller dran, was mich an den Saab 900 erinnert. Der Leiterrahmen sorgt dennoch für Stabilität und für einen völlig ebenen Einstieg. Vorteil für die Policemen: Sie starten bei Bedarf wie Pershing-Raketen aus ihren Frontsitzen – wenn nur nicht diese aalglatten Gummibodenmatten wären, auf denen die Schuhe keinen Grip finden und wie bei einem Burnout durchdrehen.

Mit dem typischen "Tschrrrritt" aller GM-Anlasser starte ich den V8, ziehe den Automatikwählhebel am Lenkrad nach unten auf D, gebe etwas Gas – los geht's. Mal wieder überrascht mich – wie bei fast jedem großen Ami mit V8-Maschine – die unerträgliche Leichtigkeit des Seins: Ich kippe die rechte Fußspitze etwas nach vorn, und schon bewegen sich die knapp zwei Tonnen Blech und Plastik des Chevrolet Caprice so mühelos wie ein frei schwebender, sanft angeblasener Luftballon.

Entsprechend liegen US-Limousinen normalerweise auch auf und gelegentlich neben der Straße. Dieser Chevrolet Caprice nicht. Er bremst fast so bissig wie ein Porsche und schaukelt nach dem Stillstand nicht sekundenlang nach. Auch Kurven nimmt er flott, neutral und spurtreu, ganz ohne hektisches Nicken oder betuliches Schwanken. In zügig gefahrenen Biegungen rutsche ich fast vom üppig gepolsterten Fahrersitz in eine Ecke des gigantischen Innenraums. Vielleicht ist deshalb hier alles mit rundem, glatten Plastik verkleidet, damit sich die Cops auf Verbrecherjagd während des gleichzeitigen Hantierens mit Lenkrad, Sprechfunkgerät und Double Whopper nicht ernsthaft verletzen.

Ausgereiftes Sportfahrwerk und optimierter Motor

Chevrolet Caprice Police Cars Foto: Dino Eisele

Sönke und ich freuen uns, dass sein riesiger Polizei-Caprice fast schon wie ein 5er-BMW von damals bremst und um die Ecke biegt. "Der Wagen besitzt das legendäre 7B3 Special Police Pursuit-Fahrwerk mit anderen Federn, Dämpfern, Stabilisatoren, Längselnkern, Buchsen und mehr", erklärt Sönke. Man konnte sogar Bilstein-Stoßdämpfer unter der Option 8X3 ordern. Fette 225/70- oder 235/70 R15-Reifen auf strapazierfähigen Stahlfelgen halten den Kontakt mit dem Asphalt. Die optimierten Bremsen – hinten ebenfalls mit Scheiben – besitzen an der Vorderachse spezielle Windleitbleche zur Kühlung.

Noch mehr kühlenden Aufwand betrieb Chevrolet für Motor und Getriebe: Neben dem vergrößerten "Exta Capacity"- Wasserkühler mit stärkeren E-Lüftern gibt es Zusatzkühler für Motor- und Getriebeöl. Außerdem verschönern minzgrüne Kühlerschlauche aus speziellem hitzeresistenten Silikongummi den Motorraum des Polizei-Caprice.

Der LT1-V8 erhielt gegenüber der Serienversion keine Leistungssteigerung, während das modifizierte Automatikgetriebe blitzschnell auf Gasbefehle reagiert. Zusammen mit einer kürzer untersetzten Hinterachse – 3.08 anstatt 2.56 – war auf dem Highway wirklich die Hölle los, wenn ein Polizei-Caprice auf Verfolgungsjagd ging. Die Test-Crew der Zeitschrift "Car & Driver" ermittelte für die Beschleunigung von null auf knapp 100 km/h 6,5 Sekunden, der Topspeed lag bei 230 km/h. Dank seiner verstärkten Kühlung konnte der Polizei-Caprice dieses Tempo auch lange durchhalten und so seine automobilen Opfer zu Tode hetzen.

