Corvette ZR1 (C4) Stärken und Schwächen

Supersport zum Kompaktpreis

Die Anschaffung einer Corvette ZR-1 aus den frühen 90ern zum Preis eines modernen Kompaktautos ist verlockend. Leistung und Luxus bietet der schlanke Super-Sportwagen im Überfluss, machen es aber auch anfällig für Schwachstellen.

Chevrolet Corvette ZR-1, Frontansicht Foto: Hardy Mutschler 21 Bilder

Auch aus heutiger Sicht wirkt diese schwarze, fast 30 Jahre alte Corvette ZR-1 noch immer richtig modern und adrett. Nur die Klappscheinwerfer und die im modischen Turbolook gezeichneten Felgen verraten das wahre Alter.

US-Supersportler ohne Protz

Chevrolet Corvette ZR-1, Frontansicht Foto: Hardy Mutschler
Auf den ersten Blick unterscheidet sich die ZR-1 kaum von einer Standard-Corvette.

Außerdem protzt der schwarze Leichtathlet (die Corvette ZR-1 wiegt akzeptable 1.575 Kilogramm) überhaupt nicht mit seinen V8-Muskeln und sieht trotz extrem breiter 315er-Walzen auf der Hinterachse nicht besonders aggressiv aus. Da ist sogar noch ziemlich viel Luft zwischen Gummi und Kunststoffhaut. Die Corvette ZR-1, das 1990 neu eingeführte Spitzenmodell mit dem LT5 genannten DOHC-Vierventil-V8, kommt erstaunlich zurückhaltend daher. Hinweise auf den im Vergleich zur normalen 245-PS-Corvette fast doppelt so teuren Supersportler mit vier Nockenwellen und 32 Ventilen fehlen an der Karosserie fast ganz. Nur rechts am Wagenheck prangt neben dem roten Chevy-Marken-Emblem ein schwarzes ZR-1-Zeichen. Bewusst vermieden die Corvette-Entwickler einen prolligen Auftritt mit Spoilern, Schwellern und verbreiterten Radhäusern.

Um die neu entwickelten Goodyear-Reifen mit 35er-Querschnitt auf den elf Zoll breiten Alu-Felgen dennoch im Wagenheck zu verstauen, erhielt die Corvette ZR-1 ab Motorhaube einschließlich der Türen eine neue, um acht Zentimeter breitere Karosserie. Die vier Heckleuchten waren jetzt mehr quadratisch als rund geformt und die Abrisskante weniger stark ausgeprägt als beim bisherigen Serienmodell. Dennoch lief der neue Supersportwagen aus den USA problemlos seine 290 km/h und blieb auf Testfahrten perfekt in der Spur.

Die Corvette ZR-1 lässt Ferrari Testarossa und Porsche 928 GT stehen

Chevrolet Corvette ZR-1, Heckansicht Foto: Hardy Mutschler
Um die 17-Zoll-Räder unterzubringen, beklam die ZR-1 eine acht Zentimeter breitere Karosserie.

Motor-Journalisten stimmten auch in anderen Disziplinen wahre Jubelgesänge auf die Corvette ZR-1 an. Beim großen Sportwagen-Vergleich in der auto motor und sport-Ausgabe 23/1989 schlug die ZR-1 in den Fahrdisziplinen Beschleunigung, Slalom, Wedeln und Bremsen so illustre Gegner wie Ferrari Testarossa und Porsche 928 GT um Längen. Man war begeistert und attestierte dem kräftigen US-Sportler „ausgezeichnete Fahreigenschaften und hervorragende Bremsen“, aber auch eine unzulängliche „Karosserieperfektion“ – vor allem im Innenraum.

Doch gerade hier geht in der Corvette ZR-1 so richtig die Post ab, fallen uns vor lauter Knöpfen und Schaltern mit gelber Beschriftung fast schon die Augen aus. Was den Designern draußen an kreativem Wahnsinn offenbar verwehrt wurde, realisierten sie mit einem sensationellen Cockpit, das sich zwischen Le Mans-Prototyp und Kampfjet nicht so richtig entscheiden kann. Und das Beste daran: Die konsequent bis in die Fahrertür reichende, kreisförmige Anordnung aller Anzeigen und Bedienelemente erhielten nicht nur die Topversion ZR-1, sondern ab 1990 alle Versionen der C4-Baureihe. Besonders hübsch sind vier winzige, schräg übereinander gesetzte Zeigerchen für Öldruck, Öltemperatur, Wassertemperatur und Batterie, kaum größer als Kompassnadeln, die sich hoffentlich nie unter nervösen Zuckungen nach Norden ausrichten wollen. Das Tempo wird in der Corvette ZR-1 wie bisher digital angezeigt, während der Drehzahlmesser als großer Viertelkreis auftritt.

