Porsche 959 (1985-1988)
Das Supercar, das seiner Zeit voraus war
Warum der Porsche 959 40 Jahre nach seiner Premiere begeistert: Technik, Rallye-Erfolge, Motor-Highlights, Fahrbericht und aktuelle Marktpreise.
23.11.2025 Andreas Of-Allinger, Bernd Woytal
Foto: Arturo Rivas
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Vor 40 Jahren setzte der Porsche 959 neue Maßstäbe im Sportwagenbau – technisch wie fahrdynamisch. Als innovativstes Projekt der Marke kombiniert er komplexen Allradantrieb, ein hochentwickeltes Fahrwerk und einen einzigartigen Register-Turbo-Boxermotor zu einem Meilenstein der Supercar-Geschichte. Warum der 959 als Straßen- und Rallye-Legende bis heute fasziniert und welche Details ihn so besonders machen.
Warum hat Porsche den 959 gebaut?
Die 1982 vom Automobilverband FIA neu eingeführte Gruppe B schien Porsche gut geeignet, nach zahlreichen Siegen auf Rundkursen und bei Straßenrennen auch im Rallyesport Erfolge einzufahren. Die Motorsport-Abteilung sollte auf Basis des 911 ein Wettbewerbsfahrzeug entwickeln. Für die Teilnahme an der Gruppe B mussten 200 Straßenautos gebaut werden. Ein erster Prototyp, die Gruppe-B-Studie, stand 1983 auf der IAA in Frankfurt.
War der 959 im Motorsport erfolgreich?
Im Jahr 1985 trat Porsche mit drei 959 bei der Rallye Paris-Dakar an. Allerdings waren die Turbomotoren nicht rechtzeitig fertig geworden, so dass Elfer-Motoren den Job machen mussten. Keines der drei Teams erreichte das Ziel. Ein Jahr später wagte Porsche erneut den Ritt durch die Wüste – das Duo René Metge/Dominique Lemoyne gewann die Rallye. Jacky Ickx/Claude Brasseur wurden Zweite, Roland Kussmaul/Wolf-Hendrik Unger belegten mit dem Werkstattwagen den sechsten Platz. In der Gruppe B ist der 959 nie angetreten, denn nach schweren Unfällen war Ende 1986 Schluss mit dieser wilden Ära des Rallyesports.
Wie viele 959 hat Porsche gebaut?
Die Kunden mussten auf ihren 959 bis 1987 warten. Einige davon hatten ihre Bestellung schon bei der IAA-Premiere 1985 abgegeben. Doch erst zwei Jahre später konnte Porsche liefern: 113 Exemplare verließen 1987 die Hallen. Im Jahr darauf waren es 179 Stück. Insgesamt entstanden 292 Exemplare, darunter 29 Sport-Versionen. Zu den Serienautos kommen 16 Prototypen und 21 Vorserienfahrzeuge. Acht Exemplare sollen außerdem 1992 in Handarbeit entstanden sein.
Woran erkenne ich die Sportversion?
Die Sport-Version ist rund 100 Kilogramm leichter, weil sie auf einige Merkmale der Komfort-Version verzichtet: elektrische Fensterheber, Klimaanlage, Rücksitze und Niveauregulierung fehlen. Die Sitze sind mit Stoff statt Leder bezogen und ab Werk fehlte der rechte Außenspiegel. Weil manche Kunden trotzdem beide Spiegel haben wollten, ist die fehlende Klappe im linken hinteren Seitenteil ein sicheres Unterscheidungsmerkmal des Sportmodells: Dahinter verbirgt sich beim Standard-959 der Messstab und der Einfüllstützen für den Vorratsbehälter des Hydrauliköls der Niveauregulierung.
Was ist das Besondere an der Technik im 959?
Im 959 steckt jede Menge aufwendige Technik in Form von Elektronik und Hydraulik. So hat der Fahrer bei niedrigen Geschwindigkeiten die Möglichkeit, die Bodenfreiheit zu variieren. Die Niveauregulierung ermöglicht drei verschiedene Bodenfreiheiten: 12, 15 und 18 Zentimeter, um ein Aufsetzen des Autos in jedem Fall vermeiden zu können. Ab Tempo 160 km/h wählt der 959 selbstständig die niedrigste Stufe. Auch die Dämpfereinstellung ist verstellbar, wird allerdings mit zunehmender Geschwindigkeit automatisch in Richtung hart geändert.
Viel Aufwand steckt ferner im System der Steuerung des permanenten Allradantriebs. Dem Fahrer stehen vier Wahlmöglichkeiten zur Verfügung, die er abhängig von der Fahrbahnbeschaffenheit wählen kann. Ein Steuergerät berechnet dann aus Motorleistung, Radgeschwindigkeit und anderen Einflussgrößen die Sperrwirkung der Kupplung zwischen Vorder- und Hinterachse und der Quersperre an der Hinterachse. Weitere Technik-Highlights stellen die als Hohlspeichenräder ausgeführten Magnesiumräder mit Zentralverschluss dar oder das Luftdruckkontrollsystem für die Reifen. Nicht zu vergessen: das spezielle, von Porsche entwickelte ABS der leistungsfähigen Bremsanlage.
Was ist das Besondere am Motor des 959?