In den Kühlerschläuchen fließt Adrenalin

Chevrolet Caprice, Motor Foto: Dino Eisele

Der LT1-Polizei-Caprice machte sogar die reinen "Pursuit Vehicles" für Verfolgungsjagden, die Ford Mustang und Chevrolet Camaro, überflüssig. Das konnte jetzt ein simples "Patrol Car" genau so gut. Auch heute Nacht erleben wir den irren Caprice-Mix in Sönkes Polizei-Auto mit der Intensität eines Tarantino-Streifens: Man sitzt in einem Menschen verachtenden, lieferwagenähnlichen Plastikambiente am Steuer einer riesigen Sport-Limousine, die ständig zeigen will, was in ihren giftgrünen Kühlschlauchen pulsiert: kein Wasser, sondern pures Adrenalin.

Der Wechsel vom gemütlichen Patrol in den Pursuit-Modus funktioniert in drei Schritten: gerade sitzen, beide Hände ans Lenkrad und den rechten Fuß flach halten. Ab geht's. Nur die serienmäßige, indirekte Komfortlenkung trübt etwas den Genuss und erfordert in engen Kurven operettenhaftes Gegenlenken, wenn das breite Chevy-Heck mit qualmenden Reifen zu tanzen beginnt. Sönkes zweiter mitgebrachter Polizei-Caprice mit 9C1-Package besitzt den gleichen V8-Motor mit nur 4,3 Liter Hubraum und 200 PS.

Der Wagen wurde von 1994 bis 2003 in Las Vegas als getarntes Überwachungsfahrzeug für Hausarrestgefangene eingesetzt. Dafür erhielt er eine zivile Tarnzulassung und ein wohnliches Interieur mit Teppichboden und stoffbezogener Fond-Rückbank. Dort saßen zuletzt Strafgefangene, die zu einem Gerichtstermin oder zum Zahnarzt überführt wurden. Trotz der am Überollbügel befestigten Trennwand bleibt in dem geräumigen Viertürer noch genügend Platz für die Beine der Gesetzesbrecher.

Auch der kleine Motor macht ordentlich Dampf

Chevrolet Caprice Foto: Dino Eisele

Der 4,3-Liter-Caprice fährt sich fast gleich wie sein 5,7-Liter-Bruder, braucht aber mehr Drehzahl, um etwas Qualm zu erzeugen. Ich cruise daher jetzt im unauffälligen Patrol-Modus und frage Sönke, wie man dazu kommt, sich gleich acht Chevrolet Caprice Police Cars anzuschaffen. Und warum man überhaupt Police Car-Enthusiast wird, wenn man auf hohem Niveau Dodge Challenger, Chevrolet Camaro und Pontiac Firebrid restauriert?

Für Sönke Priebe geht es hier wahrlich nicht um Law and Order-Attitüden – "alles, bloß keinen Sheriff-Stern am Auto" – sondern mehr um das historische Phänomen und den Mythos der US-amerikanischen Polizei-Autos. Hinzu kommt die simple, aber effektive Technik des Caprice aus der B-Body- Reihe, die in den USA noch heute Kultstatus genießt.

"Als am 13. Dezember 1996 der letzte offizielle B-Body in Arlington vom Band lief, ging die Ära der großen, klassischen US-Polizei-Autos zu Ende", erzählt Sönke. Sein Nachfolger Impala mit Frontanrieb, selbsttragender Karosserie und V6-Motor wurde nie akzeptiert. "Es fanden sogar Hamsterkäufe statt. Viele neu gekaufte Caprice wurden erst nach der Jahrtausendwende in Dienst gestellt", berichtet der Police-Car-Enthusiast.

In Fan-Kreisen gilt der Chevrolet Caprice mit LT1-V8 und der 9C1-Option als bestes Polizei-Auto aller Zeiten. Gut, wenn man einige davon in seiner Garage stehen hat: They never come back.

Karosserie-Check

Die Karosserie der Standardversion ist verzinkt, die Autos haben kaum Rostprobleme. Bei den Polizei-Autos ab 1995 wurde aus Kostengründen jedoch teilweise darauf verzichtet. Der stabil dimensionierte Rahmen rostet kaum jemals durch, ein kritischer Blick schadet dennoch nicht. Oberhalb der C-Säule reißt die überlackierte Dichtmasse auf der Schweißnaht zum Dach. Dann läuft Regenwasser in den Kofferraum, und die Endspitzen rosten. Unterhalb der B-Säule treffen Schweller, Innenschweller, Boden und B-Säule aufeinander - ein seltenes, aber ernstes Rostnest. Das Interieur ist von schlechter Qualität. Die Plastikteile sind oft zerbrochen. Es gibt keinen neuen Ersatz für Interieur- und Anbauteile. Mit der Zeit werden die Kunststoff-Streuscheiben der Scheinwerfer blind, was deren ohnehin nicht sehr hohe Leuchtkraft weiter reduziert.