Zündschlüssel mit „Tochter-Modus“

Chevrolet Corvette ZR-1, Cockpit Foto: Hardy Mutschler
Der Beifahrer sitzt neben einer Kunststoff-Mauer voller Schalter und Anzeigen.

Der Fahrer der Corvette ZR-1 und sein ausladendes Cockpit nehmen ungefähr zwei Drittel des Innenraums in Anspruch, während der Beifahrer neben einer Art Schottwand kauern muss, die ihn daran hindert, an den geschätzten 100 Tasten für Klima und Musik oder sonstwo herumzufummeln. Und dann natürlich nahe am Schalthebel: der legendäre Parkwächter- oder Highschool-Tochter-Schlüssel, mit der die Leistung des V8 um rund 100 PS dezimiert werden kann, damit die teuren Goodyear-Reifen der Corvette ZR-1 etwas länger halten. Bei Bedarf schaltet der Corvette-Besitzer mit dem kleinen Schlüssel den zweiten Satz an Einspritzdüsen einfach aus, die ab etwa 3.500/ min wie ein Nachbrenner wirken sollen.

Der Dreh am Zündschlüssel holt uns wieder herab auf den harten, viel Vergnügen versprechenden Asphalt, wenn der V8 der Corvette ZR-1 startet und im Leerlauf lauernd sein „Rororororororo“ ertönen lässt. Etwas lauter sogar als in Serie, weil diese schwarze ZR-1 mit einer perfekt angepassten Edelstahl-Sportauspuffanlage Augen und Ohren betört.

Der 5,7-Liter-V8 dreht locker bis 6.500/min

Chevrolet Corvette ZR-1, Motor Foto: Hardy Mutschler
Problemloses Prachtstück: 32-Ventil-V8 mit 5,7 Litern Hubraum und ergreifendem Klang.

Der knapp geschnittene, ledergepolsterte Fahrersitz hält den Piloten fest im Griff. Gut so, denn eine entfesselt gefahrene Corvette ZR-1 schafft für einen Serien-Ami Kurvengeschwindigkeiten, die bisher als unmöglich gehalten wurden – auch in Europa. Das Schöne dabei ist, dass die Corvette vom Fahrer dennoch etwas Arbeit und Gespür für den Speed verlangt. Im Vergleich zu einem modernen, elektronisch verwalteten Porsche 911 lässt die Corvette deutlich spüren: Mehr geht nicht, wir waren gut, aber jetzt reicht's.

Nie genug bekommt man dagegen von der unbändigen Kraft des traditionell 5,7 Liter großen Vierventilers, der in Drehzahlregionen vorprescht, bei denen der normale Stoßstangen-V8 (L98) bereits mit dem Tode ringt: Mehr als 6.500/min sind kein Problem. Dank des Sechsgang-Schaltgetriebes setzt der quicklebendige Vierventiler ab 3.000/min die Gasbefehle des Corvette ZR-1 Fahreres genauso schnell in Bewegung um, wie ein Rodeo-Bulle aus seiner Startbox tobt. Nur der extrem lang übersetzte sechste Gang (0,50:1), der am besten als eine Art von Overdrive genutzt wird, bremst den Vorwärtsdrang. Dass der LT5-V8 ist ein echter Sportmotor ist, zeigt auch die Klangskala, die sich beim rasanten Beschleunigen vom bärenhaften Grollen in ein tigerähnliches Brüllen verwandelt. Hier haben sich die Techniker von Lotus in Hethel/GB (Entwicklung) und Mercury Marine in Stillwater/Oklahoma (Produktion) ein großartiges Denkmal gesetzt.

Karosserie-Check

Noch besser als die beiden Vorgänger-Generationen ist die Corvette C4-Baureihe, die ein komplett neu konstruiertes Chassis erhielt, gegen Rost geschützt. Das liegt an den vielen Aluminiumteilen und der nach wie vor aus Kunststoff gefertigten Karosserie. Trotzdem sollte man auf korrekte Spaltmaße und rundum identische Lackfarben-Intensität achten. Abweichungen davon entstehen meist durch billig durchgeführte Unfallreparaturen.

Die Corvette ZR-1 hast ein fest verschraubtes Targadach, sodass hier keine Problem mit schadhaften Dichtungen aufkommen können. Anders verhält es sich mit dem komplex gestalteten und luxuriös ausgestatteten Cockpit, dessen Funktionen vom CD-Spieler bis zu den elektrisch verstellbaren Sitzen mit aufblasbaren Luftkammern geprüft werden müssen. Oft ist die Qualität des Materials und dessen Verarbeitung etwas nachlässig, weshalb fast immer mit verschlissenen Ledersitzen und abgegriffenen Symbolen und Icons zu rechnen ist.