Das Triebwerk des 959 basiert auf dem aus dem 911 bekannten Sechszylinder-Boxermotor. Die Kühlung übernimmt ein Axialgebläse, doch die Zylinderköpfe sind zusätzlich wassergekühlt. Deshalb hat der 959 eine Temperaturanzeige für die Kühlwassertemperatur der Zylinderköpfe im Cockpit – ein Instrument, das Fahrer luftgekühlter 911 nicht kennen.
Block und Köpfe bestehen aus Leichtmetall, polierte Titanpleuel und geschmiedete Kolben sind weitere feine Zutaten. Pro Zylinder sahen die Porsche-Ingenieure vier Ventile vor, die über Tassenstößel mit hydraulischem Spielausgleich und zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen pro Zylinderbank betätigt werden.
Das Besondere am Motor des 959 ist zweifellos seine Registerturboaufladung. Zwei wassergekühlte Turbolader, unterstützt von zwei Ladeluftkühlern, sorgen für gehörigen Druck. Die unterschiedlich großen Turbolader sollen ein gutes Ansprechverhalten und Drehfreude kombinieren. Bei niedrigen Drehzahlen läuft ein kleiner, schneller ansprechender Lader. Ab etwa 4.300/min steigt der größere Lader ein, dessen Volumen auch für höhere Drehzahlen ausreicht. Ladedruck und Zuschaltzeit regelt ein Ventilsystem. Ab Werk leistet der Motor 450 PS, mit einem Werks-Leistungskit ( S-Modell) sind es 515 PS.
Ist der Tacho mit 340-km/h-Skala eine Übertreibung?
Bei Testfahrten von auto motor und sport im italienischen Nardo erreichte ein 515 PS starker 959S eine Höchstgeschwindigkeit von 339 km/h. Die Tachoskala bis 340 km/h entspricht also der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Autos. Das Standardmodell erreicht 317 km/h – bis heute gibt es wenige Serienautos, die schneller sind.
Wie fährt ein Porsche 959?
Erstaunlich unkompliziert. Cockpit und Sitzposition sind dem 911 sehr ähnlich. In der Komfortversion hat Porsche besonders hochwertiges Leder verbaut, das es so nur in diesem Modell gab. Kurios: Auch die Komfortversion hat Scheiben aus leichterem, dünnem Glas.
Lediglich einige zusätzliche Anzeigen und Schalter weisen auf die Technik dieses Supercars hin: In der Mittelkonsole befindet sich ein Drehschalter für die Niveauregulierung, an der Lenksäule ein Hebel für die Fahrprogramme. Beide Funktionen kann der Fahrer mit Leuchten im Cockpit überwachen.
Ungewöhnlich ist das Schaltschema des Sechsgang-Getriebes: Der erste Gang ist mit "G" bezeichnet, der Zweite mit "1". Damit wollte Porsche damals die Geräuschvorschriften einhalten; die vorgeschriebenen Tests wurden einfach einen Gang höher gefahren.
Ein 959 fährt sich erstaunlich unproblematisch und schnurrt brav durch den Alltagsverkehr. Wer jedoch das Gaspedal beherzt durchtritt, erlebt beim Einsetzen des zweiten Turboladers bei etwa 4.300/min, wie sich der Wagen in ein rasendes Monster verwandelt. Im Test von auto motor und sport beschleunigte der 959 in 3,7 Sekunden von null auf 100 km/h. Dabei zog der Testwagen, wie der damalige Tester Gert Hack beschrieb, "eine etwa zwölf bis 15 Meter lange Gummispur".
Das ständige Ausnutzen dieses Temperaments wirkt berauschend, und allzu leicht überschreitet mancher Fahrer die Grenzen seines Fahrkönnens. Unterm Strich ist der Standard-959 dennoch eher komfortbetont – gerade im Vergleich zu seinem puristischen Konkurrenten, dem Ferrari F40.
Was kostet ein Porsche 959?
Als Neuwagen war ein Porsche 959 mit einem Preis von 420.000 D-Mark eines der teuersten Autos, das man kaufen konnte. Heute liegen die Preise für gut erhaltene Autos je nach Laufleistung und Vorgeschichte zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Euro.
Was sind die Alternativen zu einem Porsche 959?
Ein anderes Supercar aus der Zeit des Porsche 959 ist der Ferrari F40. Der Ferrari ist teurer, spektakulärer und puristischer als der Porsche.
Wer einen Porsche mit vergleichbaren Fahrleistungen möchte, sollte nach einem 993 Turbo suchen. Der hat ebenfalls einen doppelt aufgeladenen Sechszylinder-Boxermotor im Heck und Allradantrieb. Es gab außerdem eine Werksleistungssteigerung (WLS): Stufe 1 steigert die Leistung von 408 auf 430 PS. Mit der ausschließlich im Modelljahr 1998 erhältlichen WLS II leistet der Boxermotor dank Turboladern aus dem GT2 450 PS. Das entspricht der Leistung des 993 Turbo S. Diese rare Variante des 911 Turbo ist allerdings sehr selten und teuer – eine Alternative für Sammler. Der Vorteil des 993 gegenüber dem 959 ist, dass er das modernere Auto ist und komfortabler fährt – als WLS-Turbo jedoch kaum langsamer.