Technik-Check

Die beste Motorisierung ist der ab 1994 angebotene LT1- und L99-V8 mit 5,7 beziehungsweise 4,3 Liter Hubraum. Polizei-Autos waren nur auf Wunsch mit dem LT1-V8 ausgestattet. Der VIN-Code muss an achter Stelle ein P (LT1) anstatt des W (L99) vorweisen. Das Kühlsystem mit seinen Plastikkomponenten ist sehr anfällig, besonders das T-Stück zwischen Heizung und Druck-Reservoir. Wenn es dort tropft, kann das T-Stück schon bei Berührung platzen.

Kritisch ist auch das orange Kühlmittel Dexcool (nur 1996), das sich unter Vermischung mit einem Standard-Kühlmittel zu Schlamm verwandelt. Polizeiautos und Taxis haben mintfarbene Kühlerschläuche, die praktisch ewig halten. Das Ölvolumen der V8-Motoren ist relativ gering, ein Wechselintervall von 5.000 Kilometern erhöht die Lebensdauer des Motors. Das Getriebeöl sollte alle 80.000 Kilometer gewechselt werden – noch besser ist eine Getriebespülung.

Preise

Für eine Limousine in gepflegtem Zustand sind laut Classic Analytics 9.700 Euro einzuplanen. Kombis sind seltener und kosten etwa ein Drittel mehr: 12.100 Euro - jeweils für ein Modell der zweiten Serie mit 4,3-Liter-V8. Am teuersten ist ein Kombi der zweiten Serie mit dem leistungsfähigen 5,7-Liter-V8: Hierfür liegen die Notierungen bei 16.700 Euro. Wer einen Caprice aus den USA importiert, sollte mit etwa 2.000 Euro für EU-konformen Umbau und die Zulassung rechnen. Autos aus sonnigen Staaten wie Kalifornien, Nevada oder Arizona sind empfehlenswert, solche aus schneereichen Staaten wie Vermont eher nicht.

Ersatzteile

Mit Ausnahme der zerbrechlichen Kunststoff-Innenverkleidungen und Elektronikteile für die Digitalinstrumente ist die Versorgung mit Ersatzteilen aus dem GM-Baukasten und durch renommierte Zulieferer kein Problem. Allerdings gibt es große Unterschiede bei Preis und Qualität. Ganz anders die Reifen: Die LT1-Caprice benötigen V-Reifen, die es im Serienformat 225/70 R15V derzeit nicht gibt. Lieferbar sind jedoch bezahlbare Reifen mit V-Kennung (bis 210 km/h), und enorm teure Oldtimerreifen mit höheren Geschwindigkeitsindizes.

Schwachpunkte

  1. Rost im Kofferraum
  2. Rost in den Endspitzen
  3. Rost an der B-Säule
  4. Ausgeschlagene Umlenkhebel
  5. Starker Bremsenverschleiß
  6. Anfälliges Kühlsystem
  7. Digital-Instrumente
  8. Kaputte Innenverkleidungen
  9. Geringe Motorölmenge
  10. Wartungsstau (Vorderachse)
Chevrolet Caprice

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage

Fazit

Es gibt kaum eine amerikanischere Limousine als den Chevrolet Caprice, der oft im harten Taxi-Dienst schuftete oder als Polizeiauto Dienst schob. Autos, die das überleben, dürfen als robust gelten. Gleichzeitig bietet der Caprice viel Platz, lässige Power aus einem V8-Motor und die inzwischen coole Optik einer der letzten US-Fullsize-Limousinen mit Rahmen und Hinterradantrieb. Mein Tipp: ein Kombi der ersten Serie mit dem coolen, breiten Cockpit und dem ausgereiften, millionenfach gebauten V8-Motor. Oder eine Limousine der Polizei im zivilen Look.