Auch war die einst über 100.000 Mark teure Corvette ZR-1 späteren Besitzern ausgesetzt, die sich kein weiteres Fahrzeug leisten konnten und das glamouröse Sportcoupé wie einen alten Toyota Corolla behandelten. Weil der Innenraum durch die Motorhitze stark aufheizt, ist eine gut funktionierende Klimaanlage unverzichtbar. Bestenfalls sollte die Anlage bereits mit dem seit 1995 vorgeschriebenen Kältemittel R134a ausgestattet sein. Noch nicht zugelassene US-Importe verursachen oft zusätzliche Kosten durch Umbauten der Beleuchtungsanlage einschließlich der Scheinwerfereinsätze.

Technik-Check

Trotz der nur kurzen V8-Vierventil-Episode bei Chevrolet gilt der von Lotus in England entworfene und gebaute (Vorserien-)Motor der ZR-1 als robust und unproblematisch. Allerdings sollten Reparaturen mit dem dafür notwendigen Fachwissen und zum Teil auch Spezialwerkzeug durchgeführt werden.

Dank moderner Elektronik und zentralem Bordcomputer können mit einem Diagnose-Gerät und unter Kenntnis der Fehler-Codes Probleme an der gesamten Motor-Peripherie herausgelesen werden. Diverse Öl-Leitungen sowie Getriebe und Differenzial sind auf Dichtigkeit zu überprüfen. Das in Deutschland bei ZF gefertigte Sechsgang-Schaltgetriebe der Corvette ZR-1 gilt weitgehend als unproblematisch, schaltet sich aber etwas ruppig und benötigt ein kräftiges Kupplungsbein.

Wer die Leistung des LT-5-Motors auf allen Straßen voll nutzen möchte, sollte die Gummibuchsen des komplex konstruierten Fahrwerks checken. Auch die Traggelenke an der Vorderachse leiden unter erhöhtem Verschleiß. Die Funktion des dreistufig verstellbaren Corvette ZR-1-Fahrwerks muss überprüft werden, ebenso das ab 1992 lieferbare ASR.

Preise

Angesichts der einst hohen Corvette ZR-1-Preise - doppelt so hoch wie für ein normales Corvette-Coupé - sind die derzeit geforderten Summen, die zwischen 22.000 und 25.000 Euro für gut erhaltene Exemplare mit über 100.000 km Laufleistung liegen, nicht zu hoch gegriffen. Fahrzeuge mit deutlich weniger Kilometer gehen schon in Richtung 30.000 Euro.

Allerdings hat sich Chevrolet durch die Übernahme der ZR-1-Optik für die gesamte Baureihe keinen Gefallen getan, weshalb nur Insider von der Existenz des Vierventilers wissen. Außerdem legte die Standard-Corvette ab 1992 mit der Leistung ständig zu (LT1 mit 300 PS), wodurch sich der der Abstand zur ZR-1 (zuletzt mit 405 PS) verringerte.

Bei Einführung 1990 (Chevrolet Corvette ZR1 ) :
172.000 Mark
Bei Produktionsende 1995 (Chevrolet Corvette ZR1 ) :
196.000 Mark

Ersatzteile

Dank des in der Corvette-Geschichte am längsten gebauten Basismodells der C4-Baureihe ist die Versorgung mit Ersatzteilen weitgehend gesichert. Das gilt auch für Karossereiteile sowie der Innenausstattung. Hier profitiert die Corvette ZR-1-Version von ihrer Verwandtschaft mit dem Standardmodell.

Allerdings ist nahezu kein Bauteil des Cosworth-V8 mit dem des GM-Stoßstangen-V8 identisch. Das gilt auch für die weitgehend neu konstruierte Motorperipherie einschließlich Einspritzanlage und Steuerelektronik. Hier können Engpässe entstehen, zumal Chevrolet die DOHC-Vierventil-Technik bei den V8-Motoren nicht weiter verfolgte: Nockenwellen sind inzwischen nicht oder nur sehr schwer erhältlich. Dafür sind die spezifischen Corvette ZR-1-Teile vergleichsweise günstig. Einspritzdüsen kosten jeweils zirka 100 Euro, die Zylinderkopfdichtung 250 Euro und eine komplette Bremsanlage rund 900 Euro. Auch das Beschaffen der breiten 315er-Reifen kann Schwierigkeiten machen.

Schwachpunkte

  1. Lackverfärbungen
  2. Spaltmaße
  3. Radlager hinten
  4. Fahrwerksbuchsen
  5. Vorderachse
  6. Ölverlust Motor
  7. Ölverlust Differenzial
  8. Ansaugspinne undicht
  9. Defektes Steuergerät
  10. Verschlissene Kupplung
  11. Verschlissenes Interieur
Chevrolet Corvette ZR1 (C4), Schwachstelle

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage